Majestic Filmverleih
Marcus H. Rosenmüller ("Sommer in Orange")
Hilft die Meditation?
Interview: Marcus H. Rosenmüller heimatlich
Marcus H. Rosenmüller ist Regisseur moderner Heimatfilme. "Wer früher stirbt, ist länger tot" sowie "Beste Zeit" und "Beste Gegend" spielen alle in Bayern. Das trifft auch auf "Sommer in Orange" zu, in dem es um eine Kommune aus den 1980er Jahren geht. Im Interview mit Filmreporter.de erläutert der Filmemacher, weshalb eine schöne Kulisse für einen Film besonders wichtig ist. Ebenfalls erklärt der Regisseur, was ihn seit seiner Zeit an der Filmhochschule begleitet und wann die Trilogie der "Beste"-Filme abgeschlossen sein wird.
erschienen am 18. 08. 2011
Majestic Filmverleih
Sommer in Orange
Ricore: Wie schwierig war es, sich mit den Begrifflichkeiten für "Sommer in Orange" auseinanderzusetzen?

Marcus H. Rosenmüller: Sekundärliteratur, Dokumentationen und eine gute Vorbereitung, so hat man irgendwann keine Probleme mehr mit den Begriffen. Es gibt wirklich gelungene Dokumentationen aus den 1980er Jahren. In Margarethenried hat es eine Kommune gegeben. Das war das Schönste für mich. Ich bekomme ein viel besseres Gespür für Menschen, wenn ich sie sehe. Man kann noch so viele Bücher lesen: Siehst du eine Kommune nur fünf Minuten, kapierst du es sofort. Zudem hatten wir das Glück, selbst einmal die dynamische Meditation auszuprobieren. Es ist schon klasse, wenn man das mal miterlebt hat.

Ricore: Wie muss man sich die dynamische Meditation vorstellen?

Rosenmüller: Es ist sehr interessant, weil es körperlich ist. Man muss sich trauen herumzuhüpfen. In der Gemeinschaft verliert man schnell seine Scham und glaubt nicht mehr, dass man blöd aussieht. Danach wird das sehr spaßig. Am Ende wird man müde und es kommt ein Ruhemoment, indem man sofort kapiert, was man dem Vorgang abgewinnen kann. Auch 30 Jahre nach diesen Kommunen merkt man, welchen Einfluss die damalige Zeit auf uns hat. Meditationen, Yoga und Kombucha-Getränke kommen daher - auch FKK. Erst gibt es große Widerstände, dann ebbt es ab. Schließlich hat sich von allem doch etwas eingeschlichen.

Ricore: Man muss die dynamische Meditation also ernst nehmen?

Rosenmüller: Man kann sich über beide Seiten lustig machen. Man kann für die Sannyasins Partei ergreifen und gegen das konservative bayrische Getue der 1980er Jahre. Es geht aber auch genau anders herum. Der Film soll vermitteln, dass man sich über andere nicht sofort lustig machen soll. Menschen müssen gucken was der Reiz an der jeweiligen Sache und das Gute daran ist. Bewegungen entstehen immer wieder, weil das andere nicht perfekt ist.
Constantin Film
Regisseur Marcus H. Rosenmüller
Ricore: Gab es in Ihrer Kindheit ähnliches?

Rosenmüller: Ähnliches in dem Sinne, dass ich in einem Dorf aufgewachsen bin. Das Stadtleben konnte ich erst viel später kennenlernen. Als junger Bursche haben verschiedene Vorbilder gesagt, was gut ist und was nicht. Weil man nichts anderes kennt, übernimmt man die Argumentation seines Umfelds. Mit wachsenden Erfahrungen ändert sich die eigene Meinung. Insofern hätte ich über das Stadtleben schon früher anderes gesagt, wenn ich es schon gekannt hätte.

Ricore: Weshalb drehen Sie immer wieder in Oberbiberg?

Rosenmüller: Das ist Zufall!

Ricore: Liegt es eventuell daran, dass Sie hier alles bekommen, was Sie benötigen?

Rosenmüller: Es hat bisher alles gut geklappt. Die Menschen, die hier etwas entscheiden, damit wir drehen können, waren überraschend zugänglich.

Ricore: Außer dem Landratsamt. Das stellt sich doch wegen dem Straßenlärm quer, oder?

Rosenmüller: Ja, weil es gerade eine Umleitung gibt und noch eine andere Straße gesperrt ist. Das ist das Problem. Sie können nicht noch mehr umleiten. Wenn sie unsere Straße auch noch zu sperren, geht gar nichts mehr. Bei "Wer früher stirbt, ist länger tot" haben wir ein ähnliches Problem. Als wir mit dem Dreh begonnen haben, haben die mit dem Straßenaufriss angefangen.
Majestic Filmverleih
Marcus H. Rosenmüller beim Dreh von "Sommer in Orange"
Ricore: Wann folgt der dritte Film der "Besten"-Reihe?

Rosenmüller: Ich bin nicht der Drehbuchautor. Deshalb muss ich warten, bis der Autor sagt, dass es fertig ist. Sobald ich das Drehbuch habe, kann ich sagen, wann wir mit den Dreharbeiten beginnen werden. Außerdem muss der Produzent das Projekt finanziell noch auf die Beine stellen. Ich finde es aber nicht schlimm, dass es so lange dauert.

Ricore: Was war ausschlaggebend für Ihre Zusage zu "Sommer in Orange"?

