Universum
Naomi Watts in "Mütter und Töchter"
Zwischen Karriere und Mutterschaft
Interview: Naomi Watts im Spagat
Naomi Watts gehört zu den erfolgreichen Schauspielerinnen ihrer Generation. Dabei verläuft ihre Karriere alles andere als stetig. Trotz ihrer überzeugenden Leistung in David Lynchs meisterhaftem Thriller "Mulholland Drive" sollte es bis zu ihrem Auftritt in Peter Jacksons "King Kong"-Neuauflage dauern, bis ihr Name in aller Munde war. Heute ist Watts von der Leinwand nicht wegzudenken. Anlässlich des Starts von "Mütter und Töchter" hat sich die 42-Jährige mit Filmreporter.de unterhalten. Dabei berichtet sie unter anderem von ihren Ängste im Leben und den Sicherheiten im Beruf sowie dem schwierigen Spagat zwischen Karriere und Mutterrolle.
erschienen am 3. 06. 2011
Universum
Samuel L. Jackson und Naomi Watts in "Mütter und Töchter"
Ricore: Es muss schwer gewesen sein, sich die Figur Elisabeth anzueignen. Soweit ich Sie als Menschen einschätze, sind Sie ganz anders als sie.

Naomi Watts: Das stimmt, aber ich konnte durchaus eine Beziehung zu Elisabeth aufbauen. Ich bin ein offener und vertrauenswürdiger Mensch, während Elisabeth eine verletzte Person ist. Die ihr zugefügten Schmerzen sind so groß, dass sie sich von der Gesellschaft völlig isoliert hat. Wenn ich sage, dass ich mich mit ihr identifizieren konnte, dann meine ich damit nicht, dass ich genau wie sie bin. Aber ich verstehe, dass einige Sachen so verletzen können, dass man einen Abwehrmechanismus aktiviert.

Ricore: Beim Vorstellungsgespräch zu Beginn des Films sagt sie, dass sie eine unabhängige Person sei. Ist sie das wirklich oder ist sie nur einsam?

Watts: Ich denke, beides. Ihre Einsamkeit bedingt ihre Unabhängigkeit. Die Tatsache, dass sie ihrem Chef auf einmal nahe kommt, lässt sie panisch werden. Aus diesem Grund tritt sie die Flucht an. Sie möchte sich einfach nicht mehr in Gefahr begeben, wenn sie mit jemand Kontakt aufnimmt oder sich jemandem preisgibt.

Ricore: Auch die Sexualität der Frau ist sehr interessant dargestellt. Welche Absprachen hatten sie mit Samuel L. Jackson und Regisseur Rodrigo García diesbezüglich?

Watts: Es gab eigentliche keine großen Diskussionen oder viele Proben, was die Liebesszenen angeht. Obwohl Rodrigo diesbezüglich viel zu sagen hatte. Das Drehbuch war einfach sehr gut und klar ausgearbeitet. Ich kann mich noch erinnern, als ich diese Szene zum ersten Mal gesehen habe. Ich dachte nur: Wow, so etwas habe ich noch nie vor einer Kamera gesehen. Das wird toll.

Ricore: Die Kamera ist während der ganzen Sexszene auf Sie gerichtet. Was geht durch Ihren Kopf, wenn Sie solche Szenen drehen?

Watts: Man muss den ganzen Zirkus von Mitarbeitern ausblenden, die um einen auf dem Filmset herum stehen. Es ist ein sehr erniedrigender und auch ein sehr privater Moment. Ich hatte mal in David Lynchs "Mulholland Drive" eine Masturbationsszene gedreht und ich weiß noch, dass das ähnlich herausfordernd war. Bei der besagten Szene in "Mütter und Töchter" dachte ich nur: Diese Frau ist außergewöhnlich. Sie ist eine ängstliche, gleichzeitig aber auch eine mutige Person. Diese Komplexität mochte ich sehr.
United International Pictures (UIP)
Naomi Watts
Ricore: Courage ist auch eine Ihrer Eigenschaften. Mutig waren Sie am Anfang Ihrer Karrieren nicht, oder?

Watts: Ich hatte keine andere Wahl.

Ricore: Stimmt. Heute können Sie machen, wonach Ihnen ist. Woher kommt dieser Mut heute mit 42 Jahren?

Watts: Meinen Sie im Leben oder in der Arbeit?

Ricore: Beides.

Watts: Eigentlich betrachte ich mich als ängstlichen Menschen.

Ricore: Wirklich?

Watts: Ja, aber ich arbeite daran. Was meine Arbeit angeht, so bin ich hier doch unbekümmerter. In meinem Beruf fühle ich mich sicher, aber nicht in meinem Leben.

Ricore: Sie sind Mutter zweier Kinder. Fühlen Sie sich auch in dieser Rolle ängstlich?

Watts: Ja.

Ricore: Inwiefern?

Watts: Durch das Leben geht man immer mit einer gewissen Portion Angst. Man zweifelt immer an sich und ist oft selbstkritisch. Aber so lange man sich der eigenen Schwäche bewusst ist, gibt man sein Bestes. Auf der Arbeit resultiert die Angst daraus, eventuell eine falsche Entscheidung zu treffen. Wann man dann aber eine Entscheidung getroffen hat, gibt man alles oder man setzt auf die Unterstützung des Regisseurs oder seiner Kollegen.
Universum
Mütter und Töchter
Ricore: Wie schaffen Sie die Balance zwischen Karriere und Ihrer Rolle als Mutter?

