Constantin Film
Florian David Fitz in "vincent will meer"
Hungrig geblieben trotz Erfolgen
Interview: Florian David Fitz auf Überholspur
Für Florian David Fitz ("Doctor's Diary", "Männerherzen") schwärmen nicht nur pubertierende Mädchen. Schon früh in seiner Laufbahn mit dem Grimmepreis geehrt, präsentiert der Schauspieler und Musiker sein Können inzwischen auch als Drehbuchautor. In dem leichtfüßigen Roadmovie "vincent will meer" wagt er sich an ein schwieriges Thema. Als Tourettekranker begibt er sich auf eine Reise ans Meer und zu sich selbst. Wir sprachen mit dem Münchner über Tics, Preise und sein Image. Warum auch Alkohol manchmal hilfreich sein kann, lesen Sie in unserem Interview.
erschienen am 16. 04. 2010
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Florian David Fitz in "vincent will meer"
Ricore: Sie haben das Drehbuch zu "vincent will meer" geschrieben und die Hauptrolle übernommen. Wie sind Sie auf diese Geschichte gestoßen?

Florian David Fitz: Mein erster Kontakt zu Tourette kam durch meinen ehemaligen Lehrer zustande. Dadurch bekam ich einen ersten Eindruck von der Krankheit. Davor wusste ich gar nicht, was Tourette ist. Dann sah ich einen Bericht im Fernsehen, der eine Saite in mir zum Schwingen gebracht hat. Da war einer, der starkes Tourette mit vielen physischen Tics hatte. Er hatte einen sehr unruhigen Körper aber einen friedlichen Geist. Ich dachte "Wow! Wie bekommt er diesen Frieden hin, wenn ich das nicht mal ohne Tourette schaffe!" Diese innere Reise wollte ich beschreiben.

Ricore: Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?

Fitz: Die Vorbereitung fand hauptsächlich während dem Schreiben statt. In dieser Phase habe ich mich über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren mit der Materie auseinandergesetzt. Ich musste mich nicht mehr vorbereiten, außer auf die Physis. Da ging es dann eher darum, wie ich diese Tics hinbekomme.

Ricore: Durch Beobachtung und Rat?

Fitz: Irgendwann musst Du es einfach machen. Da kannst Du Dir so viel Rat holen, wie Du willst. Ich hatte Schiss davor. Es kann eine Menge schief gehen.

Ricore: Wenn man in der Darstellung übertreibt?

Fitz: Ja, zum Beispiel. Tourette sieht man im Fernsehen eigentlich nur als Comedy, als eine Art Slapstick. Wir haben in "vincent will meer" auch Slapstickelemente aber das ist anders. Wir wollten nie jemanden verraten.
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Florian David Fitz schreit in den Himmel
Ricore: Mir ist aufgefallen, dass man als Zuschauer nicht aus Schadenfreude sondern aus Mitgefühl lacht.

Fitz: Genau. Du lachst, weil die Situation unmöglich ist. Aber es ist kein Hänseln.

Ricore: Wieviel Florian David Fitz steckt im Drehbuch?

Fitz: Das ist eine schwierige Frage. Es ist genauso wie beim Schauspiel. Es ist meine Art von Fantasie und Humor. Das heißt nicht, dass ich so bin, aber es sind Seiten von mir dabei. Man darf nicht vergessen, dass mit dem Regisseur eine andere Fantasie dazukommt.

Ricore: Mit welchen Augen sehen Sie Ihre Figuren? Lieben Sie Ihre Charaktere?

Fitz: Um Gottes Willen, natürlich! Es ist witzig, dass die Leute auf Vincents Vater herumhacken. Ehrlich gesagt, verstehe ich ihn sehr gut und sehe das nicht so einseitig. Es ist ja auch nicht so, dass Vincent ihm das leicht macht. Die beiden ähneln sich mehr als man denkt. Darüber kommt Vincent seinem Vater dann näher. Beide sind verstockt.

Ricore: Psychisch Kranke werden oft stigmatisiert. Wie sollte eine Gesellschaft mit ihnen umgehen?

Fitz: Es gab schon immer das "Depperl im Dorf". Aber Tourettekranke sind ja nicht geistig zurückgeblieben. Vincent ist wie Du und ich, nur der Körper macht etwas anderes als er will. Ich kann nicht sagen, wie die Gesellschaft mit ihnen umgehen sollte. Ich finde eine übertriebene politische Korrektheit genauso schädlich wie einen unsensibler Umgang. Ich gestehe jedem, der zum ersten Mal einem Tourettekranken begegnet, zu, dass er hinsieht, weil es etwas Besonderes ist. Klar, man hat eine gewisse Sensationsgeilheit. Sorry, das ist so.

