Paramount Pictures
J.J. Abrams bei der "Star Trek"-Premiere in Sydney
Kinder und Monster
Interview: Wird J.J. Abrams nostalgisch?
Nachdem er Fernsehserien wie "Lost" seinen Stempel aufgedrückt hat, feiert J.J. Abrams auch im Kino Erfolge. In seinem Leinwandabenteuer "Super 8" steht eine Gruppe von Kindern im Mittelpunkt, die einen Film drehen wollen, dabei aber Zeuge einer verheerenden Katastrophe werden. Mit dem Werk verbeugt sich Abrams vor Steven Spielbergs Science-Fiction-Klassikern. Warum er bereits als Jugendlicher für den renommierten Regisseur gearbeitet hat, erzählt Abrams im Interview mit Ricore Text. Zudem blickt er auf eigene Kindheitserlebnisse mit der Super 8-Kamera zurück und verrät, warum er etwas gegen Filme mit einer fortlaufenden Nummerierung hat.
erschienen am 3. 08. 2011
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Super 8
Ricore: Wie verlief die kreative Zusammenarbeit mit Steven Spielberg bei "Super 8"?

J.J. Abrams: Es war ein surreales und spektakuläres Privileg. Er war in die Story-Meetings involviert und sagte nach Monaten schließlich, dass ich das Drehbuch schreiben solle. Ich arbeitete an der Geschichte so lange, dass er zu mir sagte: "Geh einfach und schreib es, hör auf darüber zu reden." [lacht] Er war beim Vorsprechen der Schauspieler dabei und saß stundenlang mit mir im Scheideraum. Er ist so sehr mit anderen Projekten beschäftigt und dennoch gab er mir das Gefühl, als wäre ich der einzige, mit dem er zusammenarbeite.

Ricore: Als Jugendlicher haben Sie an Spielbergs alten 8mm-Filmen gearbeitet. Wie war das für Sie?

Abrams: Das war unglaublich. Er realisierte diese Filme, "Verborgenes Feuer" und "Escape to Nowhere", als er selbst noch ein Teenager war. Matt Reeves und ich machten ebenfalls Filme, als wir Teenager waren. Wir waren damit auf dem Super 8-Film-Festival und es erschien ein Artikel darüber in der Los Angeles Times. Steven las den Artikel, sah ein Bild von uns und ließ sein Büro Matt anrufen, um zu erfahren, ob wir seine alten Filme restaurieren wollten. Wir waren fassungslos und sagten zu. Wir restaurierten sie und schauten uns diese Filme an, die viel besser als unsere waren. Es war inspirierend zu sehen, dass auch er mal klein angefangen hatte. 1982 war es eigentlich nicht möglich, die ersten Filme eines bekannten Regisseurs wie Steven Spielberg zu sehen. So ermöglichte er uns die Sicht auf einen Prozess, der ermutigend für uns war.

Ricore: Spielberg hat Ihnen also von Anfang an vertraut.

Abrams: Ich verstehe nicht warum. Ehrlich, es ergibt einfach keinen Sinn für mich. Ich stellte mir vor, wie er eines Tages sagen würde, dass das gar nicht die Originale, sondern nur Kopien wären. Wieso sollte er 15-jährigen Fremden Teenagern seine Originale geben? Es machte einfach keinen Sinn.
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J.J. Abrams bei der "Star Trek"-Premiere in Berlin
Ricore: Haben Sie nie mit ihm darüber geredet?

Abrams: Die ganze Zeit. Doch er sagte bloß, er wüsste, dass wir uns um seine Filme gut kümmern würden. Er könnte das anhand unserer eigenen Filme beurteilen. Ich dachte mir nur: "Was?"

Ricore: Was geschah mit Ihren eigenen Super 8-Filmen?

Abrams: Die meisten davon sind bei mir zu Hause. Witzigerweise habe ich heute eine E-Mail von jemandem bekommen, der wohl einen Film mit mir gemacht hat, als ich ein Kind war und der diesen Film besitzt. Ich habe den Typen seit über 30 Jahren nicht gesehen. In der E-Mail sagte er, dass er mir den Film zuschicken könnte, wenn er Geld dafür kriegen würde. Ich dacht mir: "Oh mein Gott, Erpressung!" [lacht] Diese Filme waren alle furchtbar, einfach lächerlich. [lacht] Doch ich besitze noch die meisten davon.

