Warner Bros. Pictures
Ellen Barkin
Wollte bei den Kindern sein: Ellen Barkin
Interview: Comeback in die Satire
Ellen Barkin gehört in den 1980er Jahren zu den gefragten Schauspielerinnen Hollywoods. Sie war die verklemmte junge Staatsanwältin in "The Big Easy - Der große Leichtsinn", verdrehte Al Pacino als blonde Femme fatale in "Sea of Love - Melodie des Todes" den Kopf und spielte die Hauptrolle in Blake Edwardss Komödie "Switch - Die Frau im Manne". Danach wurde es ruhiger um die herbe Leinwandschönheit - die Erziehung ihrer Kinder war ihr wichtiger, wie die 50-Jährige im Interview verriet. Jetzt kehrt Barkin mit dem satirischen Abtreibungsdrama "Palindromes" der Independent-Ikone Todd Solondz ("Happiness") ins Kino zurück.
erschienen am 22. 04. 2005
Ricore: Frau Barkin, schön Sie zu sehen. Wo haben Sie in den letzten Jahren gesteckt?

Barkin: (lacht) Ja, ich habe fünf Jahre lang keinen Film gedreht. Die Prioritäten ändern sich eben, wenn man älter wird. Ich wollte bei meinen Kindern sein.

Ricore: Haben Sie der Karriere nicht nachgetrauert?

Barkin: Als meine Kinder vor zehn Jahren in die Schule kamen, war ich allein erziehend. Ich bin mit ihnen von New York nach Los Angeles gezogen, um gleichzeitig bei ihnen sein zu können und zu arbeiten. Vorher hatten mich meine Kinder immer zu Dreharbeiten begleitet. Als ich Ende der 90er meinen Mann Ron Perelman (Chef des Revlon-Konzerns; Anm. der Red.) kennen lernte, sind wir wieder nach New York gezogen, was bedeutet hätte, dass ich zum Drehen wieder hätte reisen müssen. Das wollte ich aber nicht.

Ricore: Wieso haben Sie sich für die Rolle in "Palindromes" entschieden?

Barkin: Wenn es öfter derartige Rollenangebote gäbe, würde ich sie gerne annehmen. Aber das sind seltene Perlen unter vielen nichts sagender Mainstream-Drehbüchern, die bei mir landen. Neben "Palindromes" habe ich kürzlich auch in Spike Lees Film "She Hate Me" mitgewirkt.

Ricore: Zu Beginn Ihrer Karriere haben Sie meist in Mainstream-Filmen mitgewirkt.

Barkin: Ja, klar. Ich war jung und brauchte das Geld (lacht). Nein, die Filme, die ich in den 80ern und frühen 90ern drehte, haben mir persönlich etwas bedeutet, obwohl sie sicher keine großartige Botschaft hatten. Aber dafür durfte ich mit tollen Schauspielern wie Robert Duvall, Al Pacino oder Robert De Niro zusammenarbeiten. Das waren wunderbare Erfahrungen.
Ricore: Sie spielen in "Palindromes" die Mutter eines 12-jährigen Mädchens, das unbedingt schwanger werden will. Wie haben Sie diese Rolle empfunden, da Sie selbst Mutter von zwei Kindern sind?

Barkin: Schauspielerisch war die Rolle eine echte Herausforderung, da die Mutter eine äußerst komplizierte Figur ist. Auf der einen Seite verhält sie sich politisch korrekt und will nur das Beste für ihr Kind, indem sie es zur Abtreibung schickt. Auf der anderen Seite lässt sie ihrer Tochter damit keine Entscheidungsfreiheit und treibt sie - wenn auch ungewollt - in die Arme einer christlich-fundamentalistischen Familie. Ich habe versucht, die Mutter so aufrichtig und realistisch wie möglich zu spielen. Sie sollte auf keinen Fall unsympathisch oder gar böse wirken.

Ricore: Wie würden Sie persönlich reagieren, wenn Ihre Tochter schwanger wäre?

Barkin: Da muss ich gar nicht lange nachdenken. Meine Tochter ist 12, genauso wie meine Filmtochter Aviva. Ich würde sie sofort zur Abtreibung schicken, ohne Diskussion, und kann mir kaum vorstellen, dass irgendeine Mutter anders entscheiden würde. Abgesehen von radikalen Abtreibungsgegnern vielleicht.

Ricore: Wie schwierig war es, mit einer Filmtochter zu spielen, die von sieben verschiedenen Darstellerinnen dargestellt wurde?

Barkin: Erstaunlicherweise war es gar nicht schwer. Im Gegenteil - wenn man die Augen schließt, und den unterschiedlichen Darstellerinnen einfach nur zuhört, merkt man fast keinen Unterschied zwischen ihnen. Mir kam es vor, als spielte ich mit einer einzigen Person. Das lag vor allem daran, dass Todd Solondz Schauspielerinnen wählte, die sich auf emotionaler Ebene ähneln. Sein Konzept bestand darin, Mädchen und Frauen zu besetzen, die zwar äußerlich völlig gegensätzlich sind, sich in ihrem innersten Kern aber ähneln. Bei den Dreharbeiten gab er den Darstellerinnen eigentlich nie spezifische Anweisungen, sondern appellierte eher an ihr Gefühl.

Ricore: Verraten Sie uns zum Abschluss noch, was Sie als nächstes tun werden?

Barkin: Klar. Ich fahre nach Hause, bringe meine Kinder zur Schule und unterrichte Schauspiel in einem Graduiertenprogramm an einer Schule in Manhattan. Darauf freue ich mich schon.
erschienen am 22. April 2005
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2024