Senator Film Verleih
Sönke Wortmann, Regisseur des Wunder von Bern
"Auf dem Weg zur dauerhaften Ehe"
Interview: Romantiker Sönke Wortmann
Mit "Das Wunder von Bern" und "Deutschland. Ein Sommermärchen" hat sich Sönke Wortmann innerhalb weniger Jahre den Ruf eines innovativen Sportfilmmachers erarbeitet. Stören tut ihn das nicht, zumal er spätestens mit "Die Päpstin" das Image losgeworden ist, wie er meint. Anlässlich seiner Komödie "Das Hochzeitsvideo" hat sich Filmreporter.de mit dem 52-Jährigen über Hochzeiten, Beziehungen und die Ehe unterhalten. Dabei verriet er uns der Familienvater, warum seine eigene Ehe von Dauer ist.
erschienen am 9. 05. 2012
Constantin Film
Das Hochzeitsvideo
Ricore: Herr Wortmann, die Idee zu "Das Hochzeitsvideo" soll beim Strandspaziergang entstanden sein. Das klingt sehr spontan...

Sönke Wortmann: Produzent Christoph Müller hatte die Idee zu diesem Film, die er mir an einem kalten Berlinale-Abend 2010 verraten hat. Wenig später trafen wir uns am Nordseestrand und haben sie weiterentwickelt.

Ricore: Von der ersten Idee bis zum Kinostart lagen ungefähr zwei Jahre, was eine recht schnelle Entstehungszeit ist. Lag das auch daran, dass Sie digital gedreht haben?

Wortmann: Die Entwicklung des Projekts ging tatsächlich sehr schnell voran, was aber mit der digitalen Technik nichts zu tun hatte. Wir hatten mit Gernot Gricksch einen sehr guten Drehbuchautor, und da der finanzielle Aufwand für den Film überschaubar war, konnten wir die Finanzierung relativ schnell hinkriegen.

Ricore: Bei Ihren Filmen hat man oft den Eindruck, dass Sie filmen, was sie persönlich erlebt haben oder für das sie sich interessieren. Auch "Das Hochzeitsvideo" soll sich in Ihrem familiären Kreis abgespielt haben.

Wortmann: Mit mir persönlich hat der Film weniger zu tun, meine Hochzeit lief zum Glück problemlos ab. Zudem hat eine Verwandte von mir auch einen Piloten geheiratet, obwohl sie ihn erst vier Monate kannte. Damit haben sich die Parallelen dann auch schon erschöpft. Ich fand diese Grundkonstellation sehr verlockend. Im Film kennen sich die Familien überhaupt nicht. Und weil sie dazu noch aus zwei völlig unterschiedlichen sozialen Lagern stammen, war das die beste Voraussetzung für eine Komödie.

Ricore: Apropos Romantik: Glauben Sie denn persönlich an die Dauerhaftigkeit von Beziehungen? Im Film jedenfalls kriselt es zwischen dem Paar noch vor der Hochzeit.

Wortmann: Krisen gehören zu einer Beziehung. Trotzdem glaube ich, dass Beziehungen von Bestand sein können Meine Frau und ich fetzen uns manchmal auch wie die Kesselflicker, aber das gehört nun mal dazu. Nach einem Streit verträgt man sich wieder und besinnt sich auf die Gemeinsamkeiten, die einen verbinden. Man kann nicht immer der gleichen Meinung sein, das wäre ja langweilig.
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Sönke Wortmann am Set der "Päpstin"
Ricore: Das heißt, Sie und ihre Frau sind eher gegensätzliche Naturen.

Wortmann: Ja, wir sind total gegensätzlich. Und das macht den Spaß dieser Ehe aus. Wenn meine Frau wie ich wäre, würde überhaupt keine Kommunikation stattfinden.

Ricore: Eine weitere Überschneidung zwischen dem Film und Ihnen könnte die Videokamera sein, welche die Protagonisten ständig bei sich haben. Ist die Kamera auch Ihr ständiger Begleiter?

Wortmann: Nein, überhaupt nicht. Ich besitze weder eine Videokamera, noch ein I-Phone, mit dem man filmen kann. Das hat wahrscheinlich mit meinem Beruf zu tun, da möchte ich in meinem Privatleben nichts damit zu tun haben. Abgesehen davon finde ich es schade, dass heute ständig fotografiert wird. Das nimmt mir ein bisschen die Romantik. Viele Eindrücke, die ich vom Leben gesammelt habe, haben sich als Erinnerung im Kopf eingebrannt. Sie sind nicht mit Fotos beweisbar und das finde ich schön.

Ricore: Ihre Filme zeichneten sich bis jetzt immer dadurch aus, dass sie handwerklich perfekt inszeniert waren. In "Das Hochzeitsvideo" haben Sie sich für eine Ästhetik des Unperfekten und Spontanen entschieden.

Wortmann: Wir zeigen den Film aus Sicht der Hochzeitsfilmer und daraus ergibt sich seine Ästhetik. Eigentlich neige ich dazu, eine gewisse Perfektion anzustreben, die aber hier völlig unangebracht gewesen wäre. Gerade das Improvisatorische macht den Reiz dieses Films aus.

Ricore: Andererseits wirken auch die Amateuraufnahmen komponiert und hochwertig.

Wortmann: Da sind Sie dem Medium Kino erlegen, was ich sehr schön finde. Allerdings wurden die Anfangsbilder, die den Urlaub des Paares in Lissabon zeigen, tatsächlich von einer Handykamera aufgenommen.
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Sönke Wortmann auf dem Set von "Das Hochzeitsvideo"
Ricore: Im Laufe des Films lösen Sie sich immer mehr von den Amateuraufnahmen. Die Erzählung verselbstständigt sich quasi. War Ihnen das Found-Footage-Konzept zu starr, um eine Geschichte zu erzählen.

