Getty Images, Paramount
Cosma Shiva Hagen
Veränderung durch Aufklärung
Interview: Vielbeschäftigte Cosma Shiva Hagen
Laut Cosma Shiva Hagen ist die Schauspielerei in letzter Zeit ein bisschen zu kurz gekommen. Das hat gute Gründe, die sie im Interview mit Filmreporter.de ausführlich erläutert. Anlässlich ihrer Sprechrolle im Animationsabenteuer "Kung Fu Panda 2 (3D)" erzählt uns die Tochter von Nina Hagen von den Herausforderungen des Synchronsprechens. Zudem gibt uns die Darstellerin Einblick in ihr Engagement in diversen Wohltätigkeitsprojekten sowie ihren Job als Barbetreiberin.
erschienen am 16. 06. 2011
Paramount Pictures
Kung Fu Panda 2
Ricore: Sie haben mehrfach als Synchronsprecherin gearbeitet. Was reizt Sie an diesem Job?

Cosma Shiva Hagen: Es liegt an der Abwechslung. Man freut sich als Schauspielerin, wenn man auch mal andere Sachen machen kann. Bei Synchronrollen ist es immer schön, wenn es große Filme sind, die man selber gerne sieht.

Ricore: Ist die Synchronarbeit für Sie als Schauspielerin eine besondere Herausforderung?

Hagen: Es ist natürlich etwas anders, letztendlich aber doch das Gleiche. Anders ist es, weil man seinen Körper nicht so einsetzen kann. Als Schauspieler fuchtelt man oft rum oder ist zu laut für das Mikro, so dass man es oft wiederholen muss. Doch ich glaube, die wollen Schauspieler dabei haben, um die Werbetrommel zu rühren. [lacht]

Ricore: Sehen Sie sich selber gerne Animationsfilme an?

Hagen: Ja, sehr gerne, speziell die von Pixar und Walt Disney, von denen es bereits in meiner Kindheit schöne Sachen gab.

Ricore: Sehen Sie sich vor der Synchronarbeit die Originalversion des Animationsfilms an?

Hagen: Ja, wir schauen uns vorher die Originalfassung an, um zu sehen, wie die Geschichte im Original umgesetzt wurde. Man muss sich ein bisschen daran halten, da der Film originalgetreu wiedergegeben werden soll. Etwas Spielraum hat man aber natürlich, um eigene Farben einzubringen.
Getty Images, Paramount
Cosma Shiva Hagen und Bettina Zimmermann auf der Premiere von "Kung Fu Panda 2" in Berlin
Ricore: Wären Sie auch bei einem dritten Teil von "Kung Fu Panda" dabei?

Hagen: Wahrscheinlich ja, weil ich die Figur ja auch in den ersten beiden Teilen gesprochen habe und es ansonsten wohl etwas komisch wäre. Bei diesem Film war ich überrascht, weil zweite Teile ja oft langweilig sind. Das ist aber hier nicht der Fall, weil sich die Charaktere weiterentwickeln. Zum Schluss wird einiges offen gelassen, von dem man gerne erfahren würde, wie es in einem dritten Teil weitergeht.

Ricore: Wurden die Rollen getrennt eingesprochen?

Hagen: Ja, sonst würde man sehr lange Wartezeiten haben. Zusammen könnte man das, denke ich, nur schwer realisieren.

Ricore: Mussten Sie sich zu Beginn Ihrer Schauspielkarriere dagegen wehren, in bestimmte Rollentypen gezwängt zu werden, da sie eine prominente Mutter haben?

Hagen: Nein, im Gegenteil. Ich habe eher das Gefühl, wenn man bekannte Eltern hat, kann es in jede Richtung gehen. Es gibt ja viele Leute in diesem Beruf, die bekannte Eltern haben. Es kommt immer darauf an, was man selber daraus macht und was man für einen Charakter hat. Es gibt auch viele Ärzte, deren Eltern auch Ärzte waren. Man wird in ein bestimmtes Umfeld geboren und dann kann man selber entscheiden, ob man das machen will oder nicht. Aber das heißt noch lange nicht, dass man damit auch Erfolg hat. Ich habe eher das Gefühl, dass es keine Vorurteile gibt, schließlich hat es die letzten fünfzehn Jahre geklappt. Das würde nicht gehen, wenn man gänzlich untalentiert wäre. Dann würde der Name für eine kurze Zeit was bringen, aber nicht über all die Jahre.

