Paramount Pictures
Michael Nyqvist in "Mission: Impossible - Phantom Protokoll"
Schwedische Schwermut
Interview: Michael Nyqvist lacht ohne Erlaubnis
Michael Nyqvist macht Tom Cruise das Leben schwer. Als größenwahnsinniger Bösewicht setzt er in "Mission: Impossible - Phantom Protokoll" alles daran, um den Action-Helden zur Strecke zu bringen. Im Interview mit Filmreporter.de klingt Nyqvist ganz und gar nicht boshaft. Eher entspannt erzählt der Künstler von der Suche nach seinen biologischen Eltern und seiner Liebe zur Schauspielerei. Auf das Böse kommen wir dennoch zu sprechen...
erschienen am 22. 12. 2011
Paramount Pictures
Mission: Impossible - Phantom Protokoll
Ricore: Was haben Sie gedacht, als Sie die Rolle in "Mission: Impossible" angeboten bekommen haben?

Michael Nyqvist: Das war toll. Ich hatte noch nie so einen Action-Film gedreht. Ich kenne Toms Arbeit und hab mich darauf gefreut, mit ihm zu drehen. Dasselbe gilt für Simon Pegg und Jeremy Renner sowie für Brad Bird, dessen Filme ich alle gesehen habe.

Ricore: Was fanden Sie aus künstlerischer Sicht besonders reizvoll an Ihrem Charakter?

Nyqvist: Der Bösewicht, den ich spiele, ist kein Schurke, der kleine Kinder zum Frühstück verspeist. Er ist ein sehr intelligenter Charakter. Seine fundamentalistische Perspektive interessierte mich, er kennt nur einen Weg und das ist sein eigener. Um mich in die Figur hineinzudenken, habe ich viel recherchiert. Ich fragte mich, wie man so sehr von sich selbst eingenommen sein kann.

Ricore: Was macht das Böse generell so faszinierend?

Nyqvist: Wir versuchen, uns im Alltag freundlich und gutmütig zu verhalten. Doch wir haben auch Wut und dunkle Gedanken in uns, die wir nicht herauslassen. Dem Bösewicht im Film zuzusehen, ist in gewisser Weise eine Erleichterung für uns.

Ricore: Das Böse spielt auch in Stieg Larssons "Millennium"-Trilogie eine wichtige Rolle. Er hat ein sehr düsteres Bild der als sozial geltenden schwedischen Gesellschaft gezeigt. Wie beurteilen Sie Ihr Heimatland?

Nyqvist: Das Bild Schwedens in der "Millennium"-Trilogie ist in gewisser Weise sehr realistisch, auch wenn wir in unserer Gesellschaft versuchen, aufeinander aufzupassen. Dennoch weiß ich nicht, wie dieses verklärte Bild Schwedens entstanden ist, schließlich sind wir ein Teil von Europa. Auch bei uns gibt es Obdachlose und Frauen, die missbraucht werden. Wir haben dieselben Probleme wie alle anderen. Ich reise sehr viel und wenn ich schwedische Zeitungen im Internet lese, fällt mir auf, dass wir eine brutale, gewalttätige Gesellschaft haben. Wenn man sich Künstler wie Ingmar Bergman anschaut, erkennt man, dass wir eine düstere, schwermütige Sicht auf das Leben haben. Das macht unsere Art des Geschichten Erzählens interessant.
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Michael Nyqvist gerät in "Verblendung" in Gefahr
Ricore: Wie verschieden ist die Herangehensweise beim europäischen Film im Vergleich zu Hollywood?

Nyqvist: Auf einer grundsätzlichen Ebene würde ich sagen, dass der europäische Film die Welt ablenken möchte, während Hollywood Welten kreiert.

Ricore: Wie verschieden ist die Herangehensweise auf der schauspielerischen Ebene?

Nyqvist: Wenn man vor der Kamera steht, spielt es keine Rolle, wo man dreht. Ich habe bereits in Südafrika, Taiwan, Chile, Kanada, den USA, Italien, Frankreich und Deutschland gearbeitet und im Grunde ist es dieselbe Tätigkeit. Wenn es sich allerdings um aufwendige Produktionen großer Studios handelt, trifft man jeden Tag Leute, die man zuvor noch nie gesehen hat. Ein weiterer Unterschied ist das Knowhow, wenn es um Spezialeffekte geht. Bei einem Action-Film dabei zu sein, war etwas Neues für mich. Daher hat es mir großen Spaß gemacht.

Ricore: Wie sieht es mit dem Comedy-Genre bei Ihnen aus?

Nyqvist: Ich liebe Komödien, zum Beispiel die Filme von Woody Allen und den Coen-Brüdern. Was ich nicht mag, sind alberne Filme, bei denen es heißt: "Hier haben Sie die Erlaubnis zu lachen." Aber eine gute Komödie zu drehen, wäre fantastisch.

Ricore: Werden wir Sie bald in einer Komödie sehen können?

Nyqvist: Ja, doch ich kann noch nicht darüber reden.
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Michael Nyqvist in "Verdammnis"
Ricore: Wie gehen Sie damit um, dass Sie nach dem Erfolg von "Verblendung" auf der Straße wiedererkannt werden?

Nyqvist: Ich gewöhne mich daran. Meine Arbeit mache ich bereits seit 30 Jahren. In Schweden, Norwegen und anderen Ländern erkennt man mich bereits seit Filmen wie "Wie im Himmel". Dadurch muss man noch mehr auf seine Integrität achten. Es ist etwa sehr viel einfacher, einen Tisch im Restaurant zu bekommen. Man hat viele Vorteile, doch dadurch muss man auch genauer darüber nachdenken, was man macht und wo man hingeht. Es ist aber nichts, worüber man sich beklagen müsste, da es meist Vorteile mit sich bringt. Die Leute sind freundlich zu mir, wenn sie ein Foto und ein Autogramm haben wollen.