Ricore: Alles andere wäre verlogen.

Fitz: Ja. Wie reagieren denn Kinder auf sie? Sie schauen und fragen neugierig. Mehr kann man nicht tun, als ehrlich zu reagieren. Und dem Betroffenen kann man das nicht ersparen. Sobald man anfängt, zu bewerten, wird es Scheiße.
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Florian David Fitz ist verzweifelt
Ricore: Vincent führt ein eigenbrötlerisches Leben. Sind Sie ein Einzelgänger?

Fitz: Ja, schon (überlegt).

Ricore: Vincent ist aber auch sehr aufbrausend und verteilt die eine oder andere Ohrfeige. Haben Sie so viel Energie?

Fitz: Ja klar. Es war uns aber schon wichtig, dafür zu sorgen, dass Vincent nicht zum bemitleidenswerten Opfer verkommt. Er hat schließlich seinen Zorn und baut auch mal Scheiße.

Ricore: Was macht Sie wütend?

Fitz: Oh viele Dinge (lacht). Im Straßenverkehr bin ich wie jeder andere Mensch ganz furchtbar. Das treibt mich sehr schnell zur Weißglut. Da wird jeder wahnsinnig rechthaberisch. Zu denen gehöre ich auch. Außerdem bin ich ungeduldig aber ich versuche, es unter Kontrolle zu halten. Ich würde manchmal gerne schneller zu Ergebnissen kommen oder mir eine Geschichte nicht zum zwanzigsten Mal anhören.

Ricore: Sie wurden früh mit Preisen ausgezeichnet. Wie hat das im Nachhinein Ihre Karriere beeinflusst?

Fitz: Ich habe ganz am Anfang mal einen Preis bekommen. Das war einfach nur schön und bis zum nächsten hat es lange gedauert. In der Zwischenzeit habe ich sieben Jahre gearbeitet! Gut, einige Leute arbeiten 20 Jahre. Aber dann kam 2007 der Grimme-Preis, der mir nun wirklich total wichtig war. Für mich war der Grimme einer der schönsten Momente meines Lebens.

Ricore: Verändern sich die Möglichkeiten nach Preisen?

Fitz: Das hat sich relativ kontinuierlich entwickelt. Die Wahrnehmung hat sich ein wenig verändert. Witzigerweise haben meine Filme ein immer größeres Echo ausgelöst, wie zum Beispiel nach "Meine verrückte türkische Hochzeit". Dann ging es weiter mit "Doctor's Diary - Männer sind die beste Medizin" und "Männerherzen". Wenn die Sachen Erfolg haben, ändert sich die Wahrnehmung.
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Florian David Fitz in "vincent will meer"
Ricore: War das eigene Drehbuch eine Art Befreiungsschlag von der Unzufriedenheit?

Fitz: Phasen der Unzufriedenheit gibt es immer wieder. Ich habe es vermisst, selber etwas zu kreieren. Als Schauspieler stößt Du zu einem relativ beendeten Produkt. Mit dem Schreiben kannst Du eine Welt entstehen lassen. Ich habe während dem Schreiben die Erfahrung gemacht, dass es unglaublich mühsam ist, die Figuren zu konstruieren, den Zug auf die Schiene zu setzen. Aber irgendwann tritt der Moment ein, in dem die Personen selber anfangen, zu sprechen. Das ist es, was die Leute als Flow bezeichnen. Dann bin es nicht mehr ich, der sich etwas ausdenkt. Du hast das Gefühl, Du schreibst es nur auf. Das ist ein tolles Gefühl. Der zweite Punkt war, konstruktiv mit meiner Zeit umzugehen. Ich langweile mich eben schnell.

Ricore: Werden Sie weitere Drehbücher schreiben?

Fitz: Ja, auf jeden Fall.

Ricore: Gefällt Ihnen die Doppelrolle Drehbuchautor/Hauptdarsteller?

Fitz: Das ist eine ausgesprochen schwere Kombination. Der Chef ist der Regisseur. Er geht mit dem Buch einen anderen Weg. Insofern ist es für alle Beteiligten eine ungewöhnliche Situation.

