Boris Breuer
Max Giermann
Der große Imitator
Interview: Clown Max Giermann
Max Giermann schlüpft gerne in andere Rollen. Für die Comedy-Serie "Switch reloaded" imitierte er etwa Hugo Egon Balder oder Stefan Raab. In Detlev Bucks Kommödie "Rubbeldiekatz" ist er als Hitler-Darsteller Jörg zu sehen. Im Interview mit Filmreporter.de erzählt der gelernte Clown, wie er sich auf neue Figuren vorbereitet. Außerdem spricht er über die unterschiedliche Arbeit bei Kino und Fernsehen und verrät, dass er gerne in einem Stummfilm spielen würde.
erschienen am 16. 12. 2011
Universal Pictures (UPI)
Rubbeldiekatz
Filmreporter: Sie haben eine Ausbildung zum Clown gemacht und die renommierte Ernst-Busch-Schauspielschule besucht. Wo sind die Unterschiede?

Max Giermann: Für meinen Weg, hat mir beides viel gebracht. Am Anfang musste ich auf der Schauspielschule lernen, die Clownerie abzulegen, beides strikt voneinander zu trennen. Da wird mit Mimik und Gestik sehr übertrieben. Ich lernte, das richtig zu dosieren. Aber gerade für das, was ich jetzt mache, nützt mir das sehr viel. Die Ausbildung bei Ernst Busch hilft nicht nur mit Referenzen weiter, sondern man lernt grundlegende Dinge für das Handwerk eines Schauspielers, angefangen bei der Sprache.

Filmreporter: Gab es während der Ausbildung ein einschneidendes Erlebnis?

Giermann: An der Ernst Busch Schule wird sehr viel mit Druck gearbeitet. Es gibt dieses Fähnchensystem. Für jede vorgesprochene Rolle, die man nicht besteht, gibt es ein Fähnchen. Wer drei hat, muss die Schule verlassen. Ich hatte zwar kein Fähnchen, aber ich war trotzdem an einem Punkt, wo ich überlegte, alles hinzuschmeißen. Ich warf eine Münze und heute bin ich sehr froh, dass die sagte, ich solle zu Ende studieren.

Filmreporter: Was wäre Ihr Plan B gewesen?

Giermann: Ich wäre wahrscheinlich zurück nach Freiburg gegangen und hätte mit der Clownerie weiter gemacht. Oder ich hätte Medienkunst studiert.

Filmreporter: Sind Sie als Clown auch auf der Straße aufgetreten?

Giermann: Wir haben nur auf Engagement gespielt. Allerdings auch bei Straßenfesten in ganz Europa. Wir waren eine Gruppe von jungen Talenten, die Comedy-Kids. Ich war der Älteste. Mit dem Geld was ich damals verdiente, konnte ich mir später mein Studium aufbessern. Das was ich jetzt mache ist zwar eine spezielle Ausformung, aber im weitesten Sinne würde ich es als Clownerie bezeichnen.
Universal Pictures (UPI)
Max Giermann in "Rubbeldiekatz"
Filmreporter: Bei der Clownerie haben Sie sich der Tradition des Slapstickhaften verschrieben, was es nur noch selten gibt.

Giermann: Das ist eine sehr visuelle Art der Komik, die sich gerade für das Fernsehen eignen würde. Davon gibt es aber viel zu wenig. Ich freue mich immer über Kollegen, die das machen, wie beispielsweise Mirco Nontschew. Aber aussterben wird diese Art der Komik nie ganz.

Filmreporter: Mögen Sie die Slapstickfilme der 1920er Jahre?

Giermann: Ja sehr. Ich würde gerne mal wieder einen Stummfilm machen. Es dürfte ruhig auch so Jacques Tati-mäßig sein, dass es mit Geräuschen arbeitet. Ich liebe auch Peter Sellers' "Der Partyschreck". Aber ich kann verstehen, wenn das jemand zu anstrengend ist.

Filmreporter: Deutsche Komödien sind im Kino recht erfolgreich Trotzdem gelten die Deutschen im Ausland eher als humorlos. Woran liegt das?

Giermann: Das würde ich so jetzt nicht unterschreiben. "Der Schuh des Manitu" war sehr erfolgreich, wie überhaupt die Filme von Bully Herbig. Aber sonst fällt mir jetzt keine große deutsche Komödie der letzten Jahre ein. Das Schöne an "Rubbeldiekatz" ist, dass der Film nicht so glattgebügelt ist wie die anderen Komödien, die jährlich den Markt überschwemmen. Aber ist es denn wirklich so, dass deutsche Komödien erfolgreicher sind als andere deutsche Filme?

Filmreporter: Gibt es Kriterien für den deutschen Humor?