Ricore: Gab es auch Phasen, in denen Sie an Ihrer Karriere gezweifelt haben?

Hagen: Ja, das hat man immer wieder, auch in anderen Berufen. Es ist wohl normal im Leben, dass man Sinnkrisen hat und überlegt, ob es das ist, was man machen will oder etwas ganz Neues beginnen möchte. Ich glaube, das geht jedem so.
UIP
Cosma Shiva Hagen in "7 Zwerge - Männer allein im Wald"
Ricore: Gibt es Traumrollen, die Sie gerne spielen würden?

Hagen: Nein, es kommt immer auf die Geschichte an. Traumvorstellungen hat man eigentlich nicht.

Ricore: Sie sind sozial sehr engagiert. Haben Sie das Gefühl, dass Sie die Welt dadurch ein Stück weit verändern können?

Hagen: Das kann man insofern, als dass Menschen, die sich mit bestimmten Themen noch nie auseinandergesetzt haben, aufgeklärt werden. Das finde ich wichtig. Ich habe immer das Gefühl, dass manche Leute gar nicht wissen, dass sie immer eine Wahl haben im Alltag, um selber eine Balance zu finden, mit der man leben kann. Auf diese Weise will man vielleicht anfangen, etwas zu tun oder etwas an seine Kinder weiter geben und Freunde inspirieren. Ich habe zwar viele karitative Sachen gemacht, aber ich mache mich nie selber schöner, als ich bin. Ich habe eher angefangen, mich mit diesen Themen auseinanderzusetzen, weil ich selber gemerkt habe, wie schwer es ist, sich im Alltag immer politisch und ethisch korrekt zu verhalten.

Ricore: Inwiefern?

Hagen: Ich setze mich zum Beispiel für PETA ein, bin also gegen Pelze und Wildtiere in Gefangenschaft, aber ich bin keine Vegetarierin. Ich esse hin und wieder Fleisch. Mir ist wichtig, dass es biologisches Fleisch ist und dass man wenig Fleisch isst. Aber ich bin keiner, der mit dem Zeigefinger sagt, wie etwas zu sein hat. Da muss jeder seinen eigenen Weg finden. Aber die Leute müssen Bescheid wissen, wie ihr Fleischkonsum dazu beiträgt, dass in der Massentierhaltung die Würde des Tieres nicht gegeben ist. Beim Fairen Handel ist es genauso. Ich kaufe mir auch Sachen von Designern oder NIKE-Schuhe, ohne darüber nachzudenken. Oder wenn man es im Supermarkt eilig hat und kein Fair Trade-Kaffee da ist, kauft man stattdessen einen anderen Kaffee. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass man durch fairen Handel rohstoffreiche Länder, die ausgebeutet werden, unterstützen kann. Ich finde, dass Jugendliche darüber zu wenig informiert werden.

Ricore: Haben Sie das Gefühl, dass Sie die Leute nicht nur durch Ihr soziales Engagement, sondern auch als Schauspielerin erreichen?

Hagen: Das weiß ich nicht. Das hofft man natürlich immer. Man macht Filme, weil man Geschichten erzählen will und weil man selber gerne in eine andere Welt entführt wird. Man bekommt ja auch selbst eine Botschaft mit, wenn man Filme schaut und man hofft, dass einem das auch gelingt. Das ist nicht immer möglich, weil nicht alle Filme eine große Botschaft haben. Manchmal muss man einfach nur Geld verdienen, so wie jeder andere auch. Aber man hofft, dass man im Kleinen, ob nun bei karitativen Sachen oder einfach mit schönen Geschichten, die Leute erreichen kann. Wahrscheinlich ist das nicht immer so.
UIP
Cosma Shiva Hagen in "7 Zwerge - Der Wald ist nicht genug"
Ricore: Würden Sie sich als optimistischen Menschen bezeichnen?

Hagen: Ich habe früher viel für das Flüchtlingshilfswerk UNHCR gearbeitet. Auch für Kinder und Aidswaisen engagiere ich mich. Oft war es so, dass man Schulen gebaut hat und dann das Gefühl hatte, dass nach dem Ende eines Bürgerkriegs alle wieder weg sind, die Gebäude leer stehen und sich keiner darum kümmert. Wenn man immer denkt, dass alles lediglich ein Tropfen auf dem heißen Stein ist, würde man gar nichts erreichen. Bei Fair Trade habe ich mich so stark engagiert, weil ich das erste Mal das Gefühl hatte, dass da wirklich nachhaltig was erreicht werden kann. Es wäre schön, wenn es Gesetz wäre, fair zu handeln.

