Sony Pictures
Christoph Waltz beim Photocall in Berlin zu "Django Unchained"
Wiedervereinigung mit Quentin Tarantino
Interview: Christoph Waltz im Wilden Westen
Quentin Tarantino sei Dank! Ohne den begnadeten Regisseur wäre das internationale Publikum vielleicht nie auf das Talent von Christoph Waltz aufmerksam geworden. Seit er für seine Rolle in Tarantinos "Inglourious Basterds" mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, ist der Österreicher auch in Hollywood ein gefragter Schauspieler. Im Interview mit Filmreporter.de berichtet Waltz von seiner erneuten Zusammenarbeit mit Tarantino beim Western "Django Unchained". Zudem spricht er über seinen derzeitigen Erfolg und den Charme von Kodarsteller Leonardo DiCaprio.
erschienen am 15. 01. 2013
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Quentin Tarantino prüft Cowboygürtel in in "Django Unchained"
Ricore: Sie haben schon mehrfach wirklich gemeine Kerle auf der Leinwand verkörpert. Im Western "Django Unchained" tun Sie das erneut. Gefällt es Ihnen, den Bösen zu spielen?

Christoph Waltz: Ich betrachte niemanden als gut oder böse. Im wahren Leben tue ich das schon, aber nicht, wenn ich einen Charakter spiele. Man tut sich keinen Gefallen, wenn man ein Urteil über die Figur fällt. Ich meine, kommen Sie, er ist ein Kopfgeldjäger, der vor 150 Jahren lebte, einer Zeit, die in Wirklichkeit abscheulich war. Denken Sie an Clint Eastwood, der Leuten in den Rücken geschossen hat. Bei mir kommt es nicht mal zu Schießereien, ich sitze in einem Baum und erledige es mit einer kleinen Knarre aus einer Entfernung von 200 Yards [lacht].

Ricore: Sie haben bei dem Film zum zweiten Mal mit Quentin Tarantino zusammengearbeitet. Gibt er Ihnen inzwischen noch detaillierte Regieanweisungen?

Waltz: Natürlich tut er das, es sind bloß andere Details. Es wäre sehr langweilig, eine bestimmte Routine zu etablieren und sie dann einfach durchzuziehen. Es ist eine ganz andere Dynamik, alles ist diesmal vollkommen anders. Damals haben wir bei minus zehn Grad Celsius in Berlin gedreht, während wir bei diesem Film in New Orleans waren, wo es 30 Grad warm war. Alles ist vollkommen anders und so soll es auch sein.

Ricore: Wie erstaunt sind Sie über Ihren derzeitigen Erfolg, wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken?

Waltz: Das verändert sich im Laufe der Jahre. Wenn man anfängt - und ich habe mit 19 angefangen - hat man natürlich die höchsten Erwartungen. Man denkt nicht an Oscars, doch man hat sehr hohe Ansprüche und hofft, dass die Karriere erfolgreich verläuft. Dann kommen die ersten Enttäuschungen und man hat eine lange, harte Strecke vor sich. Am Ende arbeitet man dann gar nicht oder zumindest eine Zeitlang nicht. Als dann schließlich irgendwie alles in Gang kam, von dem ich nicht zu träumen gewagt hatte, als ich 20 war, habe ich es auf eine andere, beruhigtere Weise zu schätzen gewusst, da ich die andere Seite der Medaille kannte.

Ricore: Wie würden Sie die Beziehung zwischen Ihrem Charakter und Django beschreiben. Er ist wie ein Mentor für ihn, nicht wahr?

Waltz: Das könnte man so sagen, doch ich habe diese fiese Angewohnheit, nichts in Bezug auf meinen Charakter zu erläutern. Es ist eine Art Obsession, nicht über meine Charaktere zu sprechen, weil ich will, dass man es sieht, wenn man den Film schaut. Ich will nicht, dass man das Gesehene mit dem vergleicht, was ich gesagt habe, denn was ich sage ist vollkommen irrelevant. Absolut. Und warum sollte ich mit meinen Worten einem Charakter schaden wollen, den jemand sehen will? Wenn der Film gezeigt wird, ist der Zuschauer die wichtigste Person. Warum sollte ich mich dazwischen drängen?
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Christoph Waltz in Berlin mit Fan (Premiere zu "Django Unchained")
Ricore: Was denken Sie über den Europäischen Western?

