ARD Degeto/Graf Film/Karel Kucera
Heinz Hoenig in "Russisch Roulette"
Betrüger oder Wohltäter?
Interview: Wütender Heinz Hoenig
Heinz Hoenig hat seit Filmen wie "Der große Bellheim" das Image des Raubeins. Das gefällt ihm überhaupt nicht, wie er im Interview mit Filmreporter.de deutlich macht. Aber auch in unserem Gespräch kann der Schauspieler ganz schön austeilen. So regt er sich wortstark über die 'Bescheißer' im Filmgeschäft, die deutsche Bürokratie, betrügerische Spendenorganisationen und Kriminelle in der Fernsehproduktion "Russisch Roulette" auf. Als wir mit Heinz Hoenig über seine Reiseleidenschaft sprechen, zeigt er sich von einer gelassenen, einfühlsamen Seite.
erschienen am 5. 01. 2012
Heiko Thiele/Ricore Text
Heinz Hoenig bei der Premiere von "Russisch Roulette"
Ricore: Inwiefern stimmen die in "Russisch Roulette" geschilderten Probleme polnischer Bürger in Russland mit der Realität überein?

Heinz Hoenig: Was wir in "Russisch Roulette" zeigen, stimmt recht genau mit den Verhältnissen überein, die Polen in Russland heute haben. Natürlich ist das von Fall zu Fall unterschiedlich. Letztlich sind das [in Russland] Bündnisse der einfachsten Art. Was denken Sie zum Beispiel, wo die ganzen Arschlöcher sind, die beim Mauerfall abgesägt wurden? Die sind alle im System verschwunden! Das reicht bis München und noch weiter. Solche Leute kann man nicht einfach schlucken indem man sagt: "Jetzt ist alles vorbei."

Ricore: Insofern ist "Russisch Roulette" eine Möglichkeit, komplexe Vorgänge auf einer einfachen Ebene zu verdeutlichen.

Hoenig: Naja, so muss man das ja machen. Die komplizierten Tatsachen, die nachher sowieso nicht glaubhaft sind, die so blöde und hirnrissig sind, als wenn man behaupten würde, dass auf New York eine zweite Hiroshima-Atombombe gefallen ist, glaubt dir zunächst keiner - erst nach fünf Minuten [lacht]. Ich bin ja immer dafür, dass der Zuschauer die Dinge erklärt bekommt und alles kapiert. Das ist sinnvoll, da das Gezeigte immer einen Mehrwert haben muss. Auf der anderen Seite darf es dem Zuschauer nicht zu einfach gemacht werden. Das ist immer so eine Schwelle im Film, wo man aufpassen muss, dass man nicht nur eine seichte Eierkacke hinlegt, nur damit es auch Sechsjährige kapieren. Das ist eine Sache von einigen Sendern. Die wollen, dass für jeden von sechs bis 86 alles verständlich ist. Damit wird jeder Film in die Scheiße geritten. Damit hört jeder Film auf Film zu sein. Das ist einfach Kacke!

Ricore: Wieso bezeichnen Sie sich immer wieder als Zigeuner?

Hoenig: Weil ich einfach hin- und herreise. Mein Zuhause ist Spanien. Aber nicht weil ich sage: "Da wohne ich". Ich reise halt überall hin. Ich reise viel zu meinen Kindern, zu meiner Institution und meiner Stiftung sowie den Orten, wo ich drehen muss. Da sage ich dann immer, dass ich ein Zigeuner sei.
ARD Degeto/Graf Film/Vadim Grischko
Heinz Hoenig in "Russisch Roulette"
Ricore: Gibt es ein Land oder eine Stadt wo Sie besonders gerne hinreisen?

Hoenig: Ja, Island.

Ricore: Wieso?

Hoenig: Die Weite und der Charme der Berge gefallen mir. Alles ist Grün und vor allem die Pferde sind schön. Außerdem ist die unendliche Landschaft toll, die einem so viel erzählt und so ruhig sein kann, wenn man selbst mal die Klappe hält. Das hat mich sehr angetan. Island ist für mich mehr als ein Urlaubsziel.

Ricore: Sind Sie in diesen Urlauben alleine unterwegs?

