FR Entertainment/Barbara Bauriedl
Philipp J. Pamer
"Film ist meine große Liebe"
Interview: Philipp J. Pamer mit Herzblut
Philipp Joseph Pamer geht ein Jahr nach seinem Schulabschluss 2004 nach München an die Hochschule für Fernsehen und Film (HFF). Dort studiert der Tiroler szenische Regie. 2010 erscheint sein Abschlussfilm "Bergblut", der im gleichen Jahr auf dem Filmfest München läuft. Der Weg zur Realisierung des Films ist nicht leicht. Pamer wird für verrückt erklärt und nicht ernst genommen. Trotzdem kämpft er weiter für die Umsetzung seines Dramas, das ihm finanziell nichts einbringt. Doch Pamer bleibt optimistisch. Er sei schließlich jung und könne auch von Luft und Liebe leben, versichert er Filmreporter.de im Interview.
erschienen am 27. 01. 2011
Summiteer
Bergblut
Ricore: Wie kam es dazu, dass Sie sich für ihre Abschlussarbeit einen 120-minütigen Historienfilm ausgesucht haben?

Philipp J. Pamer: Ich glaube, wenn man in der Fremde lebt, muss man ein Thema mit einer anderen Perspektive betrachten. Ich habe mit der Idee angefangen, diesen Film komplett anders aufzubauen. Mir war es wichtig, dass im Film beide Seiten zusammengeführt werden. Zwei benachbarte Völker, wie die Bayern und die Tiroler, die über Jahrhunderte befreundet waren, sich im Zuge des napoleonischen Größenwahns aber dermaßen in die Haare bekommen haben, dass sie sich auf den Schlachtfeldern die Köpfe eingeschlagen haben.

Ricore: War Ihnen wichtig, dass Schauspieler aus Südtirol dabei sind?

Pamer: Beim letzten Film "1809 Andreas Hofer - Die Freiheit des Adlers", der in dieser Zeit gespielt hat, habe ich gemerkt, dass der Andreas Hofer die falsche Sprache spricht. Ich habe einfach mitbekommen, dass es vielen sehr ähnlich ergangen ist. Man hat herausgehört, dass einige Schauspieler nicht aus Nordtirol kommen. Da haben Bayern, Salzburger und Wiener die Tiroler gespielt. Das habe ich als sehr schwierig empfunden. Ich muss meine eigenen Leute, in meinem eigenen Land finden.

Ricore: Wie sind Sie zu den Schauspielern gekommen?

Pamer: Das war nur durch einen großen Casting-Prozess möglich. Für die Sprechrollen haben wir ungefähr hundert Schauspieler gecastet. Eine der größten Stärken des Films ist daher, dass er sprachlich authentisch ist und sich richtig anfühlt. Auch das Spiel mit den Sprachebenen hat für mich sehr gut funktioniert. Nicht nur die Hauptfigur Katharina lernt im Laufe Südtirolerisch, sondern auch die Zuschauer konnten danach ein paar Worte. Das fand ich ganz toll. Auch die Komparsen hatten eine Ahnung von dem, was sie da taten. Zum Beispiel wie man Kartoffeln erntet oder eine Kuh melkt.
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Philipp J. Pamer am Set von "Bergblut"
Ricore: Es ist nicht selbstverständlich, dass in Südtirol ein so großer Film gedreht wird. Wie war die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung?

Pamer: Ein paar Menschen haben wir in Passeier schon gekannt. Es kommt nicht oft vor, dass einer aus der Region nach München geht und Filme macht. Ich habe relativ früh probiert, die Menschen über mein Vorhaben aufzuklären. Außerdem habe ich einen Informationsabend gemacht und dort über die Thematik und Umsetzung des Films erzählt.

Ricore: Waren die Anwohner skeptisch?