Giermann: Nein. Ich glaube, dass es bei den Produzenten und Verleihern Kriterien gibt. Es sind ja bestimmte Personen, die entscheiden, welcher Film gemacht wird und welcher nicht oder wer die Hauptrolle spielt. Das sind klare Raster, die da vorherrschen. Aber davon kann man keinen Rückschluss auf den allgemeinen Geschmack ziehen.
Universal Pictures (UPI)
Max Giermann und Matthias Schweighöfer in "Rubbeldiekatz"
Filmreporter: Glauben Sie, dass Sie auch im Kino Erfolg haben können mit den Sachen, die Sie im Fernsehen machen?

Giermann: Vielleicht nicht unbedingt mit den Parodien. Aber ich mag auch gerne kräftige Komödien, wie sie Jim Carrey oder Adam Sandler machen. Und so etwas ist in Deutschland noch nicht so viel gemacht worden. Da hoffe ich, dass man mal die Chance bekommt, das Schauspielerische mit dem Komischen zu verbinden. Es muss nicht nur Haudrauf sein, soll aber schon ein bisschen ins Extrem gehen. Nach so einem Stoff suche ich und hoffe, dass ich dann auch meine Nische im Kino finde. Kino ist doch reizvoller, als alles andere - einfach eine Geschichte zu erzählen...

Filmreporter: Rudi Carrell und auch Loriot beschwerten sich, dass sie später in ihrer Karriere keine Zeit mehr hatten, Stoffe zu entwickeln. Wäre das ein Vorteil vom Kino oder geht es beim Fernsehen genauso?

Giermann: Das ist ein Vorteil des Kinos. Da ist mehr Geld und Raum, um auch mal eine Probe zu machen. Bei "Rubbeldiekatz" haben wir auch zwei der Szenen, in denen ich mitwirke vorher geprobt. Das ist wichtig, damit man ein Gefühl bekommt, in welche Richtung das geht. Bei "Switch reloaded" hatte ich nie eine Probe. Da komme ich ans Set und mache es so, wie ich es mir ausgedacht habe. Da ist nicht viel Zeit zum ausprobieren. Mehr Geld bedeutet auch, dass sorgfältiger gearbeitet wird.

Filmreporter: Was dachten Sie, als Sie die Hitler-Rolle angeboten bekamen. Es gibt ja schon einige Hitler-Parodien.

Giermann: Ich habe selbst den Vorschlag gemacht. Eigentlich hatte mich Detlev Buck für eine andere Rolle geplant. Als ich das Drehbuch gelesen hatte, sagte ich zu ihm, dass eindeutig die Rolle des Jörg die interessanteste ist. Ich spiele ja nicht Hitler eins zu eins, sondern diesen armseligen, erfolglosen und einsamen Hitler-Darsteller Jörg.
Universal Pictures (UPI)
Matthias Schweighöfer in "Rubbeldiekatz"
Filmreporter: Wie war es, in dieses Kostüm zu schlüpfen?

Giermann: Ich musste mir viele Sprüche vom Team anhören, wenn ich beispielsweise in der Pause mit meinem Käsebrötchen irgendwo stand. Einen Moment der Gänsehaut hatte ich, als ich im Olympiastadion meine Rede halten musste, in die ich Originalzitate eingeflochten habe. Man sieht da keine Architektur, ich glaube der Blick hat sich nicht verändert. Das war schon ein bisschen unheimlich.

Filmreporter: Eigentlich ist das die perfekte Rolle für einen Schauspieler, sie sind doch Verführer.

Giermann: Das ist eine verfängliche Frage, weil es nahe liegt, eine Affinität zu Hitler zu unterstellen. Aber ihn als Schauspieler darzustellen ist schon reizvoll. Sich damit auseinanderzusetzen, was er für Mittel eingesetzt hat. Welche Gesten er wann eingesetzt hat. Und welche rhetorischen Mittel er sich an- und auch abtrainiert hat.

Filmreporter: Gibt es Kinofilme, die sie nachhaltig beeindruckt haben?

Giermann: Das waren schon immer Animationsfilme. Ich erinnere mich noch an "Der König der Löwen". Da musste ich weinen. Nicht, weil die Geschichte so traurig ist, sondern weil mich diese technischen Mittel so begeistert haben, wie diese Antilopenherde durch das Tal rennt. Deswegen wollte ich auch Medienkunst studieren, weil ich so etwas machen wollte. Aber ich habe auch schon immer Komödien geliebt. Ich habe jedes Jahr "Dinner for One" im Fernsehen angesehen.

Filmreporter: Als Komiker arbeiten Sie viel mit Sprache.

Giermann: Ja, aber ich würde auch gerne mal etwas Stummes machen. Sprache ist nur ein Ausdrucksmittel. Wenn ich sie weglassen kann, mache ich das gerne.
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Max Giermann (links) auf der "Rubbeldiekatz"-Premiere in Berlin
Filmreporter: Wie bereiten Sie sich auf Ihre Parodien vor?

