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James Franco
Literatur statt Spinne
Interview: Dichter James Franco
James Franco macht mit dem Fernsehfilm "James Dean - Ein Leben auf der Überholspur" auf sich aufmerksam. Für die Rolle der früh verstorbenen Schauspiellegende bekommt der Kalifornier 2002 einen Golden Globe. Im gleichen Jahr erscheint der erste Teil der "Spider-Man"-Trilogie. Obwohl die Filme um die kletternde Spinne sehr erfolgreich sind, interessiert sich Franco mehr für tiefgründige Sujets. Nach der Biografie "Milk" mimt er nun Allen Ginsberg in "Howl - Das Geheul". Ein Jahr lang studierte der 32-Jährige dafür das Verhalten des französischen Dichters, der in den 1960ern einen Skandal auslöste.
erschienen am 5. 01. 2011
Pandora Film
Howl - Das Geheul
Ricore: Können Sie sich in eine Zeit zurückversetzten, wo Gedichte wie in "Howl" verboten waren?

James Franco: Es gibt noch immer Zensuren in Amerika, egal ob beim Film oder der Kunstszene. Nicht in dem Sinne, dass die Regierung bestimmte Dinge verbietet, aber "Milk" zu machen, war schon sehr schwierig. Der Grund war, dass ich einen Charakter gespielt habe, der schwul ist. Jeder Reporter hat mich gefragt, wie es war Sean Penn zu küssen. Diese Reaktionen sind etwas seltsam. Auch jetzt, wo ich wieder einen Homosexuellen spiele, wird die Tatsache eigenartig präsentiert. Niemand würde sagen, dass es ihn stört, aber die Schlagzeilen lauten dann: Franco - Hollywoods schwulster Heterodarsteller. Das ist eine gewisse Art von Zensur. So werden diese Filme klein gemacht.

Ricore: Glauben Sie eine Gesellschaft ohne Beschränkungen wäre besser? Mittlerweile ist jeden Monat eine nackte Frau auf einem Magazincover.

Franco: Naja, so viele sind es glaube ich nicht. Es geht darum, wer zu was Zugang hat. Ich verstehe manche Regisseure nicht. Es macht keinen Sinn in bestimmten Filmen Sexszenen einzubauen. Wenn man solches Material sehen will, warum leiht man sich dann nicht einfach einen Pornofilm? Wenn es aber für den Film wichtig ist, verstehe ich nicht, warum man das zensieren sollte.

Ricore: Haben Sie sich in ihrem Leben schon mal so verletzbar gefühlt, wie Allen Ginsberg?

Franco: Als Kind vielleicht. Allen wuchs in den 1940er und 50er auf. Er hatte keine homosexuellen Vorbilder, niemanden, zu dem er aufsehen konnte, niemand, von dem er ein bestimmtes Verhalten abgucken und von ihm lernen konnte. Hinzu kam, dass man zu dieser Zeit Schwule wegen ihrer vermeintlichen 'Krankheit' behandeln wollte. Er bekam eine Schocktherapie und flog von der Columbia Universität, weil er schwul war. Das war eine andere Zeit. Ich habe eine Freundin, daher fühle ich mich akzeptiert [lacht].
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James Franco als Dichter Allen Ginsberg
Ricore: Sie schreiben Gedichte, malen und lesen viel. Was bedeutet ihnen das Schauspielern?

Franco: Ich habe an der UCLA [University of California, Los Angeles] ein Jahr Literatur studiert, habe mich dann aber fürs Schauspiel entschieden. Das ist lange her. Auf der Schauspielschule war ich acht Jahre. Ich arbeitete zwar zwischendurch, ging aber immer zu meinen Kursen. Ich habe das sehr ernst genommen.

Ricore: Wie kam es, dass Sie solange auf die Schauspielschule gingen?

Franco: Ich war nur solange dort, weil ich das Beste aus mir herausholen wollte. Nachdem ich dann als professioneller Schauspieler gearbeitet habe, hat sich etwas verändert. Ich habe realisiert was Schauspielen in Filmen bedeutet. Ich kam zu dem Schluss, dass Filme ein Medium der Regisseur ist. Meine Aufgabe als Darsteller ist es, dem Regisseur zu dienen. Das ist ok, ich habe es akzeptiert, aber ich wollte mehr. Wenn ich mich in den kreativen Prozess einbringen will, dann muss ich andere Dinge lernen.

Ricore: Haben Sie deswegen Ihr Studium wieder aufgenommen?

Franco: Ja, deswegen bin ich zurück zur UCLA und habe mein Studium beendet. Danach habe ich noch meinen Abschluss in Film, Fiktion und Dichtung gemacht. Das war sehr befriedigend. Die Regie und das Schreiben interessiert mich auch immer mehr. Jetzt kann ich an allem teilnehmen, was mich interessiert. Ich glaube ich werde immer Schauspielern, weil ich mich dabei wohl fühle. Ich mag die Zusammenarbeit mit Regisseuren, die ich auch respektiere, wie Robert und Jeffrey, Gus van Sant oder Danny Boyle. Ironischerweise wurden mir genau dann Filme meiner Lieblings-Regisseure angeboten, als ich wieder zur Universität ging.

