Carlos Corbelle/Ricore Text
Mads Mikkelsen
Zwischen Kunst und Kommerz
Interview: Mads Mikkelsen liebt die Vielfalt
Mads Mikkelsen Schauspielkarriere hat spät angefangen. Mit knapp 30 spielt er in seinem ersten Film mit. Heute gehört er zu den renommiertesten und beliebtesten Schauspielern Dänemarks. Inzwischen wird er auch international wahrgenommen. Spätestens seit "James Bond 007: Casino Royale" wird der Däne auf den Rollentypus des Bösewichts festgelegt. Dass diese Einschätzung trügt und Vielfalt ein entscheidendes Kriterium für seine Rollenauswahl ist, hat er Filmreporter.de anlässlich seines Interviews zu "Walhalla Rising" verraten.
erschienen am 5. 11. 2010
Sunfilm
Walhalla Rising
Ricore: Wie fühlten Sie sich dabei, eine so grausame Rolle zu spielen?

Mads Mikkelsen: Die Figur ist eigentlich nicht grausam, sie versucht nur zu überleben. Der Charakter ist zwar ein Mörder, dennoch ist das Töten sein Job und nur Mittel des Überlebens.

Ricore: Regisseur Nicolas Winding Refn sagte, dass Gewalt eine Kunst sein könne. Was meinen Sie dazu?

Mikkelsen: Ich habe eine Vorstellung davon, was er damit meint. Ich denke, wenn man Gewalt darstellt, sollte man das einfach tun. Wenn man eine Liebesgeschichte erzählt, tut man das auf die bestmögliche Art. So verhält es sich auch mit der Geschichte eines Mörders. Das ist nicht immer nett, aber so funktioniert das einfach.

Ricore: Was macht die Beziehung zu Ihnen und dem Regisseur besonders? Immerhin haben Sie schon an mehreren Projekten zusammengearbeitet.

Mikkelsen: Er bezahlt mich gut (lacht).Nein, unsere Zusammenarbeit fing mit "Pusher" an. Das war sowohl sein erster Film, als auch meiner. Es hat von Anfang an gut funktioniert. Wir sind sehr unterschiedlich und haben unterschiedliche Interessen. Als Regisseur finde ich ihn brillant. Er ist ein visionärer Filmemacher. Meine Aufgabe ist es, umzusetzen, was in seinem Kopf vorgeht. Seine Aufgabe wiederum ist, mich in Richtungen zu lenken, auf die ich selbst nicht gekommen wäre. Diese Kombination war bis jetzt sehr fruchtbar und ich hoffe, das wird so weitergehen.

Ricore: Stimmt es, dass der Film chronologisch gedreht wurde?

Mikkelsen: Ja, das hat Nicolas in all unseren gemeinsamen Filmen so gemacht.
Warner Bros
Kampf der Titanen
Ricore: Diese Vorgehensweise ist auch für den Schauspieler einfacher, oder?

Mikkelsen: Es hängt ganz vom Film ab. In "Walhalla Rising" sah ich nicht viele Vorteile für mich. Es war nett und wir mochten es auch. Trotzdem war es für mich diesmal insofern irrelevant, als meine Figur keine große psychologische Struktur besitzt. Hätte sie eine psychologische Tiefe, wäre das chronologische Drehen für mich sicher einfacher, als in der Handlung immer hin und herzuspringen. Trotzdem geht Nicolas in seinen Filmen immer so vor, weil es ihm hilft. Er muss wissen, wo in der Handlung er sich gerade befindet, wohin sich die Melodie entwickelt.

Ricore: Haben Sie den Film Ihren Kindern gezeigt?

Mikkelsen: Nein, aber sie werden ihn noch sehen.

Ricore: Glaube Sie nicht, dass sie noch zu jung dafür sind?

Mikkelsen: Nein. Sie sind mit "Der Herr der Ringe" aufgewachsen, sie sind reif genug für das, was in "Walhalla Rising" gezeigt wird.

Ricore: Glauben Sie, sie werden cool reagieren und Sie wegen des Films bewundern?

Mikkelsen: Ja, schließlich ist das ein Kunstfilm. Man muss sich ihm hingeben und sich Gedanken darüber machen. Sicher sind sie noch zu jung, um das zu tun. Aber ich bin mir sicher, dass der Ältere mindesten die ersten 20 Minuten lieben wird.

Ricore: Als Kunstfilm ist der Film nicht kommerziell ausgerichtet. Nach diesem Film haben Sie "Kampf der Titanen" gemacht, der ja reines Popcorn-Kino ist. Ist diese Gradwanderung zwischen Unterhaltung und Kunstkino von Ihnen beabsichtigt?