Hoenig: Ich bin da immer erst mal alleine.

Ricore: Wie sieht in diesem Zusammenhang Ihr Familienbegriff aus?

Hoenig: Wir wollen hier jetzt nicht über Familie reden. Da sage ich jetzt mal Stopp. Über meine Familie wird nicht mehr geredet, weil da schon zu viel gefaselt worden ist.
ARD Degeto/Graf Film/Vadim Grischko
Heinz Hoenig und Katharina Böhm in "Russisch Roulette"
Ricore: Inwieweit haben Sie für Ihre Figur in "Russisch Roulette" einen zusätzlichen Background erstellt?

Hoenig: Da brauche ich keinen Background zu erstellen. Das mache ich nur noch selten. Früher habe ich das oft gemacht. Vor allem, wenn es um starke und große Rollen ging. Aber selbst wenn ich nichts schreibe, überlege ich natürlich, wo denn der Pole herkommt, den ich da spiele. Man macht sich immer Gedanken. Aber im Fall von "Russisch Roulette" sagt das Buch so viel, dass man keine zusätzliche Biografie erstellen musste. Man muss vielleicht ein wenig gelebt haben, inzwischen 60 Jahre alt sein und 180 Filme gedreht haben. Dann weiß man, wie man so etwas angeht und wie ich den Typen anlegen muss. Ich kann ja nicht machen, was ich will. Es gibt ja das Drehbuch [lacht].

Ricore: Wie ist es, immer wieder in die Schublade des Raubeins geschoben zu werden, obwohl Sie wie in "Russisch Roulette" oft auch ganz andere Figuren verkörpern?

Hoenig: Diese Schublade wird niemals zugehen. Das Raubein hat irgendein Arschloch mal erfunden. Das Klischee verliere ich wirklich nie und das ist mir auch scheißegal. Das hat nichts mit meinem Spiel zu tun und dem äffe ich auch nicht nach. Sollen die Leute doch ihre Freude daran haben, wenn sie mich Raubein nennen, auch wenn ich den Begriff für ein dämliches Wort halte.

Ricore: Was ist an dem Wort Raubein schlecht?

Hoenig: Für mich ist das kein gängiges Wort. Da wo ich aufgewachsen bin, existierte im Sprachgebrauch das Wort Raubein nicht. Auf einmal wurde ich mit diesem Begriff konfrontiert - da dachte ich: "Das ist ja herzig" [lacht].

Ricore: Für Sie hat das Wort also etwas verniedlichendes?

Hoenig: Ja. Es ist einfach ein bescheuertes Wort.
Heiko Thiele/Ricore Text
Heinz Hoenig, Katharina Böhm und Wolf Roth bei der Premiere von "Russisch Roulette"
Ricore: Welche Wörter waren für Ihre Kindheit kennzeichnend?

Hoenig: Auf jeden Fall auch nicht Schurke. Die Schurken - das war Winnetou. Ein Schurke konnte nie jemand wirklich Schlimmes gewesen sein. Für mich waren das die Gangster. Das war schon ein Wechsel zu einer Sprache, wo wir das Englische mit hineinbrachten. Über Schurke konnten wir nur lachen [lacht]. Aber sollen die Leute doch damit selig werden.

Ricore: Mit Dieter Wedel verbindet Sie neben einigen Filmen auch eine enge Freundschaft. Was macht Ihre Beziehung aus und wie kamen Sie miteinander in Kontakt?

Hoenig: Dieter Wedel hin, Dieter Wedel her - es gibt vor dem Leben immer noch ein Leben und danach wird es auch eins geben. In diesem Fall kam unser Kontakt durch die Zusammenkunft von mir mit Produzent Klaus Graf zustande. Den kenne ich schon lange und mit dem hatte ich schon einige Filme gedreht. Rolf-René Schneider kannte ich auch schon lange. Er hatte beispielsweise "Ein himmlischer Freund" geschrieben. Und weil Herr Graf als Produzent eigentlich immer eine ehrliche Mütze und kein Bescheißer war, sondern ein Gerader ist, gehe ich immer wieder gerne zu ihm hin, wenn es etwas zu drehen gibt.