Pamer: Im Februar bin ich mit einem sechzigköpfigen Team angerückt. Die LKWs haben das ganze Dorf zugeparkt und wir haben einige Teile abgesperrt. Wir hatten unmögliche Arbeitszeiten, haben nachts gedreht und tagsüber geschlafen. Das war für die Leute komisch. Aber es war schön zu sehen, wie im Laufe der Dreharbeiten das Eis geschmolzen ist. Wir Filmleute sind nach Drehschluss ins Dorfgasthaus ein Bier trinken gegangen und haben uns mit den Einheimischen angefreundet. Irgendwann haben ging es im Dorf vor allem darum, den Film zu unterstützen. Das war großartig.

Ricore: Heimat ist ein zentraler Begriff in "Bergblut". Was bedeutet er Ihnen?

Pamer: Aber bloß nicht zu verwechseln mit einem Heimatfilm. Das ist es bestimmt nicht. Es ist eher eine Liebeserklärung an meine Heimat. Viele Leute denken, dass ich ultra-heimatverliebt bin, aber das war nicht immer so. Während der Pubertät hab ich mich sehr stark von allem abgesondert, was mit Tradition, Religion und Heimatkram zu tun hatte. Diese Abgrenzung habe ich gebraucht. Erst als ich weg von meiner Heimat in München war, habe ich gespürt, wie viel mir das alles bedeutet.

Ricore: Also hat Sie der Film wieder enger mit der Heimat verbunden?

Pamer: Es gibt so viele einfache und gute Leute. Die Berge, meine Wiesen und meine Pamer. Für mich war es psychologisch gut, dass ich dort gedreht habe. Ich glaube, dass ich mit dem Film auch ein Problem verarbeitet habe. Mittlerweile habe ich eine sehr gesunde Einstellung zu meiner Heimat, weil ich sie schätzen und lieben gelernt habe.
FR Entertainment, Barbara Bauriedl
Philipp J. Pamer gibt Anweiseungen am Set von "Bergblut"
Ricore: Die Katharina in "Bergblut" lässt für die Liebe alles hinter sich. Was wäre für Sie ein Grund, solche Opfer zu bringen?

Pamer: Die Heimat wäre für mich ein Grund, aber die Liebe ist auch ganz vorne. Die Erfahrung habe ich schon machen dürfen, dass wenn man verliebt und sich sicher ist, man zu vielen Sachen bereit ist. Meine ganz große Liebe ist der Film. Ich bin an vielen Stellen durch wirklich dunkle Täler gewandert, daher ist die Liebe sehr wichtig. Was die Katharina in dem Film macht, um ihren Mann davon abzuhalten, in den Krieg zu ziehen, ist für mich der schlimmste, aber auch größte Liebesbeweis. Das ist eine psychische Grenzsituation. Ich fand es sehr interessant, meine Figuren in so einen tiefen Abgrund sehen zu lassen.

Ricore: Sie waren zu Drehzeiten noch Student an der HFF. Wie haben Sie die Finanzierung geregelt?

Pamer: Als ich das erste Mal angefangen habe, um die Finanzierung zu betteln, war ich 21 Jahre alt und erst im dritten Semester. Jetzt bin ich 25 und bekomme ohne meinen Ausweis noch nicht mal eine Schachtel Zigaretten. Man kann sich vorstellen, dass wenn es um große Geldsummen geht, man öfters den Satz hört: "Ha, der ist doch noch ein Kind!" Das war relativ schwierig. Mir haben anfangs viele Leute den Vogel gezeigt.

Ricore: Wie konnten Sie diese trotzdem überzeugen?

Pamer: Ich habe Glück gehabt. Irgendwann hieß es, dass ich erst einmal ein Drehbuch schreiben soll. Ich habe gewusst, dass die Geschichte Potenzial hat. Aber es hat eine erste Drehbuchversion gebraucht, damit man mit der Thematik auch etwas anfangen konnte. Der Vorschlag hat ihnen dann gefallen. Nach und nach konnten sich immer mehr Schauspieler und Finanziers für den Stoff begeistern. Trotzdem hatten wir natürlich viel weniger Mittel zur Verfügung, als andere Debütfilme. Wir hatten ein Budget von weniger als einer halben Millionen Euro.