Ricore: Sind Sie sich während den Dreharbeiten mit Regisseur Ralf Huettner in die Quere gekommen?

Fitz: Natürlich. Das ist normal. Aber weniger, als man denkt.

Ricore: Reizt Sie auch die Regie?

Fitz: Ja. Aber das hat Zeit.
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Florian David Fitz denkt nach
Ricore: Sie sind verwandt mit der bayrischen Künstlerfamilie Fitz. Haben Sie sich bei Ihrer Berufswahl der Tradition verpflichtet gefühlt?

Fitz: Ich glaube, das ist eher eine genetische Sache. Meine Schwester und ich sind sehr unterschiedlich. Ich scheine genetisch anders gestrickt zu sein. Seit meiner Jugend hatte ich immer mehr den Drang zum künstlerischen Beruf. Mein Vater kann sehr schön zeichnen und singt sehr schön. Aber er hat es nie zum Beruf gemacht. Ich glaube, dass es eine Frage der Anlage und nicht der Tradition ist.

Ricore: Im Internet besteht ein regelrechter Hype um Ihre Person.

Fitz: Das hat mich überrascht (lacht). Ich meine, ich war überrascht, diese Erfahrung zu machen.

Ricore: Gab es Zeiten, in denen sie diesen Zustand verflucht haben?

Fitz: Nein, das ist schon gut. Es ist toll, aber ich versuche, das relativ streng zu trennen. Man merkt, da emanzipiert sich etwas von Dir. Was Sie über unser Interview schreiben und welche Passagen Sie auswählen, wird mit Ihnen zu tun haben. Das Endergebnis wird sich anders lesen, als ich in Wirklichkeit bin. Das ist auch vollkommen OK. Nur ergeben diese ganzen Bausteine zusammen mit meinen Filmrollen eine Art Avatar, die zwar mit mir zu tun hat, aber einen Meter vor mir steht. Das ist eine absurde Erfahrung. Wenn ich lerne, damit umzugehen, kann das auch sein gutes haben, weil ich diesen zweiten Fitz als Puffer hernehmen kann. Ich kann mir sagen "Man meint nicht wirklich mich".

Ricore: Was halten Sie von der deutschen Filmszene? Wie sind Sie eingebunden?

Fitz: Am Anfang ist es schwer, wenn man niemanden kennt. Man ist auf diesen Veranstaltungen und es ist furchtbar. Mittlerweile geht es auf diesen Events darum, dass man mit ehemaligen Kollegen den Kontakt auffrischt. Dann ist es ganz schön. Aber ich bin kein Socialité. Ich muss da immer ein wenig trinken (lacht), um mich locker zu machen.

Ricore: Wie steht es mit ausländischen Produktionen?

Fitz: Wie gesagt, es herrscht jetzt eine andere Wahrnehmung zu meiner Person. Plötzlich muss ich jetzt mit anderen Leuten konkurrieren. Es gab ein wunderschönes Projekt, das ich gerne gemacht hätte, die Rolle jedoch nicht bekommen habe. Die ging an Benno Fürmann und vor ihm wurde Moritz Bleibtreu gefragt (lacht). Also das ist einfach eine andere Liga.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 16. April 2010
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Nach seinem Abitur 1994 geht Florian David Fitz erst mal nach Boston, Massachusetts, wo er Schauspiel und Musik studiert. Zu dieser Zeit schreibt er Musikstücke, Quartette, Quintette und ein Musical über Kaspar Hauser. 1998 zieht er nach dem Abschluss für ein Engagement nach New York. Später führt ihn eine Theaterrolle zurück nach Europa, genauer gesagt in seine Heimatstadt München. Ab 1999 geht’s mit Fernseh- ("Der Bulle von Tölz", "Das Psycho-Girl") und ersten Filmrollen ("Ice Planet",..
Vincent (Florian David Fitz) leidet am Tourette-Syndrom. Seine Mutter ist kürzlich verstorben. Sein Vater (Heino Ferch) konzentriert sich auf seine Karriere. Er ist es, der Vincent in eine Klinik einweist. Vincent freundet sich mit Marie (Karoline Herfurth) an. Die beiden schmieden einen Plan. Kurz darauf befinden sie sich im Fluchtauto gen Süden - zu dritt. "vincent will meer" ist Florian David Fitz ' Drehbuchdebüt. Ihm gelingt in Kombination mit Regisseur Ralf Huettner ein beschwingtes,..
2024