Universal Pictures International (UPI)
Heino Ferch
Lieber Schauspieler als Pauken?
Interview: Schulmuffel Heino Ferch
Heino Ferch ist ein vielseitiger Schauspieler. Sein Rollenspektrum reicht von der Darstellung historischer Persönlichkeiten wie Albert Speer in "Der Untergang" bis hin zu einfachen Bauarbeitern ("Die Mauer - Berlin '61"). In "Hanni & Nanni" beweist der Charakterdarsteller auch komödiantisches Talent. Für den Vater zweier Töchter bedeutet die Rolle der Zwillingstöchter auch die Wiederbelebung der eigenen Kindheit. Schließlich kam man auch als Junge nicht an der erfolgreichen Kinderbuch-Serie von Enid Blyton vorbei. In unserem Interview spricht der 47-Jährige über seine eigene Schulzeit, die musische Erziehung von Kindern und seine Schwierigkeit, lange Texte auswendig zu lernen.
erschienen am 16. 06. 2010
Constantin Film
Heino Ferch in "vincent will meer"
Ricore: Wie war die Zusammenarbeit mit den beiden Zwillingen?

Heino Ferch: Es war ein großer Unterschied, die ersten Drehtage mit ihnen zu erleben und sie dann vier Wochen später zu sehen. Sie machten riesige Fortschritte. Für uns Erwachsene war die Zusammenarbeit auch schwierig, weil Kinder nur eine bestimmte Stundenanzahl am Tag drehen dürfen. Man musste die Zeit möglichst effektiv nutzen. Das war eine Umstellung, da man zunächst mit Partnern probt, wenn man aber selber dran ist, manchmal mit Doubeln spielen muss.

Ricore: Muss man da als Erwachsener konzentrierter spielen, als gewohnt?

Ferch: Ja, man muss unheimlich konzentriert arbeiten. Zumal die Kinder die Konzentration irgendwann verlieren. Die Zwillinge haben das prima gemacht. Es war spannend zu sehen, wie unterschiedlich sich die beiden entwickeln.

Ricore: Was hat sie dazu bewegt, den Vater von Hanni und Nanni zu spielen?

Ferch: Erst mal habe ich mit Teamworx und Ariane Krampe bereits mehrere Filme gemacht. Als das Thema "Hanni & Nanni" auf meinem Tisch lag, erinnerte ich mich natürlich an meine eigene Kindheit. Alle Mädchen aus meinem Umfeld lasen die Bücher. Auch ich hatte mal eins in der Hand.

Ricore: Wie haben Ihre Kinder auf Ihre Rolle reagiert? Die müssen begeistert gewesen sein.

Ferch: Die finden das super. Die Kleine ist jetzt anderthalb, sie weiß noch nicht genau, was da los ist. Sie weiß, dass sie am Set ruhig sein muss. Wenn sie mal nach Papa ruft, wird sie schnell weggetragen. Die Ältere wird natürlich gern im Kino sitzen.
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Heino Ferch
Ricore: Erleichtert es, dass Sie selber Vater sind? Spielt man noch oder reproduziert man den eigenen Alltag?

Ferch: Beides. Der Film erzählt zwar andere Geschichten als die, die ich zu Hause erlebe. Es geht um das Internat und handelt von Problemen, die ich in der Form nicht habe. Aber natürlich erleichtert es den Umgang mit zehnjährigen Mädchen, wenn man selber eine Tochter in dem Alter hat.

Ricore: Wie war Ihre eigene Schulzeit?

Ferch: Ich hatte alles andere als Schule im Kopf und bin zwei Mal sitzen geblieben. Ich stand früher jeden Tag in der Turnhalle. Als fünfzehnjähriger war ich jeden Tag im Theater, weil ich in der Zeit als Schauspieler angefangen hatte. Dann spielte ich auch Saxophon. Erst später merkte ich, dass ich die Kurve kriegen musste. Vorher war bei mir alles eher chaotisch.

Ricore: Sie waren ja auch sehr sportlich...

Ferch: Ja.

Ricore: Legen Sie bei ihrer Tochter Wert darauf, dass sie gut in der Schule ist?

Ferch: Ja, das ist schon wichtig.

Ricore: Was halten Sie generell vom deutschen Schulsystem?

