Universal Pictures International
Detlev Buck
"Deutschland hat keine Kinoindustrie"
Interview: Giert Detlev Buck nach Macht?
Nach dem anspruchsvollen Drama "Same Same But Different" zeigt sich Detlev Buck mal wieder von seiner komischen Seite. So leiht der Regisseur und Schauspieler in "Hop - Osterhase oder Superstar?" einem überproportional großen, machthungrigen Küken seine Stimme. Dieses spricht nicht nur mit spanischem Akzent, sondern strebt auch noch ganz ungeniert den Posten des Osterhasen an. Im Interview mit Filmreporter.de spricht der 48-jährige Buck über konservative Animationsfilme und die deutsche Filmlandschaft.
erschienen am 29. 03. 2011
Universal Pictures International
Riesiges Küken will Osterhase werden
Ricore: Für "Hop - Osterhase oder Superstar?" haben Sie einen machthungrigen Küken mit Akzent synchronisiert. Eine neue Facette im Werk Detlev Bucks?

Detlev Buck: Ja, ich hatte zwar schon mal ein Tier synchronisiert, aber das mit dem Akzent ist neu. Ich war selber überrascht, dass der spanische Akzent in Verbindung mit einem Norddeutschen funktioniert.

Ricore: Hatten Sie einen Sprachcoach?

Buck: Ja, ich hatte darum gebeten, dass ein spanischer Kollege mir behilflich ist. Ich hatte einfach zu wenig Erfahrung im Synchronbereich. Außerdem bin ich keiner, der Akzente oder Dialekte mühelos imitieren kann.

Ricore: Das Ergebnis klingt überzeugend.

Buck: Ich hab den Amerikanern vorgeschlagen, die Figur aus unserer Sicht, also mit osteuropäischem Akzent zu gestalten Das fanden die aber nicht so komisch. Man darf die Amerikaner nicht verunsichern [lacht]. Sie wollen, dass die Welt ihnen zu Füßen liegt, aber man darf sie nicht verunsichern.

Ricore: Warum denn osteuropäisch?

Buck: Nun ja, in Amerika werden die Mexikaner als billige Arbeitskraft genutzt, hier sind es die Osteuropäer. Damit meine ich nicht unbedingt die Polen, die sich wirtschaftlich immer mehr nach oben mausern. Die Reise geht ja weiter Richtung Ukraine, Russland, Rumänien oder Bulgarien. Während viele Dienstleistungssegmente früher von vietnamesischen Arbeitern besetzt wurden, sind es heute eher osteuropäische.
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Hop - Osterhase oder Superstar?
Ricore: "Hop" ist also eher ein politischer als ein Kinderfilm?

Buck: Ja, es gibt aber durchaus einen politischen Unterton. Es gibt eine Revolution und der Film zeigt, dass die Revolution - wie das oft der Fall ist - zu eitel ist. Das ist auch einer der Gründe, warum Revolutionen oft in Katastrophen enden. In "Hop" ist der Revolutionsführer zu doof, um zu verstehen, dass er nicht der neue Machthaber ist. Dabei hätte er eine Chance gehabt, aber er ist einfach zu doof und zu eitel.

Ricore: Damit ist der Film auch realistisch.

Buck: Ja, wenn man beispielsweise die Lage in Nordafrika oder im Iran betrachtet. Ich denke, die Demokratisierung wird sich in diesen Regionen trotz der anhaltenden Krise nicht aufhalten lassen. Der Film ist zwar in erster Linie für Kinder, aber die Bezüge zur Wirklichkeit sind durchaus vorhanden. Kinder sind nicht doof. Fünfjährige Kinder kriegen durchaus mit, was in Fukushima passiert. Sie wissen, dass dort ein Stromturm glühend heiß brennt. Es geht nicht an ihnen spurlos vorbei, sie nehmen alles bewusst wahr. Dass man damit in einem Kinderfilm umgeht, finde ich gut.

Ricore: Aber am Ende hat der Film doch eine konservative Haltung. Die Ordnung ist wieder hergestellt, der Sohn nimmt den Job an, den der Vater für ihn vorgesehen hat. Vermittelt "Hop" nicht sehr konservative Werte an Kinder?

Buck: Man kann schon sagen, dass das Konservative sich langfristig durchsetzt. Seltsamerweise. Das ist einfach so. Der Film vermittelt, dass der Familienverband nicht gefährdet sein darf. Dass Vater und Sohn sich wieder verstehen, ist die Basis unserer gesellschaftlichen Ordnung. Man kann nicht daherkommen und sagen, dass der Sohn gegen den Willen des Vaters doch Star-Schlagzeuger wird. Dazu muss der Vater die Entscheidung des Sohnes akzeptieren. Wenn ein Film für Kinder ist, sollte er auch etwas haben, das nicht zur Beunruhigung führt.
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Detlev Buck spricht das machthungrige Küken
Ricore: Ist der Vorteil eines Animationsfilms, dass er sowohl Kinder als auch Erwachsene zum Lachen bringen kann?

Buck: Ja, das stimmt. Beim Animationsfilm fallen bestimmte soziale Komponenten weg, so dass er auf Basis der Komik und Übertreibung Klischees präziser herausarbeiten kann. Die Zwischentöne fehlen. Man kann Mr. Bean als Beispiel heranziehen. Diese Figur ist der Gipfel der komödiantischen Zuspitzung und Vereinfachung. Dass sie etwa wie jeder Mensch altern könnte, käme dem Zuschauer nicht in den Sinn. Die Vereinfachung funktioniert in einem Animationsfilm besser als in einem Realfilm.