Rosenmüller: Mir hat das Drehbuch sehr gut gefallen. Einerseits die klare Sichtweise von Lili. Andererseits Leela, mit der man im Leben etwas anfangen kann. Mal ist sie einem zu feige mal zu konservativ. Manchmal findet man aber gerade das gut. Aber man muss lernen, was einem gefällt und was anerzogene Verhaltensweisen sind.

Ricore: Ist Bayern im Vergleich zu den 1980er Jahren lässiger geworden?

Rosenmüller: Mit Sicherheit. In manchen Punkten besteht aber immer noch Nachholbedarf. Das ist der entscheidende Punkt. Heranwachsende lernen Regeln kennen und wissen nicht, warum sie wichtig sind oder für wen. Sie müssen erst für sich erfahren, was die Regel bedeutet und weshalb der eine etwas anders macht, als der andere. Sie müssen ihren eigenen Weg finden. Es ist immer das Gleiche. Deshalb glaube ich, dass es vor allem bei Jugendlichen manches zum Aufarbeiten gibt.

Ricore: Wäre das Rauchverbot ein Beispiel?

Rosenmüller: Da gibt es viele Ansichten. Ich war schon immer der Meinung, dass es jedermanns eigene Sache ist. Aber wenn dann eine Person neben mir hockt und raucht, ist das natürlich schwierig.
Eurovideo
Wer früher stirbt, ist länger tot
Ricore: Wie wichtig ist eine tolle Kulisse, damit das Flair der Geschichte beim Zuschauer ankommt, oder sich die Schauspieler beim Dreh wohl fühlen?

Rosenmüller: Das ist sehr wichtig. Deshalb hat die Suche nach dem Drehort auch so lange gedauert. Früher gab es viele verlassene Höfe, die das passende Flair hatten. Heute wird alles renoviert und man lebt da schick. Deswegen war es ein besonderes Glück, dass wir diesen Ort gefunden haben. Es ist ein großer Zufall, dass er gegenüber dem Kandlerwirt liegt, wo wir "Wer früher stirbt, ist länger tot" gedreht haben. Wenn man die Zeichen nicht versteht... (lacht)

Ricore: Man kann gar nicht glauben, dass es so ein großer Zufall gewesen sein soll.

Rosenmüller: Es ist aber so. Unser Ausstatter hat schon gewusst, dass es einen Hof gibt, den wir uns ansehen könnten. Dann haben wir den Besitzer vom Szenenbild nicht herausgefunden. Danach gab es eine Annonce im Merkur und wir wollten schon den Kandlhof kontaktieren, um den Besitzer herauszufinden, als sich doch jemand auf die Annonce rührte.

Ricore: Innen wird auch gedreht?

Rosenmüller: Ja, da ist alles hergerichtet.

Ricore: Sind noch viele Originalstücke der Einrichtung erhalten?

Rosenmüller: Ja, aber es sieht schon deutlich anders aus als früher, auch wenn man sich manchmal so heimelig fühlt, dass man nicht mehr weiß, wie es vorher ausgesehen hat.
Majestic Filmverleih
Sommer in Orange
Ricore: Stört es Sie, als moderner Heimatfilmer bezeichnet zu werden?

Rosenmüller: Es stört mich nicht. Ich mache mir nicht so viele Gedanken darüber. In Wirklichkeit frage ich mich manchmal, wer eigentlich kein Heimatfilmer ist.

Ricore: Was ist Heimat?

Rosenmüller: Das ist ein schwieriges Feld. Darüber habe ich mir schon so viele Gedanken gemacht. Bei mir sind immer Dialekte und Rituale dabei. Mir wurde an der Filmhochschule gelehrt, dass man bei seinen Wurzeln bleiben soll. Vielleicht hat das damit zu tun. Das Thema eines Films muss mich berühren und mit meiner Heimat zu tun haben.

Ricore: Ist "Sommer in Orange" daher quasi ein Ausbruch?

Rosenmüller: Ich bin ja nicht ganz so bayrisch. Ich bin nicht in Tracht aufgewachsen, sondern nur mit der bayrischen Sprache. Das ist schon ein Unterschied gewesen. Da ich auch einige Zeit in Indien war, hat das Buch zum Film irgendwo mit mir zu tun.

Ricore: Haben Sie den Osho in Poona getroffen?

Rosenmüller: Gesehen habe ich ihn. Aber mitgenommen habe ich nichts. Ich habe damals keinen Zugang gefunden.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 18. August 2011
Zum Thema
Eine alleinerziehende junge Frau verlässt mit ihren beiden Kindern das hektische Berlin, um in einer Sannyasin-Kommune in der bayerischen Provinz ihr Glück zu finden. Für ihre Kinder ist der neue Lebenswandel ihrer Mutter ein Ärgernis. Vor allem die Tochter leidet zunehmend an der sozialen Ausgrenzung durch ihre Mitschüler. Sie beginnt ein Doppelleben zwischen den Ritualen der religiösen Bewegung und der bürgerlicher Anpassung. "Sommer in Orange" von "Heimatfilmer" Marcus H. Rosenmüller beruht..
Marcus H. Rosenmüller beginnt 1995 sein Studium an der Wer früher stirbt, ist länger tot" erstmals das Kinopublikum auf sich aufmerksam. Für das Werk erhält der Regisseur und Drehbuchautor unter anderem den Schwere Jungs", "Räuber Kneißl", "Sommer in Orange" und "Sommer der Gaukler" profiliert sich Rosenmüller als einer der interessantesten jungen Regisseure Deutschlands. 2014 schließt er mit "Beste Chance" seine wunderbare "Beste"-Trilogie ab, die sich durch einen ruhige, fast kontemplativen..
2024