Wortmann: Ja, es war mir letztendlich zu schwach. Wir konnten das Found-Footage-Prinzip nicht durchziehen, weil dafür unsere Aufnahmen einfach zu schön waren. In diesem Genre gibt es immer das Moment des Unbearbeiteten als Gestaltungsprinzip. "Blair Witch Project" zum Beispiel wurde in Schwarz-Weiß gedreht. In "Paranormal Activity" gibt es diese hässliche Videoästhetik, die mit Bedacht gewählt wurde, damit der Film authentisch wirkt. Bei "Das Hochzeitsvideo" handelt es sich um eine Komödie und es geht darin um eine Hochzeit, da muss man auch optisch eine gute Laune verbreiten. Der Film sollte also schon besser aussehen als ein normales Hochzeitsvideo.

Ricore: Neben den Found-Footage-Filmen als Referenz könnte man "Das Hochzeitsvideo" auch als Reaktion auf das Facebook- und YouTube-Zeitalter betrachten.

Wortmann: Nein, da kenne ich mich gar nicht aus. So wenig ich privat Kameras benutze, so wenig bin ich Internetaffin. Natürlich schreibe ich E-Mails und lese auch mal Zeitungen im Internet. Abgesehen davon bin ich jedoch in keinem sozialen Netzwerk aktiv und ich habe auch nicht das Gefühl, irgendwas zu verpassen. In diesem Sinne ist der Film kein Zugeständnis an das Internet-2.0-Zeitalter. Es stand von Anfang an das Found-Footage-Konzept im Raum, aber haben wir es uns schnell anders überlegt. Der Zuschauer ist für dieses Stilmittel mittlerweile sehr sensibilisiert. Früher konnte man noch behaupten, dass die gefilmten Vorfälle tatsächlich passiert seien, heute glauben einem die Leute das nicht mehr. Darum haben wir uns recht früh entschieden, das Found-Footage-Konzept zwar als Stilmittel durchzuziehen, ohne jedoch zu behaupten, dass das Material 'gefunden' wurde.

Ricore: Hat die Tatsache, dass Filmtechnik heute jedem zugänglich ist, Auswirkung auf die Ästhetik des Kinos und den Beruf des Filmemachens?

Wortmann: Nein, das denke ich nicht. Sicher gibt es einen Teilbereich des Kinos, der die Amateurfilm-Ästhetik aufgreift, aber der ist nicht so groß. Das Kino machen nach wie vor gute Drehbücher und bewegende Geschichten aus. Hinzu kommt eine kinogerechte Umsetzung. Kleine, authentische Filme sind eine Nische, die ganz interessant sein kann. Aber mehr als eine Nische ist es nicht.
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Lisa Bitter und Sönke Wortmann auf dem Set von "Das Hochzeitsvideo"
Ricore: In "Das Hochzeitsvideo" haben Sie bemerkenswerterweise auf prominente Schauspieler verzichtet. Lag das am ästhetischen Konzept oder gab es auch andere Beweggründe?

Wortmann: Wenn man Authentizität haben will, kann es kontraproduktiv sein, wenn man bekannte Schauspieler engagiert. Mir macht es großen Spaß, neue Leute zu finden und sie auf den Weg zu bringen. Ich denke, in "Das Hochzeitsvideo" sind einige dabei, die Karriere machen können.

Ricore: Sie haben in Ihrer Karriere viele sehr unterschiedliche Filme gemacht. Stört es Sie, dass Sie dennoch häufig als Fußball-Regisseur wahrgenommen werden?

Wortmann: Nein, nicht wirklich. Nach "Das Wunder von Bern" und "Deutschland. Ein Sommermärchen" wurde ich tatsächlich in eine Schublade gesteckt. Aber ich denke, durch "Die Päpstin" kam ich da schnell wieder raus. Jetzt habe ich nach langer Zeit wieder eine Komödie gedreht. Mal sehen, was als nächstes kommt

Ricore: Sie haben vor kurzem nach langer Zeit wieder ein Theaterstück inszeniert, und zwar "Frau Müller muss weg" von Lutz Hübner. Wollen Sie in Zukunft zweigleisig fahren und sowohl fürs Kino als auch fürs Theater arbeiten?

Wortmann: Ich werde sicher wieder Theater machen. Es ist ein schönes Trainingslager. Man ist wochenlang mit Schauspielern zusammen und kann dabei auch sehr viel über das Filmemachen lernen. Es ist eine Arbeit, die sich gegenseitig befruchtet.

Ricore: Können Sie eins der Themen nennen, an dem Sie zurzeit arbeiten?

Wortmann: Nein, im Moment nicht. Wenn Sie mich in zwei Wochen fragen, könnte ich sicher mehr sagen. Heute ist noch nichts spruchreif.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch
erschienen am 9. Mai 2012
Zum Thema
Fußball gehört zu Sönke Wortmanns großen Leidenschaften. Als Junge träumte er davon, Profispieler zu werden. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 begleitet er die deutsche Nationalmannschaft bei ihrem Kampf um den Titel. Das Ergebnis ist die Doku "Deutschland. Ein Sommermärchen". Als seinen besten Film bezeichnet er selbst jedoch "Das Wunder von Bern", der sich ebenfalls um Fußball dreht.Die Päpstin", ein Film über die Legende um Papst Johannes Anglicus, der eine Frau gewesen sein soll. Mit..
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2024