Ricore: Braucht man Lokalkolorit, um sich mit diesem Film identifizieren zu können?

Pamer: In Südtirol gehört er zu den erfolgreichsten Filmen aller Zeiten. Es fehlen nur noch 2.000 Zuschauer bis "Avatar", das ist schon ein kleiner süßer Genuss. Aber der Film ist auch in Shanghai auf einem Festival gelaufen und die Chinesen haben sich mit den Tirolern identifizieren können. Das hätte ich nicht für möglich gehalten, aber es hat gezeigt, dass das Thema auch in anderen Ländern funktionieren kann.
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Philipp J. Pamer mit Darstellern am Set von "Bergblut"
Ricore: Wie kam es, dass Sie Regisseur werden wollten?

Pamer: Das ist eine gute Frage. Meine Kommilitonen an der HFF haben alle andere Lebensläufe als ich. Ich komme aus einem anderen Milieu. Ich habe vier Geschwister, meine Mama ist Hausfrau und mein Vater Handwerker. Meine Mama hat mir als Kind viel vorgelesen. Später hat mich Literatur und das Schreiben interessiert. Als ich elf war hat sie eine Kamera gekauft. Da habe ich bei mir die Leidenschaft entdeckt. Ich bin mit der Kamera über Stock und Stein, Täler und Wald. Eigentlich habe ich es mir autodidaktisch beigebracht.

Ricore: Wie geht es nach "Bergblut" weiter?

Pamer: Es gibt schon Pläne für die Zukunft, über die habe ich aber noch nicht entschieden. Ich habe jetzt die Erfahrung gemacht, dass wenn man sich für etwas mit Herzblut entscheidet, darf man sich den Entschluss nicht zu leicht machen. Offiziell ist "Bergblut" mein Abschlussfilm. An dem Stoff für mein Debüt schreibe ich gerade. Gleichzeitig habe ich mit einigen Produzenten gesprochen und mir ihre Vorschläge angehört. Ich habe sehr viel in diesen Film investiert, aber verdient habe ich daran eigentlich nichts. Meine Familie ist auch nicht reich. Wenn ich also im August noch meine Miete zahlen will, muss ich jetzt endlich Geld verdienen.

Ricore: Der Beruf ist also zunächst brotlos?

Pamer: Natürlich macht man so was nicht des Geldes wegen, sonst wäre man in die Wirtschaft gegangen. Ich bin ja nicht auf den Kopf gefallen. Aber es geht um ganz rudimentäre Dinge, wie dass man Essen, die Miete und wenn es hoch kommt, sich auch noch ein Auto leisten kann. Das klingt jetzt sehr schlimm [lacht], aber es ist einfach so. Aber ich bin ja noch jung und brauch noch nicht so viel, da lebt man noch von Luft und Liebe.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 27. Januar 2011
Zum Thema
Philipp Joseph Pamer wird am 2. März 1985 in Meran geboren. Ein Jahr nach seinem Schulabschluss, 2004, geht der Tiroler nach München an die Bergblut", der auf dem Filmfest München mit dem Konrad Pamer 2010 die Produktionsfirma Remulus Film.
Bergblut (Kinofilm)
Philipp J. Pamers Abschlussfilm an der Hochschule für Fernsehen und Film in München ist wahrlich episch. In "Bergblut" erzählt er die Geschichte einer jungen, Bayerin, die es 1809 während der Tiroler Aufstände nach Südtirol verschlägt. Zunächst konzentriert sich Pamer erfolgreich auf die kulturellen Unterschiede und das Gefühlsleben seiner Protagonisten. Im Verlauf der Handlung schweift er immer mehr ins Politische ab. Dies gipfelt in der Erschießungsszene Andreas Hofers, die recht überflüssig..
2024