Ricore: Worum ging es in diesen Filmen?

Abrams: Der erste Film, den ich gemacht habe, hatte keine Geschichte. Ich probierte so einfach die Kamera aus. Normallerweise machte ich gewalttätige, verrückte Mord- und Kampf-Szenen sowie Verfolgungsjagden. Ich war schon immer besessen von Make-Up-Effekten. Ich schickte Fan-Briefe an Make-Up-Künstler, als ich 13, 14 Jahre alt war. Einer der ersten Briefe ging an Dick Smith, der unter anderem an "Der Exorzist" und "Der Pate" gearbeitet hat. Als ich eines Tages von der Schule nach Hause kam, lag da diese kleine Box, auf der als Absender Dick Smith stand. Im Inneren der Box befand sich eine Zunge aus "Der Exorzist". Es war die Zungenverlängerung, die Linda Blair getragen hatte.
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J.J. Abrams am Set von "Super 8"
Ricore: Wie hat Ihre Mutter darauf reagiert?

Abrams: Meine Mutter fragte mich: "Ein Mann hat dir eine Zunge zugeschickt? Was soll denn das?" [lacht] Meine Kindheit drehte sich oft um solch seltsame Dinge. Ich stellte dauernd künstliches Blut her und klaute das Make-Up meiner Mutter, um die Leute so aussehen zu lassen, als ob sie gerade einen heftigen Kampf ausgetragen hätten. In meinen Filmen ging es also oft darum, Modelle zu erstellen und Dinge in die Luft zu jagen. Erst mit 14 oder 15 fing ich an, Geschichten mit einer Handlung zu erzählen.

Ricore: Gab es wie in "Super 8" auch bei Ihren ersten Dreherfahrungen ein furchteinflößendes Erlebnis?

Abrams: Etwas derart furchterregendes ist nicht passiert. Doch ich erinnere mich, dass ich mir gewünscht habe, dass irgendetwas geschehen würde, was ich für den Film verwenden könnte. Denn es passierte einfach nichts. Schon, wenn wir im Auto unserer Eltern fuhren und dabei drehen durften, hatten wir die verzweifelte Hoffnung, dass es den Produktionswert unserer Filme steigern würde. Als wir bei der Postproduktion von "Super 8" mit Ben Burke am Sound gearbeitet haben, zeigte er mir einen Super 8-Film, den er als Kind gemacht hatte. Im Film sollte es einen Zugunfall geben und dann kam es tatsächlich zu einem, so dass er dorthin ging und die Stelle filmte. Ich dachte, er nimmt mich auf den Arm. Das war unglaublich, fast so wie bei unserem Film.

Ricore: Woher kommt Ihre Faszination für Monster?

Abrams: Zum Teil kommt es wohl daher, dass ich schon immer Magie liebte, die Illusion, mit der man Leute an etwas glauben lässt, das nicht real ist, verschwindet oder die Form verändert. Das erste Monster, an das ich mich erinnere, war eigentlich kein Monster. Es war Charles Laughtons Interpretation des Glöckners von Notre Dame. Ich erinnere mich, dass ich unglaublich geweint habe, weil die Geschichte so traurig war. Die Make-Up-Effekte waren erstaunlich. Es sah so unheimlich aus, doch es war auch sehr emotional und mitreißend. Für mich war es aufregend, dass eine Kreatur nicht nur furchteinflößend ist, sondern auch ein emotionales Innenleben hat, mit dem man mitfühlen kann. Zudem liebe ich Make-Up- und visuelle Effekte, so dass Monster für mich eine sichere Möglichkeit bieten, sich zu fürchten.
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J.J. Abrams am Set von "Super 8"
Ricore: Inwiefern?

Abrams: Wir wissen alle, dass diese Monster nicht real sind und doch haben wir alle Angst vor etwas. Monster können so zu Allegorien einer realen Furcht werden. Das liebte ich auch an der "Twilight Zone". Rod Serling nutzte Monster, Aliens und Science-Fiction, um Dinge wie soziale Ungerechtigkeiten, Rassismus oder die Angst vor Kommunisten zu thematisieren.

Ricore: Wie haben Sie die Super 8-Szenen, die im Film zu sehen sind, umgesetzt?