Ricore: Schränkt es Sie ein, als Schauspielerin und öffentliche Person immer wieder ein Beispiel für andere zu sein?

Hagen: Ich sehe das nicht so. Ich verstehe, dass man ein Vorbild ist und auch als solches fungieren sollte. Aber ich krieche den Leuten nicht gerne in den Arsch oder spiele ihnen was vor. Mir ist es wichtig, mir selbst und anderen gegenüber ehrlich zu sein und nicht so zu tun, als könnte ich das alles besser, sondern einfach nur zu informieren.

Ricore: Inwiefern denken Sie, hängt Ihr soziales Engagement mit Ihrer Erziehung zusammen?

Hagen: Ich denke, in gewisser Weise ist es Teil der Erziehung. Ich bin mit vielen sozialkritischen Menschen groß geworden, etwa Wolf Biermann, meiner Großmutter und meiner Mutter sowie Leute aus deren Umfeld wie Punks und philosophische Leute. Dadurch werden einem diese wichtigen Themen in die Wiege gelegt.

Ricore: Sie haben inzwischen ja eine eigene Bar, die Sichtbar. Da lässt sich das Kreative mit dem sozialen Engagement doch sicherlich gut vereinbaren.

Hagen: Ja, die Bar ist wie ein kleines Wohnzimmer geworden. Einerseits arbeitet man dort als Gastronomin, um den Laden zusammenzuhalten und Künstler zusammenzubringen und andererseits, um die karitativen Sachen mit einfließen zu lassen. So haben eigentlich immer alle was davon. Das war der Grundgedanke beim Konzept der kleinen Kunstbar.
UIP
Cosma Shiva Hagen in "7 Zwerge - Der Wald ist nicht genug"
Ricore: Steht das nicht der Wirtschaftlichkeit entgegen?

Hagen: Absolut. Das ist ein ganz schmaler Grat, der sehr schwierig ist. Man muss wirtschaftlich denken und andererseits aber auch bereit sein, etwas zu geben. Wir versuchen, den Laden voll zu kriegen und gastronomisch etwas davon zu haben. Gleichzeitig spenden manche Künstler ihre Erlöse für karitative Zwecke. Das müssen wir natürlich immer ein bisschen aufteilen, so dass wir kein Minus machen, die Künstler was davon haben und auch etwas für das Karitative bleibt.

Ricore: Bringen Sie sich selbst künstlerisch ein?

Hagen: Ich mache das Programm und bringe viele der Künstler rein. Manchmal lege ich auch auf. Das ist schon ziemlich viel. [lacht]

Ricore: Kommt das gesteigerte ökologische Interesse Ihrer Bar zugute?

Hagen: Ja, wobei es schwierig ist. Ich kann für den Laden zum Beispiel nicht alles von Fair Trade holen, da es wirtschaftlich nicht bezahlbar wäre. Aber in kleinen Dingen kann man das auf jeden Fall machen. Wir haben zum Beispiel Fair Trade-Limonade, -Eistee, -Kaffee und -Zucker. Wir machen auch viele Fair Trade-Veranstaltungen.

Ricore: Inwiefern hilft Ihre Prominenz dem Laden?

Hagen: Einerseits hilft es natürlich, um Werbung zu machen. Andererseits hält es manche Leute auch davon ab, dort hinzugehen. [lacht]
Getty Images, Paramount
Cosma Shiva Hagen auf der Premiere von "Kung Fu Panda 2" in Berlin
Ricore: Sind Sie selbst oft dort?

Hagen: Absolut, denn ich bin die alleinige Eigentümerin und mache das Programm fast alleine. Als Chef muss man immer in allen Bereichen ein Halbwissen haben. Ich muss mich mit der Kasse auskennen, Bier zapfen und Cocktails machen können. Man muss dem Team zeigen, dass man sich auskennt und für andere einspringen kann. Es ist schon schwierig, man sitzt einerseits im Büro und macht das Programm und muss aber auch abends darauf achten, dass alles läuft. Man muss Gastgeber sein und hinterm Tresen stehen. Andererseits kann man manchmal aber auch nicht da sein, weil man Geld verdienen muss. Es ist nämlich noch nicht so, dass man damit Geld verdienen kann. Dann muss man darauf vertrauen, dass es läuft, auch wenn man nicht da ist. Es ist ein ziemlicher Spagat, aber wir kämpfen dafür, dass es gut ausgeht.

