ARD Degeto
Erol Sander in "Mord in bester Gesellschaft - Das eitle Gesicht des Todes"
Besser bayrisch als türkisch
Interview: Erol Sander möchte unterhalten
Erol Sander kommt über Umwege zum Schauspielberuf. Nachdem er in Paris für renommierte Designer modelt, nimmt er nebenbei Schauspielunterricht. Im Jahr 1999 gelingt ihm der Durchbruch mit der TV-Serie "Sinan Toprak ist der Unbestechliche". Seither ist er vor allem im deutschen Fernsehen zu sehen. In "Mord in bester Gesellschaft - Das eitle Gesicht des Todes" spielt er Schönheitschirurg Professor Reza Hamadin, der mit dem Verlust seiner Ehefrau fertig werden muss. Mit uns spricht Sander über Schönheit, Imagebruch und sein Verhältnis zu Oliver Stone.
erschienen am 5. 01. 2010
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Erol Sander als Schönheitschirurg in "Mord in bester Gesellschaft"
Ricore: Sind Sie wie Ihre Rollenfigur besitzergreifend oder eifersüchtig?

Erol Sander: In meinen Jugendjahren war ich schon sehr eifersüchtig, wenn ich eine Frau geliebt habe. Aber mit meiner Frau bin ich inzwischen 14 Jahre zusammen, davon zehn Jahre verheiratet. Wir sind total offen. Ich habe jemanden gefunden, wo ich nicht in Geheimsprache sprechen muss, oder aufpassen muss, was ich sage. Unsere Stärke ist es, ehrlich und offen zu sein und für jedes Problem eine Lösung zu finden. Perfekt ist es nie, aber das wäre auch zu langweilig.

Ricore: Genießen Sie es, prominent zu sein? Erol

Sander: Ich glaube, es ist vulgär einen Prominentenstatus auszuüben, aber wenn du irgendwo bist und jemand erkennt dich, dann kannst du das nicht vermeiden. Es ist jedoch nicht charmant, diesen Promistatus zu nutzen.

Ricore: Ist es Ihnen unangenehm, wenn Sie auf der Straße erkannt werden?

Sander: Nein, überhaupt nicht, denn das heißt, die schauen meine Filme an. Das macht mich stolz und glücklich. Die Leute zu erreichen ist das, was ich will. Mit Krimis oder Liebesfilmen.

Ricore: Sind Sie eitel?

Sander: Wer ist nicht eitel? Sogar ein Punk schaut im Spiegel, ob er ausschaut wie ein Punk.
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Erol Sander in "Mord in bester Gesellschaft - Das eitle Gesicht des Todes"
Ricore: Ihnen haftet das Image des attraktiven Schauspielers an.

Sander: Das ein Kompliment. Ich finde beispielsweise Michael Douglas attraktiv, Robert de Niro ebenfalls.

Ricore: Wollten Sie niemals mit dem Image brechen?

Sander: Ich glaube, bevor man irgendetwas brechen möchte, muss man die Leute erst einmal erreichen und Vertrauen gewinnen. Meine Aufgabe ist es, in vielen Filmen zu spielen, um von den Zuschauern authentisch aufgenommen zu werden. Man ist ja ein bisschen scheu gegenüber Bösewichten, da kann man keine Sympathie aufbauen. Es ist viel besser, Menschen zu überraschen und sie aus diesen Erwartungen herauszunehmen. Das versuche ich zu machen. Ich versuche zu unterhalten. Das ist das Ziel der Sache, aber bevor du unterhalten kannst, musst du vom Publikum Vertrauen haben, dann kann man auch moderner werden. Man kann immer noch klassische Krimis und Liebesfilme machen und im selben Moment ein Experiment dazu holen. Du kannst nur Kunstfilme machen, erstmal braucht man ein Publikum, bevor man Kunstfilme macht.

Ricore: Man sieht Sie selten im Kino. Ist das Ihr Ziel?

Sander: Mein Ziel ist Unterhaltung pur. Vertrauen zu gewinnen, zu unterhalten, einen Film zu machen, der Spaß macht. Das Ziel der Leidenschaft, die ich ausübe, ist in einem Team zu sein, das harmonisch ist, wo die Menschen offen und klar sind. Wenn das funktioniert, dann können wir in tiefere und interessantere Rollen eintauchen, uns vielleicht auch mit Polemiken und polarisierenden Geschichten weiterentwickeln. Das schaffen wir nur mit Führungspersonen, die das Vertrauen des Publikums haben, so etwas aufzubauen ist harte Arbeit.