Ricore: Gibt es im Filmgeschäft viele Betrüger?

Hoenig: Ich habe vor über 25 Jahren mal gesagt, dass das Filmgeschäft die zweitgrößte kriminelle Vereinigung ist, die es gibt. Danach kommen gleich die Banker. Aber mein Gott, wie da was hin und her geschoben wird und wie da was läuft, ist einfach immer die Gier, alles zu schnappen - die Gier, nach vorne zu kommen. Es ist auch eine große Verzweiflung mit dabei, da heute nicht mehr alles so rund läuft wie früher. Jeder will natürlich alles haben und so werden manchmal Mittel eingesetzt, die man früher nicht brauchte. Manche sind ekelhaft. Von der ganzen Vetternwirtschaft möchte ich gar nichts wissen. Ich möchte manchmal gar nicht erfahren, was da hinter unserem Rücken passiert, weil es einfach nur noch dekadente Oberscheiße ist.

Ricore: Wie schaffen Sie es, sich dem System zu entziehen?

Hoenig: Passen Sie auf, ich verkürze das Ganze für Sie. Ich habe eine Heinz Hoenig-Stiftung. Da habe ich letztes Jahr zu Hamama Nalu aufgerufen. Das ist eine Aktion, damit die Kinder in Niedersachsen besser miteinander in Kontakt treten können. Ich habe mit den Kindern bis Weihnachten in Hannover gebacken und zwar in allen Bäckereien, die sich angeboten haben und Freude daran haben, an so einem Projekt teilzunehmen. Nun gehe ich mit den Kindern schmieden. Gott sei Dank habe ich deswegen und aufgrund meiner tollen Familie, überhaupt keine Zeit, mich um dieses ganze Gesocks zu kümmern [bekommt einen Lachkrampf].
ARD Degeto/Graf Film/Vadim Grischko
Heinz Hoenig und Katharina Böhm in "Russisch Roulette"
Ricore: Beim Schmieden wird Ihre Schlosserausbildung sicherlich hilfreich sein.

Hoenig: Das ist zwar schon ewig her, hilft aber natürlich. Ab Januar/Februar wird geschmiedet, damit die Kommunikationen unter den Kindern noch besser wird. Sie haben sich ja bereits beim Paddeln von Hamama Nalu ganz gut kennengelernt haben. Während der Weihnachtszeit backten die Kinder zusammen und beschenkten Familien, die wirklich nur sehr wenig zum Leben haben. Das war ganz wichtig. Ein einfaches Lebkuchenherz sollte zeigen: "Hey, ihr seid nicht alleine und man denkt an euch."

Ricore: Wann veröffentlicht Ihre Stiftung das Hörbuch "Das Zauberbuch"?

Hoenig: Das Buch haben wir vor kurzem in St. Peter-Ording vorgestellt und gesagt, dass es nun endlich herauskommt. Da machen auch die Kinder der Rheuma-Liga von Sabine Kaack mit. Das wird ein ganz gutes Ding. Wenn der Zauberkoch da ist, kann das Hörbuch auch an Schulen eingesetzt werden. Dann wird es technisch so weit sein, dass man zum Beispiel einige Figuren tonmäßig hinausziehen kann und diese dann durch die Kinder in den Schulen sprechen lässt. Zudem liegt auch noch ein Film namens "Birdy" an. Da will ich jetzt ein bisschen hausieren gehen, um Sponsoren zu finden.

Ricore: Wie schwer ist es, für Ihre sozialen Projekte Sponsoren zu finden?

Hoenig: Das ist extrem schwer. Ich habe mal für meine Hoenig Schmiede Sponsoren gesucht. Ich habe so die Schnauze voll von den Möchtegern-Sponsoren, von den Sponsoren, die nur so ab 150 bis 200 Tausend Euro spenden. Die gehen gleich woanders hin. Da verliert man echt die Böcke, sich um Sponsoren zu bemühen. Ich verliere allerdings nicht die Lust, den Spaß und den Willen, Kindern zu helfen. Ich werde das wie früher vor allem aus meiner Tasche bezahlen. Außerdem werde ich nun nicht zu Spenden, sondern zu Geschenken für Kinder der Hoenig Schmiede aufrufen. Mit unserer Vorgehensweise übergehen wir diesen monströsen Spendenapparat, diesen deutschen bürokratischen verfuckten Apparat, so dass ich am Tag noch Zeit für die Kinder habe und nicht täglich damit beschäftigt bin, wegen drei gefahrener Kilometer eine Quittung zu schreiben. Diese müsste ich dann bei der Stiftung einreichen und die Antwort darauf abwarten, was bürokratisch alles nur noch verlangsamen würde. So etwas ist echt zum Kotzen.

