FR Entertainment, Barbara Bauriedl
Inga Birkenfeld in "Bergblut"
"Ein geselliger Mensch"
Interview: Inga Birkenfeld nicht gerne einsam
Inga Birkenfelds Schauspielkarriere begann auf der Bühne, setzte sich beim Fernsehen fort und ist jetzt um Kino angekommen. Reflektiert sie in dem Dokumentarfilm "Mädchen am Sonntag" noch die eigene Profession, schreitet sie in einer Nebenrolle von Florian Henckel von Donnersmarcks "Das Leben der Anderen" zur Tat. In "Bergblut", einem Drama über den Tiroler Freiheitskämpfer Andreas Hofer, spielt sie ihre erste Spielfilm-Hauptrolle. Im Interview mit Filmreporter.de verrät die 32-Jährige ihre Ansichten über Heimat und Einsamkeit.
erschienen am 13. 01. 2011
Summiteer
Bergblut
Ricore: Wie kamen Sie in "Bergblut" mit dem südtiroler Dialekt zurecht?

Inga Birkenfeld: Ich konnte es am Anfang sehr schlecht verstehen. Es ist eine ganz eigene Sprache, mehr als ein Dialekt. Aber dann habe ich mich langsam an sie herangearbeitet, sodass ich die Leute zumindest verstehen konnte. Aber sprechen kann ich diese Sprache bis heute nicht. Es gibt im Film eine Szene, in der ich meine Stiefmutter nachäffe. Davor hatte ich richtig Angst. Denn meine Figur muss das ganz toll können. Für mich war das so, als müsste ich etwas auf Italienisch sagen.

Ricore: Hatten Sie schon vor dem Film Zugang zur Geschichte Tirols oder kam das erst im Laufe der Produktion?

Birkenfeld: Das kam durch den Film. Der erste Kontakt kam durch das Drehbuch zustande. Wenn ich bei der Lektüre auf Sachen stoße, die mir nicht so geläufig sind, recherchiere ich die Hintergründe. Die Geschichte steht ja immer in Bezug zur Figur. Auch in "Bergblut" ist das der Fall. Einerseits ist das Zusammentreffen mit Andreas Hofer fiktiv, andererseits ist dieser eine historische Persönlichkeit und für die Region sehr wichtig. Aus diesem Grund musste ich mich in die Geschichte einarbeiten, um zu verstehen, welche Bedeutung das alles hat.

Ricore: Andreas Hofer ist für viele Tiroler auch heute noch sehr wichtig. Können Sie diese Verehrung nachvollziehen?

Birkenfeld: Für meine Rolle war das nicht so wichtig. Katharina hat eine ganz klare Position. Sie steht für das Moderne. Ihr Vater ist Pockenarzt, was von vielen Menschen damals abgelehnt wurde. Katharina steht voll und ganz hinter ihm. Sie ist aufgeschlossen und geradlinig. Trotzdem verliebt sie sich in diesen Südtiroler, der ganz anders ist und Probleme mit der Familie hat. Er hat dieses Erdbezogene, was sie ganz toll findet. Was mich betrifft, so hat sich die Frage nie gestellt, ob ich das nachvollziehen kann oder nicht. Trotzdem ist es in Tirol ein allgegenwärtiges Thema.

Ricore: Katharina bringt für Ihre Liebe ein großes Opfer. Sie verlässt Heimat und Familie, um in einem entlegenen Hof in Südtirol zu leben. Könnten Sie für eine Liebe ein Opfer in dieser Größenordnung bringen?

Birkenfeld: Es kommt ganz auf die Umstände an. Für Katharina ist es nicht nur ein Opfer, sondern auch eine Befreiung von Zwängen, die in ihrer Familie herrschen. Sie ist viel jünger als ich und erlebt die Liebe zum ersten Mal. Andreas ist der Mann ihres Lebens. Aus dieser romantischen Sicht heraus entschließt sie sich, ihm zu folgen. Was mich angeht, so würde ich für die Liebe auch vieles opfern. Da bin ich sehr leidenschaftlich.
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Inga Birkenfeld in "Bergblut"
Ricore: Glauben Sie an die wahre Liebe?

Birkenfeld: Ich denke nicht in solchen Klischees. Aber vielleicht ist es ja auch keins... Es gibt viele Menschen, die daran glauben und mit diesen Begrifflichkeiten ihr Leben kategorisieren. Für mich ist das eine Gefühlssache und man kann das schwer in Worte fassen. Ich weiß aber, dass ich zur Löwin werden kann, wenn Menschen bedroht werden, die ich liebe.

Ricore: In "Bergblut" kommt die Einsamkeit auf dem Hof sehr stark zur Geltung. Hat man das auch am Drehort gespürt?

Birkenfeld: Total. Wir haben in einem echten Hof gedreht. So wie er im Film zu sehen ist, liegt er wirklich in den Bergen. Er ist 200 Jahre alt und wird von einem Bauern und seinem Sohn bewohnt. Bis kurz vor den Dreharbeiten hatten sie keinen Strom. Sie wollten das auch nicht. Sie züchten dort Hühner und Kühe und sind größtenteils Selbstversorger.