Giermann: Ich sehe mir so viel Material wie möglich an, damit ich erstmal einen Eindruck bekomme. Dann suche ich mir einen Ausschnitt, den ich auf ein Diktiergerät überspiele und arbeite erst nur an der Stimme, bis es eine große Ähnlichkeit gibt. Das ist 90 Prozent der Arbeit. Die Gestik fällt mir leichter. Aber ich arbeite nicht vor dem Spiegel oder mit Videos von mir. Ich sehe mich dann auch erst, wenn es im Fernsehen läuft.

Filmreporter: Wie lange dauert es, wenn Sie eine neue Figur entwickeln?

Giermann: Das ist unterschiedlich. Für Hugo Egon Balder hatte ich nur drei Tage Zeit. Im Idealfall habe ich gerne, zwei bis drei Wochen. Für den Jörg habe ich schon vier Wochen vorher angefangen, mir Gedanken zu machen, in welche Richtung es gehen soll.

Filmreporter: Ihre Lagerfeld-Parodie ist nahezu perfekt. Wie lange haben Sie dafür gebraucht?

Giermann: Für den hatte ich nur eine knappe Woche Zeit, bis ich ihn bei einem ProSieben-Event spielen sollte. Allerdings habe ich ihn mir selbst ausgesucht. Das hilft, wenn man jemanden gern spielen möchte, weil dann unbewusst schon Ansätze da sind. Lagerfeld ist eine schillernde Persönlichkeit. Hingegen wusste ich bei Markus Lanz nicht gleich, wie ich ihn greifen soll.
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Alexandra Maria Lara und Max Giermann in Berlin
Filmreporter: Zeigen Sie Ihre Parodien vorher jemanden?

Giermann: Nur meiner Freundin, der spiele ich das vor. Wenn sie dann fragt, bist du das oder der andere, weiß ich, dass es gut ist. Aber eigentlich mache ich das eher ungern. Wenn ich als Kind etwas zeichnete und mein Vater, der Zeichenlehrer war, ins Zimmer kam und mir irgendwas ins Bild kritzelte, habe ich das Bild sofort weggeschmissen. Ich kann es nicht leiden, wenn man mir reinredet.

Filmreporter: Sie sind jetzt auf Tounee. Ist es schwierig, eineinhalb Stunden Programm zu füllen?

Giermann: Nein, ich kann ja viel kombinieren. Ich habe circa zwölf Parodien, aber auch viele Pantomimenummern im Programm. Und ein paar Stand-up-Sachen. Ich könnte auch noch mehr Zeit füllen, aber es soll ja ein unterhaltsamer Abend werden. Aber ich muss sehen, ob das ein weiteres Standbein für mich wird. Denn es ist schwierig diese Felder zu koordinieren. Wenn man eine große Tour gebucht hat, ist es schwierig, auch noch bei Filmprojekten mitzuwirken.

Filmreporter: Denken Sie, dass die Parodie die größte Form der Verehrung für eine Person ist?

Giermann: Ich denke das nicht. Aber die meisten Leute, die parodiert werden, empfinden das so. Dabei würde ich mir bei dem einen oder anderen doch ein bisschen mehr Zähneknirschen wünschen.

Filmreporter: Sie haben auch für Die Vermessung der Welt mit Detlev Buck gedreht. Können Sie sich vorstellen, mehr fürs Kino zu machen?

Giermann: Man kann schon sagen, ich habe Blut geleckt, was Filme angeht. Da würde ich gern mehr machen. Aber als Schauspieler ist man eher das Blatt im Winde und muss schauen, wo es einen hinweht.

Filmreporter: Vielen Dank für das Gespräch!
erschienen am 16. Dezember 2011
Zum Thema
Max Giermann wird 1975 in Freiburg im Breisgau geboren. Nach der Schule überlegt er, Medienkunst zu studieren, weil ihn seit seiner Kindheit Animationsfilme faszinieren. Doch es kommt anders. Er macht zunächst eine Ausbildung zum Clown und besucht danach die Switch reloaded" unter anderem als Jogi Löw zu sehen. Legendär ist sein Auftritt als Karl Lagerfeld. Für Detlev Buck steht er in "Rubbeldiekatz" sowie "Die Vermessung der Welt" vor der Kamera.
Rubbeldiekatz (Kinofilm)
Alexander Honk (Matthias Schweighöfer) wünscht sich endlich den Durchbruch als Schauspieler. Als er von seinem Bruder und Manager Jürgen (Detlev Buck) eine Nebenrolle in einem Hollywoodfilm vermittelt bekommt, sieht er seine Chance bekommen. Obwohl es sich bei dem Part um die Rolle einer Frau handelt, tritt er am Casting an und wird prompt besetzt. "Rubbeldiekatz" überzeugt nur am Anfang durch sein ironisches Spiel mit Genre-Versatzstücken. Im weiteren Verlauf verliert sich die Komödie in..
2024