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Max von Thun
Vom Junkie zum Schausteller
Interview: Ewiger Rebell Max von Thun
Max von Thun und Marcus H. Rosenmüller kennen sich von der Filmhochschule. "Sommer der Gaukler" ist ihr erstes gemeinsame Filmprojekt. Im Interview mit Filmreporter.de erzählt der Schauspieler, wie er sich der Figur Emanuel Schikaneders genähert hat. Von Thun versucht, dem Charakter der Figuren Raum zu lassen. Eitelkeit behindere dabei das Ergebnis.
erschienen am 20. 12. 2011
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Sommer der Gaukler
Ricore: Wie sind Sie zu der Rolle Emanuel Schikaneders in "Sommer der Gaukler" gekommen?

Max von Thun: Ich kenne den Rosi noch von der Filmhochschule. Seitdem haben sich unsere Wege immer wieder gekreuzt. Ich mag seine Filme. Mir war immer klar, wenn das mal klappt, bin ich sofort dabei. Als ich das Junkie-Drama "In der Welt habt ihr Angst" drehte, kam das Drehbuch mit der Einladung zum Casting. Ich hatte mir für die andere Rolle 14 Kilo heruntergehungert. Mein Gesicht war eingefallen und ich hatte noch tiefere Augenränder. Das passte gar nicht zu einer bayerischen Komödie. Ich fühlte mich beim Casting völlig fehl am Platz. Doch dann hab ich die Rolle bekommen.

Ricore: Sie legen Schikaneder recht exzentrisch an. Er erinnert ein bisschen an Milos Formans Mozart in "Amadeus" und Jack Sparrow aus "Fluch der Karibik".

Von Thun: Das waren beides keine expliziten Vorbilder. Aber natürlich war klar, dass der Schikaneder schillernd, extrovertiert und aufbrausend sein muss. Er ist auch sehr realitätsfremd. Einmal sagt er: Das Leben ist eine Bühne. Er war Gaukler bis in die letzte Pore und natürlich kein guter Geschäftsmann. Für ihn gab es nur seine Kunst. Aber ehrlich gesagt wusste ich am ersten Drehtag noch nicht genau, wie dieser Schikaneder ist und wo die Reise hingeht.

Ricore: Ist sowas bei der Zusammenarbeit mit Marcus H. Rosenmüller möglich?

Von Thun: Ja. Wir haben das peu à peu erarbeitet. Das ist das Tolle an der Zusammenarbeit mit ihm, dass man jeden Tag mit noch so absurden Ideen am Set erscheinen kann. Manchmal sagt er nein, aber viele Ideen werden ausprobiert - manche Sachen sind so entstanden.
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Max von Thun in "Sommer der Gaukler"
Ricore: War Emanuel Schikaneder Genie oder Schwindler?

Von Thun: Unser Film kratzt eigentlich nur an der Oberfläche. Er hat unfassbar viele Stücke geschrieben. Gerade in der Zeit, die nach unserem Film beginnt. Da war er dann in Wien. Er hat auch selber Theater gebaut. Das Theater an der Wien ist von ihm. Er war ein schillernder Star der Hofburg. Auf seine Art war er ein Genie. Wenn man über die "Zauberflöte" spricht, denkt man meist nur an Mozart. Schikaneder hat aber nicht nur das Libretto geschrieben, sondern er war auch der erste Papageno-Darsteller. Wäre er schlecht gewesen, wäre die Oper vielleicht nie wieder aufgeführt worden, weil man gedacht hätte, das Stück funktioniert nicht.

Ricore: Wie haben Sie sich auf diese Epoche vorbereitet?

Von Thun: Ehrlich gesagt, habe ich extrem viel Rock'n'Roll Musik aus den 1970er Jahren gehört, denn für mich ist er ein Rock'n'Roller. Er hat etwas anarchisches, unangepasstes. Das man vor dem vermeintlich ungebildeten, einfachen Volk spielte, gab es früher nicht. Das war ein Novum.

Ricore: Ist der Film historisch korrekt?

Von Thun: Wir haben uns einfach zwei Wochen aus seinem Leben herausgepflückt und uns nicht groß an Vorlagen gehalten. Die Begegnung mit Mozart entspricht so nicht der Wahrheit. Auch die Entstehung der Arie der "Königin der Nacht" während einer Orgie unter dem Tisch ist frei er- und empfunden. Die meiste Literatur über ihn befasst sich mit der Zeit nach unserem Film. Über seine Jugend gibt es nur wenig Material.
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Lisa Potthoff und Max von Thun in "Sommer der Gaukler"
Ricore: Der Film ist eine Mischung aus Fakten und Fiktion...