Ricore: Wie ist das als Prominenter mit den Foto-Handys? Fast jeder hat heutzutage eine Kamera dabei.

Sander: Ich habe mich zum Beispiel letztens aufgeführt, da bin ich mit meinem Hund über die Straße gegangen. Ich war zwei Sekunden zu spät an der roten Ampel, aber ich habe auch versucht, eilig zu gehen. Da hat mich einer angehupt. Ich habe ihn gefragt, was das Problem ist. Am nächsten Tag steht in einer E-Mail an mich: "Herr Sander hat sich unmöglich auf der Straße aufgeführt". Was soll ich machen?
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Lara-Joy Körner und Erol Sander
Ricore: Was haben Sie für ein Verhältnis zu Ihrer Heimatstadt Istanbul?

Sander: Ich bin mit vier Jahren nach Deutschland gekommen. Kinder sind wie Unkraut und passen sich schnell an. Ich habe ganz wenig mitbekommen von dort. Ich bin nach München gekommen und war zwei Jahre im Klosterinternat im Chiemgau. Ich war zwei Jahre sogar Ministrant. Ich bin ein Vollbayer. Man hört immer wieder den Satz: "Du musst dich anpassen!" Vielleicht bin ich deutscher geworden als deutsch, weil ich mich so gut angepasst habe. Jetzt bin ich drei Monate im Jahr in Schleswig-Holstein. Das hier ist meine Heimat, das wird mir auch niemand wegnehmen können. Istanbul ist ein romantischer Ursprung. Wo sind Vater und Mutter geboren? Wie haben sie gelebt? Was war los? Das sind Sachen, die interessant sind. Wir waren eine sehr moderne Familie. Mein Vater war Basketballnationalspieler. Man schaut zurück und versucht die Dinge zu entdecken. Jetzt auch mit einer Krimi-Reihe, die ich in Istanbul drehe. Es ist interessant, ein paar Geheimnisse der Stadt zu entdecken.

Ricore: Sprechen Sie perfekt Türkisch?

Sander: Nein, ich spreche besser Bayerisch als Türkisch.

Ricore: Sind Sie in der Türkei ein Thema? Werden Sie dort wahrgenommen?

Sander: Ich bin dort kein Thema, aber man weiß, dass ich existiere. Für die Ursprungstürken in Deutschland bin ich ein Thema. Ich bin Vollbluteuropäer. Ich bin mit einer Französin verheiratet, mein Sohn wächst deutsch, französisch und türkisch auf. Ich habe mich entschieden in Deutschland zu spielen und bin seit meiner Kindheit hier. Johannes Rau hat einmal zu mir gesagt: "Es geht nicht um den einzelnen. Es geht darum, dass wir alle gemeinsam die Zukunft gewinnen. Wir sind eine große Mannschaft." Das Fundament in Deutschland ist die Demokratie, jeder hat das Recht zu sagen, was er möchte und ich lebe für dieses Land.

Ricore: Für welche Filme können Sie sich privat begeistern?

Sander: Dokumentationen. Ich entdecke gerne die Welt und sehe gerne Sender wie Phoenix oder 3sat.
Indra Fehse/Ricore Text
Erol Sander
Ricore: Gehen Sie häufig ins Kino?

Sander: Ja. Wenn ich mir Filme anschaue, dann immer die Originalversion, auch wenn sie auf indisch sind. Ich schau auch ab und zu Fernsehen. Letztens habe ich um zwei Uhr nachts Drehbuch gelernt, da kam die TV-Zugfahrt von München ins Tessin. Ich habe drei Stunden die Fahrt ins Tessin angeschaut, das war sehr schön.

Ricore: Sie sind mit der Nichte von Oliver Stone verheiratet. Gibt es eine Verbindung zu ihm?

Sander: Klar, er gehört zur Familie. Er ist der Onkel meiner Frau und die Familie ist sehr eng miteinander verbunden. Ich gehe aber meinen eigenen Weg. Bei "Alexander" habe ich mitgemacht, da musste ich auch Leistung bringen, sonst wird man abgeschossen. Ich glaube nicht, dass Franz Beckenbauer seinen Sohn beim WM-Finale in die Abwehr stellen kann, wenn der nicht in der Verteidigung spielen kann. Eine 80 Millionen Produktion ist wie ein Finalspiel. Wenn du da jemanden in die Abwehr stellt, der nicht die Fähigkeit hat, verlierst du. Das war eine Erfahrung und eine Bereicherung, die mir keiner nehmen kann. Wir wollen auch wieder etwas zusammen machen. Das ist eine Frage von Monaten oder einem Jahr. Ich hätte auch in "Wall Street 2" mitmachen können. Nur habe ich mein Publikum hier, denn hier ist mein Leben. Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, dann wird es auch passieren, aber ich kann nicht warten, bis einer sagt, ich drehe in zehn Monaten.