Ferch: Man kann das nicht über einen Kamm scheren, weil es überall anders ist. In Berlin finde ich es dramatisch, dass die Sonderschule abgeschafft wurde. Ein Kind sollte nach seiner Begabung gefördert werden. Wenn es sich die Erwachsenen leisten können, die Kinder in eine teurere Schule zu schicken und wenn die Begabung da ist, dann ist das eine tolle Sache.
Ralf Hake/Ricore Text
Heino Ferch elegant auf dem roten Teppich
Ricore: Es ist ja normal, wenn Kinder sich ausprobieren wollen und dann auch mal einen falschen Weg einschlagen. Wie würden Sie als Vater in einer solchen Situation reagieren? Sie würden ihre Kinder doch bestimmt nicht in ein Internat schicken.

Ferch: Im Film ist es ja so, dass die Mutter ein romantisches Bild vom Internatsleben hat. Insofern ist es hier keine Strafversetzung. Aber ich finde ein Internat an sich eine schöne Sache, wenn die Kinder es wollen. Ich habe einige Freunde, die ihre Kinder in England oder in Irland in Internaten haben. Die Kinder schwärmen oft davon, weil der Faktor Abenteuer doch eine große Rolle spielt.

Ricore: Disziplin ist ein Schlüsselelement in Internaten. Ist das eine Sache, die man den Kindern mit auf den Weg geben sollte?

Ferch: Ich selber machte die Erfahrung, dass wenn man Disziplin nicht früh genug lernt, lernt man es später umso schwieriger. Eine gewisse Disziplin muss schon da sein. Ich bin auch ein großer Verfechter von Schuluniformen, damit der Wirbel um Marken in der Schule nicht mehr stattfindet.

Ricore: Wie würden Sie reagieren, wenn Sie erfahren würden, dass Ihre Tochter geklaut hätte?

Ferch: Als Vater ist man da natürlich schockiert. Ich würde der Sache auf den Grund gehen, mich dann mit meiner Tochter hinsetzen und die Sache klären. Ich denke, ich würde erst mal Analyse betreiben. Auf keinen Fall würde ich es auf die leichte Schulter nehmen, aber ich würde ihr mit einer gewissen Strenge klar machen, dass das nicht geht. Egal, wie das dazu gekommen ist.

Ricore: Haben Sie selber jemals geklaut?

Ferch: Das sag ich jetzt nicht (lacht).

Ricore: Also ja?

Ferch: Das sagen jetzt Sie (lacht).
Constantin Film
Heino Ferch in "Der Baader Meinhof Komplex"
Ricore: Ihre Biografie ist beachtlich. Sie haben zum Beispiel Studienkurse in Ballett und Stepptanz belegt.

Ferch: Ja, das stimmt. Ich fand das lustig und es hat mir Spaß gemacht. Ich war in einem Jahrgang, der sehr durchwachsen war. Da gab es Dicke und weniger Dicke, Schlanke, Große und Kleine. Wir sahen aus wie die Asterix-Kompanie vor den Römern. Ich vertrat damals den Standpunkt: Ich nehme mit, was ich kann.

Ricore: Die musische Erziehung ist ein Schlüsselelement in der Erziehung von Kindern. Sie sind immer von Musik umgeben gewesen. Wie hat sie das als Schauspieler geprägt?

Ferch: Es gibt eine Art von Rhythmus und Timing, die man mitkriegt. Ich war in einem musischen Gymnasium. Ich fing mit Klarinette an, wollte aber eigentlich Saxophon spielen. Aber meine Lehrer sagten mir, ich könnte ein so großes Instrument nicht spielen. Es dauerte ein paar Jahre, bis sie mir ein Saxophon gaben.

Ricore: Nach welchen Kriterien wählen sie ihre Rollen aus?

Ferch: Ich lese das Drehbuch, und entweder es packt mich oder es packt mich nicht. Wenn mich das Buch bei der ersten Lektüre nicht packt, lese ich es selten noch einmal. Auch das Argument, das die endgültige Fassung ganz anders werde, kann mich dann nicht umstimmen. Es gibt da so ein Grundgefühl, das beim ersten Lesen da ist. Entweder es klickt dann oder eben nicht. Dabei entwickelt sich schon beim Lesen ein erstes Gefühl für die Figur, das man dann weiter ausbaut. Es folgen akribische Vorbereitungen und ausführliche Gespräche über die Rolle.

Ricore: Hat Ihre Frau Mitspracherecht, was die Rollenauswahl betrifft.

Ferch: Sie liest alles und wir reden darüber.
X Verleih
Heino Ferch ist vielseitig. Hier in "Meine schöne Bescherung"
Ricore: Gibt es eine Rolle, auf die sie besonders stolz sind? Haben Sie eine Lieblingsrolle?

Ferch: Nein, eigentlich nicht.