Abrams: Während wir den Film machten, sagte ich den Kindern, dass es bestimmte Szenen gibt, die sie selbst schreiben sollten. Ich wollte, dass sie an der Entstehung beteiligt sind. Nach nur zwei Minuten kamen sie bereits zurück und ich fragte sie, ob sie nicht wenigstens fünf Minuten investieren könnten, bloß ein bisschen länger. [lacht] Das taten sie dann auch und ich nahm anschließend einige Änderungen vor und fügte ein paar Dinge hinzu. Beim Filmen der Szenen wurde die Kamera so positioniert, wie wir damals dachten, dass es schließlich clever und cool aussehen würde. [lacht] Das war eine heikle Angelegenheit, denn ich wollte nicht, dass es zu schlecht aussieht. Es musste sich anfühlen, als ob man versuchen würde, dass es gut aussieht, obwohl es schließlich trotzdem schlecht wird, wie es bei diesen Filmen nun mal ist.

Ricore: Wie schwer war das Drehen dieser Szenen für die Kinder?

Abrams: Die Kinder waren großartig beim Spielen der Kinder, die wiederum in einem Film mitspielen. Es gibt eine Szene, in der das Kind den Ermittler spielt und den Arzt fragt, wie viele Gegenmittel dieser hergestellt habe. Diese Szene ist meiner Meinung nach zu gut geworden. [lacht] Er ist ein wirklich guter Darsteller und es fühlte sich etwas zu real an und wirkte nicht so schwerfällig, wie es eigentlich geplant war.
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J.J. Abrams
Ricore: Sollte "Super 8" von Anfang an ein Film werden oder gab es auch Pläne für eine Serie?

Abrams: Es war definitive als Film mit Anfang, Mitte und Ende geplant. Das Drehen mit den Kindern hat allerdings so viel Spaß gemacht, dass ich gerne weitergemacht hätte. Das Problem beim US-Fernsehen ist aber, dass eine Serie so viele Staffeln und Episoden hat, dass man einen Antagonisten oder eine treibende Kraft gebraucht hätte. Es wäre schwer gewesen, herauszufinden, worum es in der Serie gehen könnte.

Ricore: Interessanterweise sind viele US-Serien heutzutage komplexer und anspruchsvoller als ein großer Teil der Hollywood-Filme. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Abrams: Früher hatte das Fernsehen den Ruf, dass es das minderwertigere Medium sei. Inzwischen hat sich das aber geändert. Nun gibt es Schauspieler, Drehbuchautoren und Regisseure, die zwischen den Medien hin- und herwechseln. Zudem sind die Film-Studios im Hinblick darauf, was sie glauben verkaufen zu können, zunehmend vorsichtiger geworden. Autoren, die etwas anderes machen wollten, als Fortsetzungen oder Comic-Verfilmungen, sind woanders hingegangen, um ihre Geschichten zu erzählen. Und so sind sie beim Fernsehen gelandet. Das ist aufregend, es gibt großartige Arbeiten im Fernsehen. Doch Dinge entwickeln sich zyklisch und ich hoffe, dass es nicht bei dem Trend bleibt, dass die Mehrzahl der Hollywood-Filme eine Zahl am Ende ihres Titels haben - auch wenn das bei "Super 8" auch der Fall ist. Als jemand, der selbst Fortsetzungen gedreht hat, habe ich nichts dagegen, aber es sollte eben auch neue Geschichten geben.

Ricore: Es scheint so, als ob beim Film die Studios den Ton angeben, während bei Fernsehserien die Autoren die kreative Kontrolle haben.

Abrams: Es ist erstaunlich, wenn man sich die "Twilight Zone"-Blu-rays anschaut, auf denen Rod Serling diese kleinen Werbefilme für die nächste Episode macht. Er verrät den Titel der Episode, erzählt, worum es geht und wer sie geschrieben hat. Sich selbst nannte er nicht, doch er nannte andere Autoren wie Matheson. Das Verblüffende daran ist, dass er zu einem Publikum über Autoren sprach, von denen viele nie etwas gehört hatten. Er zeigte einen Respekt vor den Autoren, welcher der Serie "Playhouse 90" entsprach, in der großartige Autoren wie Serling selbst fantastische Drehbücher schrieben, die wie Bühnenstücke waren. Später nahm das wieder etwas ab und tolle Autoren haben wieder die Möglichkeit bekommen, ihre Geschichten im Fernsehen zu erzählen.
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J.J. Abrams am Set von "Super 8"
Ricore: Im Gegensatz zu den USA war "Lost" in Deutschland nicht bis zuletzt erfolgreich. Inwieweit verfolgen sie die Erfolge ihrer Serien in anderen Ländern?

