Kim Basinger in Final Call
Kim Basinger über grenzenlose Naivität
Interview: Das glücklichste Girl der Welt
Blonde Haare, lange Beine und eine Traumfigur - nicht umsonst avancierte Kim Basinger Anfang der Siebziger Jahre zu einem gefragten Topmodel. 1976 nutzte sie ihre Chance und schaffte mit TV-Serien wie "Drei Engel für Charlie" den Sprung nach Hollywood. Dass sie eine ordentliche Portion Talent mitbrachte, bewies sie in "James Bond 007: Sag niemals nie". Der Rest ist Geschichte: mit "9 1/2 Wochen" zwang sie eine schmachtende Generation in die Knie. Nicht ganz so glatt verlief dagegen ihr Privatleben: Fehlinvestitionen trieben sie trotz Millionengagen fast in den Bankrott, zwei Ehen - die letzte mit Alec Baldwin - scheiterten. Mit der Geburt ihrer Tochter Ireland verschwand der Workaholic aus dem Rampenlicht, feierte mit "L.A. Confidential" jedoch ein sensationelles Comeback. Heute, mit fünfzig Jahren, fühlt sie sich fitter denn je. In "Final Call" spielt sie eine gekidnappte Frau, die einen Hilferuf auf das Handy eines Fremden schicken kann.
erschienen am 30. 01. 2005
Trotz Rückschläge nicht unterzukriegen: Kim Basinger
Ricore: Mrs. Basinger, bei Ihren Rollenangeboten sind Sie in letzter Zeit sehr wählerisch geworden. Warum haben Sie sich gerade für "Final Call" entschieden?

Kim Basinger: Schon beim ersten Lesen wirkte das Drehbuch auf mich wie ein Theaterstück. Zum ersten Mal hatte ich die Möglichkeit, den Zuschauer auf eine Reise in die Gefühlswelt eines Opfers mitzunehmen, das selbst nicht weiß, wie ihm geschieht. Für mich war das auch neu: Ich wurde noch nie gekidnappt, zum Glück. Als Mutter gibt es nichts Schlimmeres als die Entführung eines Kindes, und auch durch den Irakkrieg werden wir in letzter Zeit verstärkt mit schrecklichen Entführungen konfrontiert.

Ricore: Die meiste Zeit des Films haben Sie große Angst. Kennen Sie solche Phasen auch aus Ihrem realen Leben?

Basinger: Wenn man lange genug gelebt hat, schon einmal bedroht wurde oder schreckliche Erfahrungen mit anderen Menschen gemacht hat, lernt man als Schauspielerin diese Erinnerung anzuwenden. Ich persönlich habe ein ziemlich gutes Erinnerungsvermögen. Egal, was andere sagen: Es braucht Jahre, bis man es geschafft hat zu der Kamera eine Beziehung aufzubauen. Vergleichen Sie es einfach mit einer Liebesaffäre! Ich persönlich weiß es sehr zu schätzen, dass ich mich über all die Jahre in diesem Job halten konnte. Es ist und war ein Geschenk Gottes.

Ricore: Wären Sie gerne noch einmal so jung wie früher?

Basinger: Ich? Sie könnten mir meine Jugend auf dem Präsentierteller anbieten, und ich würde dankend ablehnen.

Ricore: Also bereuen Sie nichts?

Basinger: Wenn ich eine Sache in meinem Leben bereue, dann ist das meine Naivität. Ich hätte so viele Dinge vermeiden können, wenn mich meine Naivität nicht regelrecht aufgefressen hätte. Aber ansonsten? Nein, ich bereue wirklich nichts. Soweit ich das beurteilen kann, war und bin ich das glücklichste Girl der Welt.
50 zu sein ist für Kim OK
Ricore: Ihre Tochter Ireland ist mit 19 Jahren fast genauso alt wie Ihr Filmsohn Ryan, den Sie für sein Alter noch ziemlich bemuttern. Sorgen Sie sich privat auch so stark um Ihre Tochter?

Basinger: Keine Frage: Wenn sie beschützt werden muss, werde ich notfalls zum Tiger. Aber zu sehr will ich mich auch nicht in ihre Angelegenheiten einmischen. Sie soll unabhängig werden. Dieses Loslassen ist alles andere als einfach, ich merke das gerade am eigenen Leib. Aber man muss eben lernen damit umzugehen. Trotzdem kann ich nicht bestreiten, dass ich mich im Hinblick auf die derzeitigen Geschehnisse in der Welt natürlich schon um meine Tochter sorge.

Ricore: Ihre Eltern ließen Sie dagegen geradewegs mit 17 Jahren alleine nach New York ziehen!

Basinger: Es war eine andere Zeit, wir waren alle sehr naiv. Meine beiden Eltern haben sich in ihrer Arbeit so aufgeopfert, dass sie sich nicht einfach ausschließlich um den Traum eines einzigen Kindes sorgen konnten. Ich habe ja noch Geschwister. Sie haben aber Recht: Mit siebzehn Jahren als Model nach New York zu ziehen, ist jung. Sehr jung.

Ricore: In den Folgejahren hatten Sie psychische Probleme wie etwa Agoraphobie (krankhafte Furcht, einen freien Platz zu überqueren). Da ist es doch verwunderlich, dass Sie gerade eine Rolle wie die in "Final Call" annehmen, meinen Sie nicht?

Basinger: Im Gegenteil, Schauspielen ist für mich wie Therapie, dadurch kann ich mich meinen Ängsten stellen! Manchmal frage ich mich aber schon, warum Gott gerade mich zur Schauspielerin auserkoren hat! (lacht) So manch einer zerbricht sich sicher den Kopf darüber, warum dieser Maulesel so eine Karriere verdient hat. (lacht) Mein Make-up-Girl schimpft sicherlich auch: Oh Gott, warum hat es gerade dieses Klumpengesicht zu was gebracht? (lacht) Beantworte ich eigentlich gerade Ihre Frage?

Ricore: Eigentlich sprachen wir gerade von der therapeutischen Wirkung Ihrer Filme...

Basinger: Ah, genau. Wissen Sie was: Ich habe fest vor, mich bis zu meinem Lebensende mit allen Ängsten zu konfrontieren, die sich mir in den Weg stellen. Ich habe noch so einiges vor mir, und vermutlich werde ich gar nicht damit fertig, aber der bloße Wille zählt.

Ricore: Also sind Sie ein gutes Vorbild für Ihre Tochter?

Basinger: Sie soll ihre Stärke entdecken und erkennen, dass nichts unmöglich ist, wenn man nur will. Ich bin allein erziehend, wir beide haben ziemlich viel miteinander durchgemacht. Ihr bin für so vieles dankbar, das ich durch sie lernen konnte. Ich bin ziemlich schüchtern und beschäftige mich gerne mit mir selbst. Ich hab noch so viel zu erledigen, will malen, schreiben und lesen zur selben Zeit. Ireland hat mir beigebracht mal Pause zu machen, zuzuhören und inne zu halten. Ireland treibt mich voran, sie ist mein Motor. Sie soll nicht so werden wie ich, sie soll so werden, wie ihre Persönlichkeit es eben verlangt. Sie stellt mich vor die schrecklichsten Herausforderungen, glauben Sie mir. (lacht)

Ricore: Und der Sorgerechtsstreit mit Alec Baldwin, der in eine öffentliche Schlammschlacht ausuferte?

Basinger: Wir stehen nun mal im Rampenlicht der Öffentlichkeit, das bringt der Job leider mit sich. Ich würde es gerne ändern, aber es geht nun mal nicht. Also muss ich damit leben.
erschienen am 30. Januar 2005
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2024