Ricore: In Ihrer Karriere haben Sie auch historische Persönlichkeiten verkörpert. Besteht ein Unterschied zwischen historischen und fiktiven Rollen?

Ferch: Ja, da gibt es große Unterschiede. Die Rolle Albert Speers war eine Gradwanderung. Die dokumentarische Vorlage stammte von Joachim Fest, der Speer persönlich kannte. Bei den Dreharbeiten war er dabei und er war sehr zurückhaltend. Am Ende hat er die Arbeit sehr gelobt. Er sagte, wir hätten die Persönlichkeit Speers sehr gut getroffen. Ich hatte mir im Vorfeld ein paar Wochenschau-Aufnahmen angesehen und einige von Speers Bücher gelesen, die ein Wunderwerk der Selbstverleugnung sind. Es ist eine große Verantwortung, die man als Schauspieler hat, wenn man eine historische Figur spielt. Die Recherche und das Eintauchen in eine andere Zeit macht es einem aber leichter als die Vorbereitung von fiktionalen Figuren.

Ricore: Gibt es Rollen, die sie gerne spielen würden?

Ferch: Ja, die gibt es, aber das kann ich jetzt nicht sagen. Denn dann wird in zwei Jahren danach gefragt, wann das Projekt tatsächlich kommt. Es gibt einen Figuren-Typ, den ich gerne spielen würde. Der Typus bewegt sich in einem sehr dominanten Berufsfeld, das auch mit Musik zu tun hat. Aber dazu gibt es noch kein Drehbuch.

Ricore: Würde es Sie reizen, mal hinter die Kamera zu treten oder ein Drehbuch zu verfassen?

Ferch: Drehbuch weniger, dazu hatte ich bisher keinen Draht. Aber eine Inszenierung wird bestimmt mal kommen. Es muss aber der richtige Stoff vorliegen. Ich habe zwar etwas im Kopf, das mich sehr interessiert, aber da muss jemand noch das Buch dazu schreiben.

Ricore: Wenn Sie eine Rolle spielen, welches Gewicht hat die Spontaneität?

Ferch: Ich bin jemand, der gerne gut probt. Manchmal probe ich aber auch nicht. Es kommt auf die Rolle und die Szene an. In Wien habe ich vor kurzem "Das Verhör" gespielt. Es handelt von einem Psychologen, der ein brillanter Verhörspezialist ist. Nie zuvor hatte ich so viel Text wie bei diesem Film.
Ralf Hake/Ricore Text
Heino Ferch bie der Premiere von "Hanni & Nanni"
Ricore: Als Leihe fragt man sich immer wieder, wie man so viel Text behalten kann.

Ferch: Wenn man einen Dialog hat und mit einem Partner zusammenarbeitet, dann ist das einfacher. Durch die Stichworte des Partners kann man sich an den eigenen Text erinnern. Bei langen Monologen ist das schwieriger, zumal diese Texte auch eine innere Logik haben. Da ist viel Spontaneität im Spiel. Diese muss auch da sein, damit der Text lebendig bleibt. Aber auch eine gehörige Portion Vorbereitung gehört dazu.

Ricore: Gab es eine Situation, in der Sie sich selbst einen Zwillingsbruder gewünscht haben?

Ferch: Wenn Mathematik-Prüfungen anstanden und ich nicht vorbereitet war. Da hätte ich gerne einen Zwillingsbruder hingeschickt (lacht).

Ricore: Wie wichtig ist ihnen ihr Ruf als Schauspieler. Machen Sie sich über ihr Bild als Schauspieler Gedanken, wenn Sie eine neue Rolle annehmen?

Ferch: Bei einer guten Rolle nicht. Es gibt aber sicher Sachen, die ich prinzipiell nicht spielen würde.

Ricore: Sie leben in Bayern. Wie oft kommen Sie eigentlich nach Berlin?

Ferch: Sehr oft. Ich habe 20 Jahre in Berlin gelebt. Ich drehe immer öfter in Berlin, weil die Produzenten in Berlin günstiger fahren als anderswo. Heute habe ich das Gefühl, 80 Prozent aller Schauspieler leben in Berlin. Ich bin viel in Berlin, zumal auch meine älteste Tochter in Berlin lebt.

Ricore: Was ist Ihr nächstes Projekt?

Ferch: Als nächste spiele ich in "Rottmann". Der Film handelt von einem Mann, der von seiner eigenen Spezialeinheit verraten wird und in den Knast kommt. Als er rauskommt, möchte er seine Unschuld beweisen. Dann gibt es noch ein großes Projekt in Südafrika.

Vielen Dank für das Gespräch
erschienen am 16. Juni 2010
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