Mikkelsen: Nein, ich mache das nicht absichtlich. Ich mag es einfach, beides zu tun. Ich bin mit Unterhaltungsfilmen aufgewachsen und mag das Hollywoodkino. Jetzt, wo ich 45 bin, habe ich die Chance, selber in solchen Produktionen mitzuwirken. Das macht Spaß. Gleichzeitig mag ich auch kleinere und dramatischere Filme. Solange ich also die Chance habe, beides zu tun, bin ich ein glücklicher Mensch. Aber ich gehe bei der Auswahl nicht bewusst vor. Ich sage nicht: Jetzt mache ich einen Kunstfilm und dann einen kommerziellen Film. Wenn ich ein Angebot bekomme, das ich mag, sage ich zu. Wenn ich etwas nicht mag, leg ich es weg. Und wenn ich lange kein gutes Angebot bekomme, kann es schon mal vorkommen, dass ich auch monatelang nicht arbeite.
Senator Film Verleih
Mads Mikkelsen
Ricore: Nach welchen Kriterien suchen Sie ihre Rollen aus?

Mikkelsen: Ich möchte so variabel wie möglich sein. Manchmal ist das Skript auch einfach fantastisch, dass man die Rolle einfach spielen muss. Andererseits kann man eine Rolle auch schon mal ablehnen, weil der Regisseur ein Idiot ist. Aber das kommt selten vor. Manchmal wird man auch vom Regisseur zu der Rolle überredet. Es gibt also unterschiedliche Gründe, eine Rolle anzunehmen.

Ricore: Der Glaube spielt "Walhalla Rising" eine wichtige Rolle. Welche Stellenwert nimmt die Religion in Ihrem Leben ein?

Mikkelsen: Ich hasse die Religion. Ende der Geschichte. Ich glaube Religion ist eine Katastrophe. Gott ist viel größer als die Religion, die von Menschen gemacht wurde. Kein vernünftiger Mensch würde mir in diesem Punkt widersprechen. Religion ist eine persönliche Angelegenheit, aber definitiv ist sie nicht mit Gott gleichzusetzen. Gott hat Blumen und die Kinder erschaffen. Hat derselbe Gott auch die Zehn Gebote verfasst, in denen er vorschreibt, nicht mit der Frau deines Nachbarn zu vögeln? Das wäre ein seltsamer Gott. Man sollte Religion und Gott nicht in einen Topf werfen.

Ricore: Ist Religion gefährlich?

Mikkelsen: Religion ist gefährlich, der Glaube nicht. Der Glaube ist etwas Erhabenes und Schönes; Religion kann man vergessen.

Ricore: An was glauben Sie?

Mikkelsen: Ich hoffe mehr, als ich glaube. Das ist das schönste Recht, die wir als Menschen haben.

Ricore: Ihre Filmfigur in "Walhalla Rising" hat viele Tätowierungen. Haben Sie auch welche?

Mikkelsen: Nein, es sind keine Tätowierungen, die der Charakter hat. Es sind Zeichnungen des Kindes für den Kampf. Ich selbst habe keine Tattoos. Es ist schwierig, in meinem Job Tätowierungen zu haben. Wenn man eine Figur spielt, zu der Tätowierungen nicht passen, man muss sie umständlich mit Make-up bedecken. Wenn ich aber ein Tattoo hätte, dann auf keinen Fall eines kleines, sondern eins, das was hergibt.
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Der böse Bube im Spiel: Mads Mikkelsen in Casino Royale
Ricore: Welche Bedeutung hatte "James Bond 007: Casino Royale" für Ihre Karriere?

Mikkelsen: Der Filme ermöglichte es mir, zwischen mehr Angeboten auszuwählen. Sie kamen sowohl aus Europa als auch aus Amerika. Wenn man mehr Angebote hat, ist die Chance größer, dass ein guter Film dabei ist. Außerdem ist die Vielfalt der Angebote größer. Es gibt die unterschiedlichsten Rollentypen, nicht nur Bösewichte, sondern auch Familienväter oder Priester.

Ricore: Sie sagten einmal, dass Sie in Kopenhagen nicht in einen Bus einsteigen können, ohne dass Menschen Sie anstarren. Wie ist das in Deutschland?

Mikkelsen: Es ist okay. Von einigen Leuten werde ich erkannt. Aber es ist nicht so extrem wie in Dänemark.

Ricore: Durch welche Filme kennt man Sie hier.

Mikkelsen: Vor allem durch "Adams Äpfel" und "Casino Royal", aber auch von den vielen schwarzen Komödien, die ich gemacht habe.

Ricore: Wie schwer ist es, als berühmter Schauspieler ein normales Leben zu führen?

Mikkelsen: Ich habe kein normales Privatleben. Das existiert nicht. Ich beschwere mich aber auch nicht drüber. Das Privatleben habe ich in meinem Haus bei meiner Familie, wo ich glücklich bin. Wenn ich mein Haus verlasse, verlasse ich auch mein Privatleben.

Ricore: Ist es schwer, die Familie vor dem Starrummel zu beschützen?