Von Thun: Das war auch das Schöne daran, dass wir uns die künstlerische Freiheit genommen haben zu sagen, wir erschaffen hier eine Welt und einen Menschen, der vielleicht so war. Aber vielleicht war er auch ganz anders, aber uns gefällt er so.

Ricore: Inwieweit können Sie sich mit dieser Figur identifizieren?

Von Thun: Ich suche grundsätzlich nie nach Parallelen bei Rollen, die ich spiele. Ich versuche mich nicht zu identifizieren, sondern hineinzuversetzen. Mir ist er so ans Herz gewachsen, weil ich es sehr charmant finde, dass jemand so am Leben vorbei sein eigenes Ding macht. Ich habe mich jeden Tag gefreut, Herrn Schikaneder zu begegnen, nachdem ich in Maske und Kostüm war.

Ricore: Suchen Sie möglichst Gegensätze statt Parallelen?

Von Thun: Das ist natürlich reizvoll. Aber das hätte ja auch etwas Zwanghaftes, wenn ich sagen würde, ich suche nur nach Rollen, die nichts mit mir zu tun haben. Ich versuche einfach, einen Charakter für mich greifbar zu machen. Mich selbst versuche ich dabei weitestgehend auszuschalten. Natürlich kann ich nicht etwas völlig anderes sein, weil meine Stimme und mein Körper noch da sind. Ich versuche für den anderen Charakter Platz zu lassen.
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Marcus H. Rosenmüller und Hauptdarsteller Max von Thun am Set von "Sommer der Gaukler"
Ricore: In Bezug auf die Rolle des Junkies in "In der Welt habt ihr Angst" sagten Sie, dass Sie es reizvoll fanden, das Hässliche zu spielen. Spricht daraus Ihre Uneitelkeit?

Von Thun: Da ging es nicht in erster Linie darum, hässlich geschminkt zu werden. Was ich immer reizvoll finde, ist eine Verwandlung. Das hilft beim Eintauchen in die Rolle. Deshalb mag ich auch historische Filme. Wenn ich einen zeitgenössischen Film drehe, gehe ich morgens mit Jeans und T-Shirt in die Maske, bekomme dort andere Jeans und T-Shirts und bin meinetwegen der Thomas. Bei "Sommer der Gaukler" bin ich nach der Maske in einem anderen Jahrhundert rausgekommen. Was kleine Kinder beim Verkleiden machen, darf ich in professionellem Maße erleben.

Ricore: Sie wollen also nicht ein bestimmtes Bild von sich transportieren?

Von Thun: Eitelkeit kann wirklich im Weg stehen. Wenn man einen Schmerz fühlt, dann sieht man selten schön dabei aus. Vielleicht anrührend, aber nicht schön. Wenn man weint und es rinnt der Rotz aus der Nase, ist das nicht schön. Manche ziehen rechtzeitig die Nase hoch. Aber wenn man im echten Leben alleine irgendwo sitzt, lässt man es einfach rinnen. Eitelkeit ist in diesem Beruf natürlich immer da, sie kann aber auch kontraproduktiv sein.

Ricore: Was sind ihre nächsten Pläne? Wollten Sie nicht Regie führen?

Von Thun: Ja schon. Und dann habe ich ja noch meine Musik. Ich versuche seit drei Jahren, mein zweites Album aufzunehmen. Ich hatte aber das Luxusproblem, dass ich so viel drehen durfte. Nachdem ich meine ersten Praktika beim Film gemacht habe, arbeitete ich als Regieassistent. Regie zu führen, reizt mich nach wie vor. Nicht so, wie es einige Kollegen machen, mit Produzieren, Regie führen und auch noch Hauptdarsteller sein. Wenn ich einen Film machen würde, würde ich mir vielleicht eine kleine Rolle geben, aber in erster Linie auf das Filmemachen konzentrieren. Im Moment fehlt mir jedoch die Zeit, mir darüber ernsthaft Gedanken zu machen. Erstmal ist jetzt die Musik dran.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch!
erschienen am 20. Dezember 2011
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