Ascot Elite
Ryan Reynolds in "Buried - Lebend begraben"
"Ich könnte wohl Vierlinge zur Welt bringen"
Interview: Ryan Reynolds' großer Wurf
Ryan Reynolds ist seit über zwanzig Jahren Schauspieler. Auf große Rollen musste er warten, bis er Scarlett Johansson heiratete. Reynolds funktioniert jedoch nicht nur als Liebhaber von Sandra Bullock in "Selbst ist die Braut", sondern zeigt in "Buried - Lebend begraben", dass er als Charakterdarsteller im wahrsten Sinne des Wortes einen ganzen Film tragen kann. Dieser erzählt die Geschichte eines Truckers im Irak, der in einem Sarg aufwacht und merkt, dass er gekidnappt und lebendig begraben wurde. Wir trafen den 34-Jährigen Kanadier im Rahmen des Filmfests Toronto 2010 und sprachen mit ihm über Familie, Platzangst und warum er sich nicht mehr beschweren wird.
erschienen am 2. 12. 2010
Ascot Elite
Buried - Lebend begraben
Ricore: Mr. Reynolds, der Schauplatz Ihres neuen Films "Buried" ist ein Sarg. Was waren Ihre ersten Gedanken zu dieser Idee?

Ryan Reynolds: Auch wenn mir das Drehbuch sehr gut gefallen hat, hielt ich die Umsetzung des Konzepts für unmöglich und habe deshalb dankend abgelehnt. Daraufhin hat mir Regisseur Rodrigo Cortez einen Brief geschrieben, der zwar länger als das Drehbuch war, dafür aber detailliert erklärte, wie er das Skript umsetzen möchte. Anschließend haben wir uns getroffen. Nach einer dreiviertel Stunde stand fest, dass wir den Film zusammen machen werden.

Ricore: Wie bereitet man sich auf eine so skurrile Rolle vor?

Reynolds: Ich habe mich absichtlich gar nicht darauf vorbereitet, weil Leute, die lebendig begraben werden, es vorher nicht ahnen. Ich wollte die Szenen aus erster Hand erfahren. Aus diesem Grund haben wir auch keine einzige Szene vorher geprobt, denn die Emotionen sollten so realistisch wie möglich rüberkommen. Ich spiele einen Trucker, der wegen der guten Bezahlung zwar im Irak arbeitet, aber ansonsten ein ganz normaler Kerl ist, also kein Jack Bauer.

Ricore: Lebendig begraben zu sein ist eine der meistverbreiteten Phobien. Leiden Sie an Klaustrophobie?

Reynolds: Nicht mehr als andere Leute. Aber wenn man lebendig in einem Sarg begraben wird, hätte wohl jeder diese Angst.

Ricore: Was sind Ihre Ängste im wirklichen Leben?

Reynolds: Ich bin in dieser Hinsicht leider extrem langweilig. Ich fürchte mich zum Beispiel davor, unvorbereitet zu sein. Ängste sind meistens Kindheitserfahrungen, die einen später als Erwachsenen erneut widerfahren.
Walt Disney Studios Motion Pictures Germany
Ryan Reynolds in "Selbst ist die Braut"
Ricore: Die Dreharbeiten zu "Buried" müssen knochenhart gewesen sein. Wovor haben Sie sich vor Drehbeginn am meisten gefürchtet?

Reynolds: Einen ganzen Film nur in Nahaufnahmen zu drehen.

Ricore: Ich hätte eher vermutet, dass Sie Angst davor hatten, dass die Decke einstürzt...

Reynolds: Bei Großaufnahmen kann man in keiner Weise mogeln. Jeder Moment muss hundertprozentig ehrlich rüberkommen. Der Zuschauer muss dir die Rolle abnehmen, ansonsten funktioniert der ganze Film nicht. Am Anfang des Films sitzen die Zuschauer gemütlich in ihren Sitzen und am Ende dieses Filmes sind sie so gut wie alle im 45 Grad Winkel nach vorne gelehnt. Es war ein tolles Gefühl, als ich das bei den ersten Vorführungen beobachten durfte.

Ricore: In den letzten Jahren ging es mit Ihrer Karriere steil aufwärts. Sind sie zufrieden mit der Entwicklung?

Reynolds: Sehr sogar. Ich bin im Nachhinein sehr froh, dass ich nicht über Nacht berühmt geworden bin, auch wenn ich mir das immer gewünscht hatte. Ich habe mich Stück für Stück weiterentwickelt und so gelernt, besser damit umzugehen.

Ricore: Sie hatten Hits mit Komödien, Actionfilmen, Dramen und Thrillern. Wie wichtig ist Ihnen diese Abwechslung?

Reynolds: Sehr - ich bin wahnsinnig froh darüber, dass ich einen winzigen Film wie "Buried" drehen kann und anschließend die Hauptrolle in einem 200 Millionen Dollar Streifen wie "The Green Lantern" übernehmen darf.

Ricore: Waren die Action-geladenen Dreharbeiten dieses Mammut-Projekts ein Klaks im Vergleich zu "Buried"?

Reynolds: Nach den Dreharbeiten zu "Buried" kann mich gar nichts mehr schocken. Da ich das durchgestanden habe, könnte ich nun wohl auch Vierlinge zur Welt bringen. (lacht) Ich wünschte, ich hätte diesen Film zu einem früheren Zeitpunkt meiner Karriere gedreht, dann hätte ich mich nie über etwas beschwert.
Ascot Elite
Ryan Reynolds in "Buried - Lebend begraben"
Ricore: Würden Sie sich selbst als Workaholic beschreiben?