Ricore: Wie schwierig ist es, dabei auf dem Boden zu bleiben?

Nyqvist: Ich bin ein sehr bodenständiger Mensch. Das war ich schon immer. Ich lasse die Leute einfach ihr Foto machen und denke mir nichts dabei. Ich koche auch nur mit Wasser, so wie jeder andere auch.

Ricore: Wie haben Sie Ihre Liebe zur Schauspielerei entdeckt?

Nyqvist: Ich bin im Waisenhaus aufgewachsen und wusste nicht, wo ich herkam. Als ich mit der Schauspielerei angefangen habe, musste ich mich selbst sowie bei meinen Rollen fragen, woher ich komme, wer ich bin und wohin ich gehen will. Ich war 19 und war so erleichtert, dass ich das durch die Schauspielerei ergründen konnte. Für mich war es in gewisser Hinsicht eine Frage von Leben und Tod und das ist es immer noch.

Ricore: Von Ihren Eltern haben Sie als Kind erfahren, dass Sie adoptiert wurden. Wie war das für Sie, als Sie das erfahren haben?

Nyqvist: Ich wollte so sein, wie jeder andere auch. Daher habe ich versucht, das Leben so zu nehmen, wie es kommt. Das wurde zu einem festen Ziel in meinem Leben. Alles was ich tue, wurde davon beeinflusst, auch in der Schauspielerei.
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Noomi Rapace und Michael Nyqvist in "Verblendung"
Ricore: Wie schwierig war es, Ihre biologischen Eltern zu finden?

Nyqvist: Das war hart. Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Die Erfahrungen habe ich in einem Buch festgehalten. Auf Englisch heißt es "Just after dreaming". Es war ein langer Weg, doch am Ende ging alles gut aus.

Ricore: Wie war es für Sie, als Sie zum ersten Mal Ihre biologischen Eltern trafen?

Nyqvist: Ich bin in Schweden aufgewachsen. Dort wird vor allem die Auffassung vertreten, dass man in seiner Entwicklung in erster Linie von der Umwelt beeinflusst wird. Doch ich stellte fest, dass das nicht wahr ist. Als ich sie traf, wusste ich sofort, wo ich herkam. Wir haben so viele Gemeinsamkeiten, wie zwei identische Computer, in denen bloß die Schaltkreise ein wenig anders sind. Das war eine großartige Entdeckung für mich.

Ricore: Ihr biologischer Vater ist Italiener. Wie wichtig sind Ihnen Ihre italienischen Wurzeln?

Nyqvist: Schon bevor ich meinen Vater gefunden hatte, war ich so italienisch. Ich bin in die Pizzeria gegangen und habe dauernd Italienisch gesprochen. Als ich meine Wurzeln gefunden hatte, wurde ich selbstbewusster und musste mir nicht mehr dauernd selbst beweisen, wo ich herkomme.

Ricore: Warum haben Sie die Notwendigkeit verspürt, die Suche nach Ihren biologischen Eltern in einem Buch festzuhalten?

Nyqvist: Alles, was ich bislang über Adoption gelesen hatte, wurde stets aus Sicht der Eltern geschildert. Ich wollte es aus der Perspektive des Kindes erzählen. Zudem hat es mich geärgert, immer wieder lesen zu müssen, dass bei Adoptionen Alkohol, Drogenmissbrauch oder sogar Selbstmord eine Rolle spielen. Doch das ist nicht wahr. In unserem Leben gibt es grundlegende Fragen, die wir uns alle stellen und wenn man adoptiert ist, macht es das noch schwieriger. Ich will Menschen in so einer Situation Mut machen.
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Michael Nyqvist in "Verblendung"
Ricore: Wie wichtig ist das Schreiben generell für Sie?

Nyqvist: Ich liebe es zu schreiben. Für mich hat es eine reinigende Wirkung. Als Schauspieler muss man sich immer bei anderen Leuten vergewissern, ob man das erwartete Ergebnis abgeliefert hat. Beim Schreiben bin ich beim schöpferischen Prozess zu 100 Prozent auf mich allein gestellt. Es ist befreiend, sich hinzusetzen, gute Musik laufen zu lassen und loszuschreiben. Ich liebe es und versuche mir dafür Zeit zu nehmen. Momentan schreibe ich mein zweites Buch.

Ricore: Wovon handelt es?

Nyqvist: Es ist ganz anders, als das erste. Durch all meine Reisen habe ich wohl eine etwas seltsame Sicht auf das Leben. Davon soll das Buch handeln.

Ricore: Was meinen Sie mit der seltsamen Sicht auf das Leben?

Nyqvist: Es können Reflektionen über die Kunst, ein Land oder die Liebe sein. Es soll eine Art poetisches Tagebuch werden.

Ricore: Sie wurden mal zum Sexiest Man in Schweden gewählt. Was halten Sie von dieser Ehrung?

Nyqvist: Das verlangt einem viel ab [lacht]. Das ist bereits einige Jahre her. Ich weiß nicht, warum man sich für mich entschieden hat. Es war toll, ein Jahr lang der Sexiest Man zu sein. Wenn eine Frau nicht mit einem tanzen will, kann man sagen: "Sorry, doch ich bin der Sexiest Man in Schweden. Daher müssen Sie zustimmen." [lacht]

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 22. Dezember 2011
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2024