Abrams: Ich verfolge das nicht in jedem Land. Doch ich denke, dass es bei einer Serie wie "Lost" oder "Alias" absolut normal ist, dass manche den Anschluss verlieren. Es sind komplizierte Serien, denen man nur schwer folgen kann, wenn man nicht jede Episode schaut. Nicht viele Leute widmen sich einer Serie in dem Maße. Es ist sehr schwierig, die Balance zu finden zwischen einer fortlaufenden Handlung mit sich entwickelnden Charakteren und einer Erzählung, bei der man jederzeit einsteigen kann. "Lost" sollte nie eine Serie sein, zu der man leicht Zugang findet. Hätten wir bei ihr das Gegenteil versucht, wäre sie überhaupt nicht erfolgreich gewesen.

Ricore: Sind Sie ein nostalgischer Mensch?

Abrams: [in schwelgendem Ton] Das war ich früher mal. [lacht] Nicht wirklich, doch als ich Kind war, liebte ich es, Filme zu machen. Daher hatte ich Freude daran, zurückzublicken. So war es auch, als ich "Felicity" geschrieben habe, eine Serie über die College-Zeit. Ich liebte das College und es macht mir nichts aus, auf bestimmte Momente zurückzublicken. Doch im täglichen Leben blicke ich nicht dauernd zurück, so bin ich nicht. Ich habe allerdings jemanden in meiner Familie, der immer nostalgisch wird und bei dem ich denke: "Gott, das ist verrückt." Es ist unglaublich, wie manche Leute immer nur in der Vergangenheit leben.

Ricore: Gibt es ein Werk, von dem Sie grundsätzlich kein Remake machen würden, weil sie das Original zu sehr schätzen?

Abrams: Man hat mir angeboten, einen "Twilight Zone"-Film zu realisieren und ich wollte das auf keinen Fall machen. Ich würde ihn mir gerne anschauen, aber für mich würde es sich wie ein Sakrileg anfühlen.

Ricore: Denken Sie, dass Ihr Film auch andere Nachwuchsregisseure dazu inspirieren wird, Super 8-Filme zu drehen?

Abrams: Witzigerweise haben mir Leute geschrieben, dass manche Kinder angefangen haben, ihre eigenen Filme zu machen. Ein Elternpaar hat mir erzählt, dass deren Tochter einen Ein-Akter geschrieben habe, nachdem Sie "Super 8" gesehen hat. Heutzutage ist es viel einfacher, Filme zu machen, als 1979. Anstatt in den Kameraladen gehen zu müssen, kann man einfach sein Handy benutzen und den Film sogar mit dem Handy schneiden. Es ist verrückt. Ich hoffe, dass es ein Nebeneffekt meines Filmes ist, das Ziel war es aber nicht, andere Leute zum Filmemachen zu inspirieren. Doch es hat damals Spaß gemacht, sich mit 13, 14 Jahren selbst auszudrücken, Ideen auszuprobieren und sich wie ein Erwachsener zu verhalten. Es bot uns die Möglichkeit, als Kinder neues Terrain zu erkunden, bevor wir zu jungen Erwachsenen wurden. Darum geht es auch in "Super 8", um das Ende der Unschuld während dieser Zeit.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 3. August 2011
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Schon als Kind dreht J.J. Abrams seine ersten Super 8-Filme. Nachdem der gebürtige New Yorker am Armageddon - Das jüngste Gericht" beteiligt. Größere Aufmerksamkeit wird ihm durch seine Fernsehserien "Alias - Die Agentin" und "Lost" zuteil, bei denen er als Produzent, Autor und Regisseur fungiert. Als Tom Cruise sich "Alias" anschaut, ist der Schauspieler so begeistert, dass er Abrams für "Mission: Impossible III" an Bord holt. Star Trek"-Franchise einer Frischzellenkur und dreht einen Film..
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