Mikkelsen: Sie haben sich daran gewöhnt. Sie kommen damit zurecht. Ich denke, es ist kein Problem für sie.
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Mads Mikkelsen
Ricore: Könnten Sie sich vorstellen, in den USA bzw.in Hollywood zu leben

Mikkelsen: Ich würde wegen der Arbeit dorthin ziehen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dort zu leben. Wenn, dann käme höchstens New York in Betracht. Ich mag diese Stadt sehr. Sonst kann ich es mir nicht vorstellen. Das hat damit zu tun, dass die europäische Mentalität anders ist, als die amerikanische.

Ricore: Was würden Sie an Dänemark vermissen?

Mikkelsen: Die Steuern (lacht). Nein, ich würde die eigene Identität vermissen, das Gefühl, zu Hause zu sein. Das geht wohl jedem so, egal woher man kommt.

Ricore: Was hätten Sie gemacht, wenn Sie kein Schauspieler geworden wären?

Mikkelsen: Früher wollte ich gerne Sportler werden. Vielleicht Leichtathlet, Handballer, Fußballer oder Radfahrer. Aber heute wäre ich wohl schon im Ruhestand, also war die Schauspielerei wohl doch eine gute Wahl.

Ricore: Sie sagten mal, dass Sie gerne mit Martin Scorsese zusammenarbeiten würden. Mit wem sonst?

Mikkelsen: Es gibt viele Leute, mit denen ich gerne arbeiten würde, Robert De Niro zum Beispiel, Gene Hackman oder Christopher Walken.
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Mads Mikkelsen nachdenklich
Ricore: Haben Sie das schon mal versucht?

Mikkelsen: Nein. Ich weiß, dass man das tun kann, aber ich wüsste gar nicht, wie ich da vorgehen sollte. Ich kann nicht einfach an die Tür klopfen und fragen, was ob ich er, wer auch immer das ist, mit mir arbeiten möchte. Ich kann nur hoffen, dass er sieht, was ich mache und dann den Kontakt mit mir aufnimmt.

Ricore: Viele Schauspieler machen das genauso.

Mikkelsen: Ja, viele Schauspieler machen das. Das ist auch okay so, ich kann das nachvollziehen. Aber ich habe das noch nicht gemacht, vielleicht weil ich zu stolz dafür bin.

Ricore: Gab es jemals eine Situation in Ihrem Leben, als Sie Angst zu sterben hatten?

Mikkelsen: Sicher gab es mal solche Momente. Aber Angst vor dem Tod zu haben gehört schließlich zur menschlichen Natur. Ich könnte jetzt aber keine bestimmte Situation nennen. Ich denke viel über die Zukunft meiner Kinder nach, aber nicht viel über meine eigene.

Ricore: Hatten Sie vor Ihrem Durchbruch als Schauspieler Angst, dass es mit der Karriere nicht klappen könnte?

Mikkelsen: Ich hatte nicht die Chance, Angst zu haben. Noch während ich in der Schauspielschule war, machte ich meinen ersten Film mit Nicolas Winding Refn. Deswegen flog ich aus der Schule, weil das nicht erlaubt war. Später haben Sie mich wieder angenommen. Noch in derselben Woche, als ich meinem Abschluss machte, feierte der Film Premiere. Es lief also ganz gut, insofern hatte ich niemals Zweifel.
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Mads Mikkelsen
Ricore: Demnächst machen Sie unter anderem einen Western-Horror-Film mit dem Titel "Cut Throats Nine". Stimmt das oder ist das ein Gerücht?

Mikkelsen: Ja, die Dreharbeiten werden beginnen, sobald wir das Geld zusammenkriegen. Es ist ein fantastisches Drehbuch.

Ricore: Sie sind demnächst auch in "Die drei Musketiere" vor der Kamera zu sehen. Was reizte Sie an dem Projekt?

Mikkelsen: Es war ein tolles Drehbuch. Ich und Christoph Waltz spielen darin zwei Bösewichte.

Ricore: Schon wieder eine böse Rolle. Werden Sie dieser Rollen nicht müde?

Mikkelsen: Na ja, es ist die zweite böse Rolle in acht Jahren. In dieser Zeit spielte ich Väter, Ehemänner oder Priester. Aber es ist wohl so, dass man sich an die Bösewicht-Rollen eher erinnert. Tatsächlich habe ich sehr verschiedene Rollen gespielt.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 5. November 2010
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Walhalla Rising (Kinofilm)
Mads Mikkelsen erblickte 1965 in Kopenhagen das Licht der Welt. Erste Bühnenerfahrung sammelte er beim Musical und verdiente sein Geld einige Zeit als Tänzer. Nach einigen Nebenrollen in Kurzfilmen machte er 1996 in "Pusher" auf sich aufmerksam. In Dänemark längst ein gefeierter Star, entdeckt zehn Jahre später Hollywood sein Talent und besetzte ihn für die Rolle des Le Chiffre in "James Bond 007: Casino Royale". Seit 1987 ist er mit der Choreographin Hanne Jacobsen verheiratet und ist Vater..
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