Ricore: Es geht aber auch anders. Wenn man zum Beispiel "Oben" als Gegenbeispiel heranzieht: Hier ist ein verwitweter und kinderloser Rentner die Hauptfigur.

Buck: Ja, daran sieht man, dass die Fantasie in der Simplizität noch mal ganz neu zusammengebaut werden kann. Das versucht man in Deutschland auch immer wieder, aber wir sind noch nicht so weit. Es gibt in Deutschland viele, die sehr feine Sachen machen. Aber man muss es immer wieder sagen: Deutschland hat keine Kinoindustrie. Wenn jemand das Gegenteil behauptet, hat er keine Ahnung [lacht]. Im Regie-Bereich gibt es vielleicht zehn Leute, die nur vom Kino leben können. Von den Schauspielern gibt es kaum jemanden. Höchstens eine Handvoll. Der Rest ist zusätzlich beim Fernsehen tätig. Der Markt ist zu klein, als das unsere Ware genug Geld einbringen könnte.

Ricore: Wie groß ist ihr aktuelles Projekt "Die Vermessung der Welt"?

Buck: Es ist sehr klein. Im Bereich dessen, was man national finanzieren kann, ist leider nicht mehr drin gewesen. International konnten wir es aber leider nicht finanzieren. Ich war mit dem Stoff bei einem internationalen Casting-Agenten. Dem gefiel das Buch zwar. Doch als ich für das Projekt einen bekannten internationalen Schauspieler haben wollte, wurde er skeptisch.

Ricore: Woran lag das?

Buck: Der Stoff war zu komplex, als dass man ihn international finanzieren könnte. Im internationalen Markt will man mehr Simplizität, für anspruchsvolle Sachen hat man kein Verständnis. Es ist eine Illusion, dass große Preise wie die Auszeichnungen in Cannes oder Berlin die Marktfähigkeit eines Arthouse-Films steigern können. Diese Filme bekommen vielleicht 20.000 Zuschauer mehr rein, mehr auch nicht. Die ganze Filmbranche hat sich verdreht und das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Etwas daran zu ändern, weil Film schließlich auch eine Kulturfrage ist, interessiert die Amerikaner einen Scheiß.
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Detlev Buck bei Synchronarbeiten zu "Hop"
Ricore: Wie gehen Sie mit dieser Situation um? "Same Same But Different" zum Beispiel war ein anspruchsvoller und damit riskanter Film...

Buck: Es ist sehr schwierig, solche Projekte überhaupt durchzusetzen. Ich habe bei der Produktion darauf geachtet, dass wir das Budget nicht überschreiten. Den Produzenten habe ich gesagt, dass sich doppelt so viele Zuschauer den Film ansehen werden, als es bei "Knallhart" der Fall war. Das liegt zum einen am Thema Aids, aber auch daran, dass sich die Liebe durchsetzt und es ein Happy-End gibt. Nach "Der Vorleser" habe ich gedacht, dass David bereits als - in Anführungszeichen - Star wahrgenommen wird. Er war in einem Alter, in dem er kurz davor stand, zum Mann zu werden. Das hat einfach gepasst und wir haben es dann gemacht. Ich habe mich gegen das korrupte Kambodscha gewehrt und es wirklich zwei Jahre lang hardcore betrieben.

Ricore: Und wie gehen Sie damit um, wenn die Realisierung solcher Projekte doch scheitern?

Buck: Wenn es nicht funktioniert, gibt es immer noch die Möglichkeit, Filme wie "Rubbeldiekatz" zu machen. Das ist zwar auch ein schlauer Film, aber eben eine reine Komödie. "Die Vermessung der Welt" ist auch nicht ohne und widerspricht jeglicher klassischen Dramaturgie. Dafür kann ich eigentlich nur auf die Mütze kriegen, weil ich weiß, dass der Zuschauer emotional geleitet wird. Aber das ist kein Grund, es sein zu lassen. Es reizt mich eben auch.

Ricore: Machen Sie vorher Testvorführungen?

Buck: Ja, das mache ich immer, auch bei "Same Same But Different". Die Frage dabei war: Berührt der Film das Publikum oder nicht? Und er hat berührt, aber ins Kino sind dann doch nicht so viele gegangen. Es geht eben um Aids, eine Krankheit. Aber ich habe das nicht unterschätzt, sondern wusste das schon vorher. In Kambodscha wurde der Film dagegen gut aufgenommen. Insofern kann man ihn als kulturelle Bereicherung bezeichnen, weil er auch in Thailand gut aufgenommen wurde und den Konflikt zwischen den Ländern ein bisschen zum Positiven wenden konnte. Der Film ist aber nur eine Interpretation von Benjamins und Sreykeos Geschichte. Es war für mich ausgeschlossen, deren private Liebesgeschichte zu verfilmen. Das ist ihr Geheimnis.

Ricore: Läuft ein Casting in Kambodscha anders ab als hierzulande?

Buck: Ja. In Kambodscha sind die Castingleute älter, weil sie aufgrund ihres Alters respektiert werden. Außerdem sitzen beim Casting immer Mutter, Bruder und Onkel, damit dem Schauspieler nichts passiert. Das geht bis zum Alter von 30 Jahren so.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 29. März 2011
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2024