Watts: Wissen Sie, Mütter strafen sich immer selbst, wenn sie neben ihrer Aufgabe als Mutter zusätzlich arbeiten. Die Frage ist immer, ob man genug Zeit mit seinen Kindern verbringt? Letztes Jahr machte ich drei Filme. Bei zwei davon war ich zehn bis zwölf Tage unterwegs. Der dritte Film war etwas größer: "Fair Game". Das heißt, ich hatte immer noch sechs volle Monate für das Privatleben. Meine Schwester hat einen Zehn-Stunden-Tag und bekommt ihre Tochter nur morgens zwei Stunden zu sehen. Das ist bei mir als Schauspielerin anders. Ich verbringe weitaus mehr Zeit mit meinen Kindern als andere Frauen in anderen Berufen.

Ricore: Viele Schauspielerinnen haben Bedenken, ab einem bestimmten Alter sexuell aktive und attraktive Frauen zu verkörpern. Sie hingegen scheinen keine Probleme damit zu haben, attraktive, reiche und dynamische Frauen darzustellen.

Watts: Ja, ich kenne diese Klischees. Aber ich hoffe, ich kann diesen ungeschriebenen Regeln die Stirn bieten. Je länger das Leben dauert, umso tiefer wird es. Die Filmrollen sollten diesen Umstand reflektieren. Und außerdem bin ich zwar nicht mehr das unschuldige Mädchen früherer Jahre. Das heißt aber nicht, dass ich keine sexy Momente mehr haben darf (lacht).

Ricore: Würden Sie auch gerne mal Theater spielen?

Watts: Ja, das würde ich gerne. Aber das müsste das richtige Stück sein.

Ricore: Wollen Sie auch mit ihrem Mann Liev Schreiber in einem Stück spielen?

Watts: Am liebsten würde ich zuerst mit ihm auf der Bühne arbeiten, weil ich andernfalls zu große Angst hätte. Er ist ein toller Schauspieler und hat die Fähigkeit, andere Menschen zu motivieren und zu erhöhen.
Universum
Naomi Watts in "Mütter und Töchter"
Ricore: Aus welchem Grund haben Sie sich entschieden, in ihrem nächsten Projekt "Dream House" mitzuspielen?

Watts: Ich habe bereits in einigen Genre-Filmen mitgewirkt und "Dream House" ist ein Genre, an dem ich sehr interessiert bin (Psychothriller; Anm. der Redaktion). Wenn man außerdem noch ein Drehbuch von Jim Sheridan vorgelegt bekommt, dann kommt dieses Projekt ganz oben auf die Liste. Außerdem war Daniel Craig bereits mit an Bord.

Ricore: Sie kannten Daniel Craig bereits?

Watts: Ja, ich kannte ihn schon vorher. Daniel und Jim sind die zwei Top-Gründe, wieso ich mich an dem Projekt beteilige. Abgesehen davon war das Drehbuch einfach toll. Ich spiele darin eine Nebenrolle.

Ricore: Es handelt sich um einen Psychothriller!

Watts: Ja.

Ricore: Und wen spielen Sie darin?

Watts: Die Nachbarin.
United International Pictures (UIP)
Naomi Watts
Ricore: Eine gute oder böse Nachbarin?

Watts: Das ist ein Geheimnis. Der Plot des Films hat viele Wendungen, deshalb darf man nicht zu viel verraten.

Ricore: Wie sieht es mit "Die Vögel" aus. Wird jemals was aus dem Projekt?

Watts: Gute Frage. Fragen Sie da am besten meinen Agenten (lacht).

Ricore: Was sind Ihre nächsten Projekte?

Watts: Ich verhandle gerade über ein Filmprojekt. Die Arbeit daran würde allerdings erst Ende des Jahres beginnen. Ich weiß nicht, ob ich jetzt schon darüber reden darf, aber es wird ein toller Film.

Ricore: Handelt es sich dabei um ein Studio-Projekt?

Watts: Nein, es ist eine unabhängige Produktion.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch
erschienen am 3. Juni 2011
Zum Thema
Die in Großbritannien geborene Naomi Watts zieht im Alter von 14 Jahren mit ihrer Familie nach Sydney. Ihr Vater ist Toningenieur bei Pink Floyd und stirbt, als sie sieben Jahre alt ist. Die Tatsache, dass ihre Großmutter gebürtige Australierin ist, erleichtert den Weg zur australischen Staatsbürgerschaft. Sie besucht mehrere Schauspielschulen und sammelt Erfahrungen als Model. Nach einigen Werbespots ergattert Watts eine Rolle in der australischen Fernsehserie "Home and Away". Ihren ersten..
In "Mütter und Töchter" kreuzen sich die Lebenswege dreier Frauen. Physiotherapeutin Karen (Annette Bening) leidet darunter, dass sie als 14-jährige ihr Baby zur Adoption freigab. Lucy (Kerry Washington) kann mit ihrem Ehemann keine eigenen Kinder bekommen. Daher beschließt sie, ein Kind zu adoptieren. Anwältin Elizabeth (Naomi Watts) wurde selbst adoptiert und will heute nichts von ihren leiblichen Eltern wissen. Rodrigo Garcías Drama ist ein sensibel inszeniertes Werk der leisen Töne mit..
2024