Ricore: Wie lief die Begegnung zwischen dem Filmteam und den beiden Bewohnern ab?

Birkenfeld: Für deren Ohren waren wir sehr laut. So ein Filmteam macht sehr viel Lärm. Ich weiß nicht, wie genau sie diese Zeit empfunden haben. Aber in den drei Wochen, in den wir dort drehten, haben sie sicher mehr Menschen gesehen als sonst im ganzen Jahr. Es war auch nicht möglich, sich richtig mit ihnen auszutauschen. Wir konnten ja nicht einfach hingehen und sie fragen, was sie von der Arbeit halten? Man musste da schon sehr sensibel und respektvoll vorgehen. Generell war ich dankbar dafür, dass wir da oben drehen konnten, weil so viel Geschichte in diesem Hof steckt. Da war zum Beispiel eine Rauchküche, die vom Ruß ganz schwarz war. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Da hat nicht irgendein Innenausstatter seiner Fantasie freien Lauf gelassen. Es war tatsächlich so. Eine komplett andere Zeit.

Ricore: Es ist sicher eine ganz eigene Dreherfahrung, wenn man wochenlang in einem entlegenen Hof dreht. Kamen sie auch mal ins Tal runter?

Birkenfeld: Ja, wir sind jeden Abend zurückgefahren. Mit dem Auto brauchten wir dafür knapp 45 Minuten. Dort oben zu schlafen wäre einfach logistisch nicht möglich gewesen.
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Jutta Speidel kümmert sich um Inga Birkenfeld
Ricore: Ein großes Thema des Films ist die Heimat. Was bedeutet dieser Begriff für Sie?

Birkenfeld: Ich kann mehr mit dem Begriff Zuhause anfangen. Mit 18 bin ich von Zuhause nach Berlin gezogen, wo ich zunächst bei einer Freundin gewohnt habe. Für einige Zeit lebte ich also zwischen zwei Wohnungen. Da spürte ich ganz plötzlich, was es heißt, Zuhause zu sein. Es ist ein Gefühl des Geborgenseins und der Zugehörigkeit. Es ist ein schönes und wichtiges Gefühl, wie ich finde. Es steht nicht im Zusammenhang mit einem fixen Ort, sondern kann an mehrere Orte gebunden sein. Es hat viel mit Freunden zu tun. Ich könnte mich an keinem Ort wohl fühlen, an dem ich keine Freunde habe. Ich bin ein sehr geselliger Mensch.

Ricore: Auf einem einsamen Hof zu leben wäre für Sie demnach nichts.

Birkenfeld: Nein, auf keinen Fall. Da bewundere ich die Katharina für ihre Entscheidung. Aber sie hatte am Anfang Widerstände zu überwinden, die sicherlich auch mit der Einsamkeit zu tun haben. Dann gibt es die Wendung, als sie sich entschließt, sich mit ihrer Situation auseinanderzusetzen. Diese Stärke hat mir sehr imponiert. Sie hat sich durchgebissen, obwohl es nicht einfach war.

Ricore: Trotz der Probleme Katharinas mit der neuen Umgebung, hatte man nicht den Eindruck, dass sie an Heimweh litt.

Birkenfeld: Sie hatte eine Sehnsucht nach etwas, was am Anfang noch nicht vorhanden war. Die Sehnsucht nämlich, sich zu Hause zu fühlen oder dies zumindest als Perspektive zu betrachten, einen Platz auf der Welt, wo sie sich zugehörig fühlt.

Ricore: Wie war ihre Erfahrung, mit Philipp J. Pamer zu drehen? Der Filmhochschul-Absolvent ist ja noch sehr jung.

Birkenfeld: Auf gewisser Weise zähle ich mich auch zu den Neulingen. Insofern hatte ich Philipp an Erfahrung viel voraus, auch wenn ich etwas älter bin. Er hat von Anfang an eine sehr gute Arbeit geleistet. Er wusste ganz genau, was er will. Auch was die Finanzierung des Projekts angeht, hat er vieles in die Wege geleitet. Das war schon erstaunlich.

Ricore: Es ist kein leichtes Thema für einen Abschussfilm.

Birkenfeld: Ja, das stimmt. Für einen Abschlussfilm hätte er nicht einmal einen Langfilm machen brauchen. Er wollte das aber so haben.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 13. Januar 2011
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Inga Birkenfeld wird 1978 geboren. Von 2001 bis 2004 studiert sie Schauspielerei am Europäischen Theaterinstitut in Berlin. Mit Jean Genets "Die Zofen" bekommt sie ihre erste Rolle auf der Bühne. Nach zahlreichen Kurzfilmen ist Birkenfeld 2005 an der Seite von Nicolette Krebitz und Katharina Schüttler in dem Dokumentarfilm "Mädchen am Sonntag" zu sehen, in dem die Schauspielerinnen über ihren Beruf reflektieren. Im Kino ist Birkenfeld unter anderem in Florian Henckel von Donnersmarcks "Das..
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2024