Ricore: Glauben Sie, dass Sie als Regisseur eine Zukunft haben?

Franco: Ich habe zwei Kurzfilme über Poesie gemacht. Ich versuche mehr ernsthafte Filme zu machen. Ich mag ernste Thematiken, die man visuell umsetzten kann. Alles was ich an Material entwickle, basiert auf Literatur. Es ist interessant, dass aus Gedichten, die viel Text beinhalten, kleine Filme werden, die kaum Dialoge haben.
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James Franco als Autor Allen Ginsberg
Ricore: Fällt es Ihnen leichter, einen Charakter zu spielen, der auf einer reale Person basiert?

Franco: Nein, aber es ist auch nicht unbedingt schwieriger. Wenn ich eine wiedererkennbare Figur spiele, vergleichen die Menschen meine Darstellung mit dem Vorbild. Du hast mehr Druck, aber mir macht das Spaß. Vor allem wenn ich eine Person spielen darf, die ich sehr respektiere, wie Allen Ginsberg. Ich tendiere dazu, härter zu arbeiten und mehr über den Charakter zu recherchieren. Ich fühle mich verpflichtet, die Erinnerungen an ihn richtig rüberzubringen. Ich adaptiere ein Werk von einem Schriftsteller. Wenn es mein eigenes Drehbuch ist, arbeite ich nicht so hart. Beim Schauspielen ist es das Gleiche. Ich habe schon mehrfach Rollen in meinen eigenen Filmen übernommen. Da habe ich oft nachlässig gearbeitet.

Ricore: War es schwer für Sie, sich auf die Rolle vorzubereiten?

Franco: Ich hab für diesen Film ein Jahr vor Drehbeginn unterschrieben. Also hatte ich etwas Zeit. Bei Ginsberg gab es mehrere Stufen der Recherche. Einmal die Verhaltensweisen und körperlichen Eigenarten, die den Wiedererkennungswert eines Menschen ausmachen. Ich habe mir Filmmaterial aus den 1960er angesehen, etwa Interviews, das war sehr hilfreich. So konnte ich mir seine Gestik und sein Sprachmuster einprägen. Das habe ich alles für die Äußerlichkeiten gemacht.

Ricore: Und das Innenleben des Dichters?

Franco: Davor haben Rob [Ebstein], Jeffrey [Friedman] und ich uns mit seinem Leben befasst. Mit dem, was er gedacht hat und mit welchen Problemen er konfrontiert war. Wir haben die Biografie gelesen. Alle Dialoge im Film stammen von Transkriptionen, wie Interviews oder der Gerichtsverhandlung. Wir haben uns das nicht ausgedacht. Das sind genau die Wortlaute von damals. Daher mussten wir exakt herausfinden, wie das Leben von Ginsberg zu dieser Zeit war.
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James Franco wird kreativ
Ricore: Und seine Gedichte?

Franco: Wir haben natürlich auch überlegt, was ihn dazu brachte, Gedichte zu schreiben und wovon er überhaupt redet. Da kam das Gedichte-Lesen ins Spiel. Es gibt keine Aufzeichnungen über seine erste Lesung, erst über die Darauffolgenden. Die umspannen fast sechs Jahrzehnte. Ein Jahr lang bin ich mit Kopfhörern durch New York gelaufen und habe mir Ausschnitte angehört. Drei Monate vor Drehbeginn versuchte ich dann, meinen Vortrag seinem Stil anzupassen.

Ricore: Gibt es in ihrer Schauspieler-Generation einen Gemeinschaftsinn?

Franco: Ich weiß nicht so recht, es gibt viele Schauspieler und Regisseure, die immer wieder mit den gleichen Leuten arbeiten. George Clooney scheint immer mit ähnlichen Leuten zu drehen. Gus van Sant und ich sind Freunde und ich hoffe weitere Projekte mit ihm machen zu können. Er war Ausführender Produzent bei "Howl". Es sind eigentlich immer die gleichen Arbeitsgruppen, aber es ist schön, Teil einer dieser Gemeinschaften zu sein.

Ricore: Nach Rollen wie James Dean hätten Sie locker ein Schauspieler werden können, der auf sein Aussehen setzt. Warum haben Sie sich dagegen entschieden?

Franco: Ich habe einige Filme gemacht, von denen man sagen könnte, sie wären oberflächlich und nicht so gut. Das ist sehr unbefriedigend. Ich mache nur Filme mit Regisseuren, an die ich glaube, sonst würde ich aufhören.

Ricore: Welche Ihrer Projekte fanden Sie oberflächlich?

Franco: Das will ich nicht sagen [lacht].

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 5. Januar 2011
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James Franco wird am 19. April 1978 im kalifornischen Palo Alto geboren. Sein Literaturstudium an der University of California unterbricht er für eine achtjährige Schauspielausbildung. Später kehrt er an die Universität zurück und holt seinen Abschluss nach. Nach der kurzlebigen Serie "Voll daneben voll im Leben" macht er 2001 mit dem Fernsehfilm "James Dean - Ein Leben auf der Überholspur" auf sich aufmerksam. Für die Rolle der titelgebenden Schauspiellegende wird Franco 2002 mit dem..
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