Reynolds: Nein, ich liebe es einfach zu arbeiten. Es ist ein sehr kollegialer Prozess und ich fühle mich gut, ein Teil eines großen Ganzen zu sein. Ich bin allerdings froh, dass ich mich nach den Dreharbeiten nicht in die Postproduktion begeben muss, aus diesem Grund habe ich auch nicht vor, bald Regie zu führen.

Ricore: Sie kommen ursprünglich aus Kanada, Vancouver. Fühlen Sie sich heute in Los Angeles wirklich zu Hause?

Reynolds: Ja. Meine Freunde wohnen hier und mein gesamtes Leben spielt sich in dieser Stadt ab. Aber es hat zugeben sehr lange gedauert, um hier wirklich Fuß zu fassen.

Ricore: Was war Ihr erster Eindruck?

Reynolds: Ach du heilige Sch...! Das war mein erster Gedanke. Ich war gerade mal eine Stunde hier, da wurde mir auch schon mein Auto geklaut. So also begrüßt Hollywood seine Gäste, dachte ich mir. Gleichzeitig war dieser Moment aber auch der Zeitpunkt, an dem ich von meinen verblümten Vorstellungen verabschiedete. Irgendwie konnte mich danach nichts mehr so leicht aus der Bahn werfen.

Ricore: Wie sah denn überhaupt Ihr ursprüngliche Plan aus, als Sie gemeinsam mit einem Freund Hals über Kopf nach L.A. trampten?

Reynolds: In Kanada hatte ich bereits in einigen Fernsehproduktionen mitgespielt und wollte nach L.A., um dort einer Improvisationsgruppe beizutreten. Ich hätte mir allerdings nie träumen lassen, dass es so schwer werden würde. Ich hätte erst einen jahrelangen Kurs absolvieren müssen, um später irgendwann die Bühne betreten zu dürfen. Also habe ich gesagt: 'Vergesst es, das muss auch anders gehen.' Ich war schließlich extra aus Kanada angereist und hatte nur einen Monat für die Entscheidung, ob ich es in Amerika als Schauspieler schaffen würde. Also besorgte ich mir einen Agenten, der mir eine erste Rolle in einer Sitcom verschaffte. Aber ich kann Ihnen sagen: leicht war diese Anfangsphase wirklich nicht.

Ricore: Was hat Ihr strenger Vater dazu gesagt, dass Sie dem Klischee folgen und in L.A. Ihr Glück versuchen wollten?

Reynolds: Ich habe es ihm vorerst gar nicht erzählt. Erst nach einem Monat, als ich schon fix in L.A. gewohnt habe, bin ich mit der Wahrheit herausgerückt.
Senator Film Verleih
Ryan Reynolds
Ricore: Und wie war seine Reaktion?

Reynolds: Er tat das, was er am besten kann: eisern schweigen.

Ricore: Sie haben vier ältere Brüder: gab es oft Streit, wer von Ihnen der Stärkste ist?

Reynolds: Wenn man der Jüngste von vier Geschwistern ist und zwei davon Polizisten sind, fühlt man sich oft wie eine lebende Zielscheibe. Man lernt schon als Kind sich zu verteidigen. Körperlich waren und werden sie mir immer überlegen sein, aber ich hatte meine Tricks, um mich durchzusetzen.

Ricore: Wenn wir schon von Familie sprechen: Sie und Ihre Frau Scarlett Johansson teilen den gleichen Beruf. Reden Sie viel über das Geschäft?

Reynolds: Natürlich, das ist bei Schauspielern nicht anders als bei Anwälten.

Ricore: Wall-Street-Broker vielleicht mal ausgenommen...

Reynolds: Okay, aber auch die tauschen sich sicher auf gewisse Art und Weise aus. Jedes Paar fragt sich doch, wie der Tag war, wenn der andere nach Hause kommt. Man interessiert sich für das Leben des anderen.

Ricore: In den letzten Jahren standen Sie vor allem als Scarlett Johanssons bessere Hälfte im Rampenlicht. Wollten Sie mit diesem Film einen Imagewandel herbeiführen?

Reynolds: Nein, denn um ehrlich zu sein, hätte ich nie gedacht, dass Leute diesen Film wirklich zu sehen bekommen werden. Wir haben gehofft, dass wir mit "Buried" auf einem kleineren Festival irgendwo in der Welt laufen werden, doch dann wurden wir in Sundance angenommen und dort begann dann dieses Märchen.
erschienen am 2. Dezember 2010
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Ryan Reynolds kommt 1976 im kanadischen Vancouver zur Welt und verbringt dort seine Kindheit. Zu Beginn seiner Schauspielkarriere in den 1990ern spielt er in erster Linie in Fernsehproduktionen. Im darauffolgenden Jahrzehnt ist er überwiegend auf der Leinwand zu sehen. Dabei variiert seine Rollenwahl zwischen Komödien wie "Selbst ist die Braut" und Action-Filmen wie "Green Lantern 3D". Begeistert zeigt sich die Kritik von seiner eindringlichen Darstellung des im Sarg eingesperrten..
"Buried - Lebend begraben" erzählt die Geschichte eines amerikanischen Lastwagenfahrers (Ryan Reynolds), der lebend begraben in einem Sarg aufwacht. Mittels eines von seinen Entführern zurückgelassenen Handys versucht er, der misslichen Lage zu entkommen. Der spanische Regisseur Rodrigo Cortés inszeniert einen Thriller, der bis zum Schluss spannend bleibt. Auch darstellerisch bewegt sich der Film auf hohem Niveau.
2024