Ricore: Wie geht es bei Ihnen schauspielerisch weiter?

Hagen: Ich hör jetzt erst mal auf, soviel Werbung zu machen. Das war eine schöne Zeit und das hat mir auch geholfen, um den Laden über Wasser zu halten. Aber es ist für mich auch manchmal schwierig, weil es meinem Naturell nicht entspricht. Ich fange jetzt wieder an, Hörbücher zu machen und habe eine Hauptrolle mit Lars Becker, Ken Duken und Uwe Ochsenknecht gedreht. Ich habe mich so sehr um meinen Laden gekümmert, dass die Schauspielerei ein bisschen untergegangen ist und ich hoffe, dass jetzt wieder neue Angebote kommen.

Ricore: Haben Sie auch das Gefühl, dass momentan fast alle Prominente Werbung machen.

Hagen: Wir müssen nun mal alle irgendwie Geld verdienen. Gerade bei Leuten wie meiner Mutter, bei mir oder anderen Leuten, die viel Zeit für Karitatives aufbringen, ohne Geld dafür zu bekommen. Man macht das gerne, aber man braucht dann natürlich auch wieder Geld, um dies weiterführen zu können. Das ist wie bei der Katze, die sich in den Schwanz beißt. Man muss dann wieder etwas machen, hinter dem man zwar steht, weil man es nur bei Firmen macht, von denen man überzeugt ist. Doch andererseits macht man das natürlich auch, um sich eine gewisse persönliche Freiheit aufzubauen und Zeit und Geld zu haben, um sich auch um andere Sachen kümmern zu können.

Ricore: Was wünschen Sie sich für Ihre berufliche und private Zukunft?

Hagen: Auf jeden Fall Gesundheit. Das klingt immer so abgedroschen, aber man merkt es immer wieder, wenn Freunde krank werden. Dann merkt man, dass Gesundheit eines der wichtigsten Dinge ist, die wir haben. Beruflich wünsche ich mir, dass man nicht so viele Sachen machen muss, die man nicht unbedingt machen will, sondern dass vielleicht der Laden irgendwann so läuft, dass man auch davon leben kann.

Ricore: Sind persönliche Erlebnisse ausschlaggebend dafür, dass man sich sozial engagiert?

Hagen: Ja, so ging es mir, als ich die ersten Male in Afrika war. Ich habe dort die Menschen kennengelernt und fand es großartig, wie sie mit ihrer Situation umgehen und so wenig meckern. Sie haben eine Lebensfreude, die unseresgleichen teilweise fehlt. Wir meckern über das Wetter, was für sie total undenkbar wäre. Das hat mich sehr fasziniert. Wenn man dann nach Hause fährt, ist es so, als würde man Bekannte oder Freunde im Stich lassen, wenn man nicht weitermacht. Das treibt einen natürlich an.

Ricore: Weiterhin viel Erfolg und vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 16. Juni 2011
Zum Thema
Als geschätzter Drachenkrieger gehört es zu den Aufgaben von Panda Po, das Tal des Friedens zu beschützen. Dieses gerät in Aufruhr, als sich ein mächtiger Gegner ankündigt und mit einer geheimen Waffe China erobern will. Po muss sich der Herausforderung stellen und all sein Können zur Verteidigung des Landes aufbringen. In "Kung Fu Panda 2" leihen in der englischsprachigen Originalfassung unter anderem Angelina Jolie, Jackie Chan sowie Dustin Hoffman den Figuren ihre Stimmen.
Cosma Shiva Hagen wird 1981 als Tochter der Sängerin und Schauspielerin Nina Hagen in Los Angeles geboren. In ihrer Kindheit muss sie regelmäßig umziehen. Ihr Weg führt sie über London, Paris, Ibiza und Lüneburg nach Hamburg, wo sie zu ihrer Großmutter Eva-Maria Hagen zieht. Die Sängerin ermöglicht dem Teenager auch den Einstieg ins Filmgeschäft. Das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Großstädter zur Paarungszeit" (1998) macht sie zum ersten Mal das breite Publikum auf sich aufmerksam. Es..
2024