ZDF/Chris Reardon
Sebastian Koch
"Ich kämpfe für meine Ideen"
Interview: Stürmische Zeiten für Sebastian Koch
Mit dem Oscar-gekrönten "Das Leben der Anderen" wurde Sebastian Koch dem breiten Publikum bekannt. Der Durchbruch blieb nicht ohne Folgen. Neben Tim Roth und Neve Campbell spielt er in einer internationalen TV-Produktion die Hauptrolle. Auf den Spuren von Raimund Harmstorf geht Koch als "Der Seewolf" auf Robbenfang und schreckt vor keiner Gefahr zurück. Den Dreh hat er auch bei hohen Wellen ohne Seekrankheit überstanden.
erschienen am 2. 11. 2009
Concorde Home Entertainment
Der Seewolf ("Sea Wolf", 2008)
Ricore: Der Roman hat schon einige Jahre auf dem Buckel, was macht ihn heute so faszinierend?

Sebastian Koch: Die ewige Frage, wie weit die Freiheit des Einzelnen geht und wo diese an die Grenzen der Gesellschaft stößt. Das ist die Grundidee des Buches und in unserer Gesellschaftsform einfach zeitlos. Diese Frage wird uns immer beschäftigen und jede neue Generation, weil es darauf keine eindeutige Antwort gibt - jeder Mensch muss diese Frage für sich selbst klären.

Ricore: Konnten Sie in der Figur all das sein, was Sie sonst nicht sind?

Koch: Ich kenne diese große Energie, dass man wirklich für etwas kämpfen will, wenn es sich lohnt. Ich vermeide keine Konflikte aus der Angst heraus, nicht anecken zu wollen.

Ricore: Werden Sie gar nicht seekrank?

Koch: Nein, das geht nicht. Wolf Larsen kotzt nicht. Das wäre peinlich.

Ricore: Es geht hauptsächlich um Gut und Böse. Ist wirklich nichts Gutes in ihm?

Koch: Es gibt durchaus eine Sehnsucht nach Liebe in ihm, die er in seinem Leben nie erfahren hat. Aber diese Sehnsucht birgt natürlich auch die schmerzlichen Erinnerungen an seine Kindheit, so dass er alles Emotionale, das ihm zu nahe kommt, zerstören muss. Und dieses Spannungsverhältnis ist es, das ihn ja auch so faszinierend macht.
ZDF/Chris Reardon
Sebastian Koch und Tim Roth
Ricore: Und er schafft es, das bis zum Schluss zu verbergen?

Koch: Wolf Larsen würde dies nie zugeben, auch wenn es seinen Untergang bedeutet. Er ist konsequent bis zum bitteren Ende. Zum Schluss sagt er "Solange ich lebe, kämpfe ich". Das Buch ist eine unglaublich schöne Parabel, philosophisch und spannend. Deswegen habe ich auch das Hörbuch eingelesen.

Ricore: Death Larsen wird von Tim Roth gespielt, der eine sehr starke Leinwandpräsenz hat. Wird man dadurch angespornt?

Koch: Die Frage stellt sich nicht. Für mich entsteht Schauspielerei im Moment. Wenn ich einen guten Gegenüber habe, ist das natürlich umso besser. Je besser die Gegenüber sind, desto besser kann man selbst sein.

Ricore: Das Buch gibt es schon lange, es gab vor 40 Jahren einen Film, der viel bewirkt hat.

Koch: Der Seewolf ist einfach ein großer Stoff, der immer wieder verfilmt werden wird. Die Frage nach der Freiheit des Einzelnen in der Gesellschaft stellt sich immer wieder. Auch bei uns gibt es Klassiker, die immer wiederkehren.

Ricore: Haben Sie als Schauspieler Angst, verglichen zu werden?

Koch: Nein. Ich sehe das nicht als Konkurrenzunternehmen sondern als Neuverfilmung.
Jean-François Martin/Ricore Text
Carice van Houten und Sebastian Koch sind auch privat ein Paar
Ricore: Wie war es für Sie als Darsteller, sich mit langen Haaren und Bart so verwildert zum ersten Mal auf der Leinwand zu sehen? War das wie eine fremde Person für Sie?

Koch: Ich habe mich für die Rolle alles in allem ein halbes Jahr vorbereitet. Natürlich gewöhnt man sich da ein bisschen an das Aussehen.

Ricore: Kann man sagen, dass der Dreh für Sie eine besondere Herausforderung war? Gerade was diese Körperlichkeit betrifft?

Koch: Sicherlich, wir haben fast alle Szenen auf dem Boot auf dem offenen Meer gedreht! Das ist auch filmisch eine besondere Herausforderung, wenn man einen 360 Grad Schwenk macht, darf man ja nicht die Maskenleute und die Lichtleute sehen. Zudem kam oft der starke Seegang dazu.

Ricore: Der Regisseur hat sich angeblich Vorbilder wie "Master & Commander - Bis ans Ende der Welt" und "Der Sturm" genommen. Hatten Sie auch solche filmischen Vorbilder?

Koch: Nein. Meine Fantasie ist von dem gefüttert, was ich erlebt habe und was ich beim Lesen des Buches empfunden habe - es ist meine Interpretation. Gemeinsam mit dem Regisseur haben wir dann die einzelnen Szenen entwickelt.

Ricore: Was macht das mit einem, wenn man eine Literaturverfilmung dreht?

Koch: Das Größte ist das Gefühl, den Stoff lebendig werden zu lassen.
Constantin Film
Sebastian Koch in "Effi Briest"
Ricore: Auch bei einem "Rudi Rüssel"-Film?

Koch: Sicher, dabei handelt es sich ja auch um eine Literaturverfilmung. Ich bin immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen - ich möchte nicht immer das gleiche machen.

Ricore: Die Abwechslung macht diesen Beruf also aus.

Koch: Für mich ja. Dabei besteht natürlich auch immer ein Risiko. Wenn ich kein Risiko eingehe und vermeintlich weiß, wie's geht, dann brauche ich gar nicht anzutreten.

Ricore: Sie nehmen also auch Rollen an, wenn Sie gar nicht sicher sind, ob das überhaupt was wird?

Koch: Natürlich. Ich weiß im Vorfeld ja nicht, ob ich den Seewolf so spielen kann, dass das Publikum ihn mir glaubt und das ist immer ein Risiko. Man springt in etwas rein, von dem man nicht weiß, wo's hingeht.

Ricore: Und was könnte jetzt noch kommen?

Koch: Ich drehe jetzt eine schöne englische Komödie auf der Ilse of Man.

Ricore: Theater ist nichts für Sie?

Koch: So kategorisch kann man das nicht sagen, ich habe zum Beispiel gerade in Bochum den Lord Goring in "Ein idealer Gatte" von Oscar Wilde gespielt. Und das war eine tolle Aufführung. Aber beim Repertoire-Theater hat man manchmal nur zwei Vorstellungen im Monat, den Rest der Zeit verbringt man mit anderen Terminen - da muss man sich immer wieder aufs neue reindenken - das unterscheidet Theaterspielen vom Drehen.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 2. November 2009
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Der Seewolf (Kinofilm)
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2024