Ricore: Das ist halt das bürokratische Deutschland...

Hoenig: Ja. Meine Jungs von Heinz der Stier müssen das machen, damit alles seine Ordnung hat. Aber ich halte mich da raus. Ich sage nur: "Schenkt den Leuten etwas", oder "Das ist das Konto auf das ihr überweisen könnt." Wenn man wissen will, was mit dem Geld passiert und nicht das Vertrauen da ist, dass ich mit dem Geld ordentlich umgehe, weil man denkt, dass ich mir von den 60 Euro oder 250 Euro die jemand spendet vielleicht eine Brause kaufen könnte, kann das alles genau nachgeprüft werden. Aber von dem ganzen Bürokratismus habe ich echt die Faxen dicke. Das System wirft mir nur Klötze zwischen die Beine. Man muss echt aufpassen, dass man dabei nicht die Kraft verliert, den Kindern zu helfen. Ich kann nur sagen: "Armes Deutschland!". Das ist, was ich 2011 über solche Institutionen gelernt habe.
Heiko Thiele/Ricore Text
Heinz Hoenig bei der Premiere von "Russisch Roulette"
Ricore: Aber es ist doch nachvollziehbar, wenn Leute Angst davor haben, dass ihr Geld in den falschen Händen landet.

Hoenig: Vermutlich sind Gesetze entstanden, als mal wieder irgendwo ein paar Millionen Euro verschwunden sind. Diese Leute wissen sicher, dass sie als schwarze Schafe eine ganze Branche mit in den Abgrund reißen. Aber das ist denen egal. Dahinter stecken richtige Systeme. Komischerweise gibt es immer wieder Kinderhilfswerke, die nach zwei Jahren wieder von der Erdoberfläche verschwinden. Innerhalb dieser zwei Jahre dürfen sie mit dem erhaltenen Geld auf bestimmte Weise umgehen. Merkwürdigerweise sind die nach genau zwei Jahren wieder weg oder insolvent. Und warum? Weil sie nach diesen zwei Jahren einfach alles neu beschriften. Damit halten sie die zwei Jahre ein und können erneut betrügen.

Ricore: Was hat es mit dieser Zweijahresfrist auf sich?

Hoenig: Man darf sich zum Beispiel zwei Jahre 'Kinder für sorglos' nennen und unter diesem Namen Spenden einsammeln. Was innerhalb dieser Zeit mit den Einnahmen gemacht wird, wird wohl nicht so genau überwacht. Mit den Geldern kann man also Sachen machen, die später nicht mehr so einfach nachvollziehbar sind.

Ricore: Sind kleine Spendenorganisationen vertrauenswürdiger, als größere?

Hoenig: Das kann man so eigentlich gar nicht sagen. Ob klein oder groß, ich lege für niemanden die Hand ins Feuer. Ich kann nur für mich sprechen und sagen, dass man in unsere Stiftung Heinz der Stier Vertrauen haben sollte. Dafür würde ich meine Hand ins Feuer legen. Das kann ich machen, weil ich weiß, was da passiert.

Ricore: Inwieweit engagieren sich Ihre Frau und Ihre Kinder in den Stiftungen?

Hoenig: Mein Sohn Lucas hat bei Hamama Nalu mitgemacht. Wir hatten ein großes Treffen am Steinhuder Meer im August 2011. Da hat Lucas mit seinem Freund die ganze Küche gemacht. Die haben für 100 Kinder drei Tage lang gekocht, weil er das einfach gut kann [lacht]. Und so wird das auch in Zukunft sein. Wenn die beiden Zeit haben, sind sie wie immer mit dabei.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 5. Januar 2012
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2024