Ricore: Andere würden für Oliver Stone alles stehen und liegen lassen.

Sander: Ja, aber so bin ich nicht drauf, dafür bin ich zu deutsch. Das hier ist mein Land, hier lebe ich, das ist meine Heimat und meine Persönlichkeit. Ich liebe es, nach Paris zu gehen, nach London, New York, Mailand, Rom. Mir macht das Spaß. Aber das ist mein Land, ich bin Europäer. Ich spreche Englisch mit einem leichten Akzent, man weiß nicht, wo der herkommt. In Los Angeles bei 20 Millionen Schauspielern rumzuhocken, da hab ich keinen Bock drauf. Und zu sagen "Hallo, ich bin der Neffe", das möchte ich nicht. Da verliere ich schon irgendwie meine Eier. Ich mache mein Ding, für mich ist es wichtig zu unterhalten und das Vertrauen zu gewinnen. Ich bin zufrieden mit dem, was ich habe. Es ist auch eine große Herausforderung, das deutsche Publikum immer wieder neu zu überraschen. Auch wenn es eine Liebesgeschichte oder ein Krimi ist. Das sind einfach unsere Traditionen, die wir in Deutschland fortsetzen. Wer diese 6 bis 8 Millionen Zuschauer nicht sieht, der ist ignorant. Die Heimatfilme mit Heinz Rühmann oder den Hörbigers sind Sachen, die ich liebe. Ich setze diese Tradition fort, etwas, das ich selber schon als Kind angeschaut habe. Ab und zu kann man Experimente wagen und neue Facetten zeigen.

Ricore: Vermeiden Sie bewusst diese Doppel-Staatlichkeit, wie beispielsweise Fatih Akin sie in seinen Filmen aufgreift?

Sander: Ich habe einmal einen "Tatort" gedreht, wo ich ein türkisches Familienoberhaupt gespielt habe. Das war wie in New York, wo eine jüdische Familie ihre Religion zuhause ausübt. Die Kinder der Familie kommen nicht mit diesem Culture-Clash klar. Das Familienoberhaupt hat die Erfahrung und sagt, in den eigenen vier Wänden leben wir so, aber draußen haben wir uns der Gesellschaft anzupassen. Ich persönlich habe einen Pass, das ist mein deutscher Pass. Ich wähle hier, ich lese die Zeitung hier. Selbst wenn ich im Ausland bin, lese ich deutsche Zeitung. Das ist für mich einfach kein Thema. Ich glaube, Integration fängt da an, wo wir aufgehört haben zu diskutieren und es eine Selbstverständlichkeit geworden ist. Wenn wir nicht mehr darüber reden, dass gestern ein polnischstämmiger Deutscher in einem Supermarkt zwei Stückchen Schokolade geklaut hat, sondern sagen: gestern Abend hat jemand im Supermarkt zwei Stückchen Schokolade geklaut. Der polnische Deutsche ist zufälliger Weise 39 Jahre alt und lebt hier seit 38 Jahren. Das sind Begrifflichkeiten, die muss man aus dem Vokabular loswerden.

Ricore: Herr Sander, vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 5. Januar 2010
Zum Thema
Erol Sander wird am 9. November 1968 in Istanbul geboren. 1973 zieht die Familie nach München, wo der Schauspieler bis heute lebt. Davor zieht es ihn nach Paris, wo er sieben Jahre für Designer wie Armani, Dolce & Gabbana, Dior und Louis Vuitton modelt und Schauspielunterricht nimmt. Hier lernt Sander die Liebe seines Lebens kennen, die Französin Caroline Godet. Die Nichte von Regisseur Oliver Stone ist mit Sander seit dem Jahr 2000 verheiratet. Jamais deux sans toi". Der Durchbruch gelingt..
Dr. Wendelin Winter (Fritz Wepper) ist in Sorge. Gerade ist seine Tochter Alexandra (Sophie Wepper) bei ihm ausgezogen, da ereignen sich an ihrem neuen Wohnort Starnberg zwei Frauenmorde. Zudem ist der psychopathische Frauenmörder Manfred Borchert (Max Tidof) aus der Sicherheitsverwahrung geflohen und plant offenbar, ein Hühnchen mit Dr. Winter zu rupfen. Hängen die beiden Sachverhalte zusammen? Fünfter Teil der ARD-Krimi-Reihe mit Licht und Schatten.
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