Waltz: Spaghettiwestern sind anders als andere Western, es ist ein anderes Genre. Vielleicht ist es ein Subgenre, doch das ist eine eher theoretische Frage. Das ist die Art und Weise, wie Quentin arbeitet. Er macht sich das Genre zu Eigen und hebt es auf ein höheres Level. Das ist wirklich erstaunlich.

Ricore: Wie fühlt es sich an, dass Tarantino Ihnen eine Rolle auf den Leib schreibt? Das passiert nicht allzu vielen Schauspielern...

Waltz: Was denken Sie wohl, wie sich das anfühlt [lacht]? Vor allem, da er mir die Seiten zum Lesen gab, sobald er eine Szene fertig geschrieben hatte. Ich saß wirklich in seinem Haus und las die Seiten, sobald sie fertig waren.

Ricore: Haben Sie ihm viel Feedback gegeben?

Waltz: Nein [lacht]. Das wäre wirklich, wirklich dumm. Davon abgesehen, wäre das so, als ob ich mir selbst in den Fuß schießen würde. Denn wenn ich etwas zu sagen hätte, sollte ich selbst ein Drehbuch schreiben. Doch ich will nicht das spielen, was ich mir ausdenke, ich will versuchen, Quentins Ideen umzusetzen. Nicht weil ich mich unterlegen fühle, obwohl ich das in der Hinsicht bin. Doch es stört mich nicht. Ich freue mich darauf, herauszufinden, was er geschrieben hat. Es ist unvermeidbar, dass früher oder später mein Blickwinkel eine Rolle spielt. Doch ich will nicht schon am Anfang sagen: 'Oh, ich bin wirklich gut darin, lustige Grimassen zu schneiden, warum nimmst du das nicht mit rein?' [lacht] Es wäre bedauerlich, sich einzumischen.

Ricore: Was ist mit Vorschlägen zur Ausarbeitung Ihres Charakters?

Waltz: Es gab einen witzigen Moment, als ich ein Dinner mit Quentin haben sollte und er eine halbe Stunde vorher anrief und das Treffen absagte. Er sagte: 'Ich schreibe gerade und bin so neugierig, wie die Geschichte weitergeht.' [lacht] Wenn ich mich in diesen Prozess einmischen würde, wäre das nicht gut. Er schreibt, um herauszufinden, wie es sich entwickelt und steht hinter seinen Charakteren.
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Christoph Waltz beim Photocall in Berlin zu "Django Unchained"
Ricore: Die Szene, in der ein Zahn gezogen wird, sah schmerzhaft aus. Haben Sie irgendwelche schlechten Erinnerungen an einen Zahnarztbesuch?

Waltz: [lacht] Nein, nur gute Erinnerungen. Wegen Zahnärzten habe ich mir nie Sorgen gemacht. Ich denke, Angst vor Zahnärzten zu haben, ist eine Art Tradition, die von damals stammt, als man noch mit dem Knie auf der Brust und der Zange im Mund rohe Gewalt angewendet hat.

Ricore: Sie haben bei "Django Unchained" mit Leonardo DiCaprio gearbeitet, dessen Karriere ganz anders verlaufen ist, als ihre. Er wurde bereits in jungen Jahren zum Star und ist seitdem erfolgreich. Was denken Sie über ihn?

Waltz: Absolut, er war von Beginn an ein Star. Ich war sehr neugierig, weil er in seinen letzten Filmen sehr ernst und dramatisch war, wobei er eigentlich ein unglaublich charmanter Mensch ist. Als ich ihn vor ein paar Jahren zum ersten Mal traf, hatte er so eine offene Art. Er ist freundlich, witzig, intelligent und ein wundervoller Gesprächspartner, der sehr belesen ist. Wenn man jedoch seine letzten fünf oder sechs Filme sieht, macht er aufgrund der Charaktere, die er spielt, einen eher verschlossenen Eindruck.

Ricore: Und bei "Django Unchained" ist das anders...

Waltz: Als ich ihn damals traf, dachte ich mir, dass ich ihn gerne in einer Rolle sehen würde, in der er diese tolle Offenheit und seinen Charme zur Geltung bringen kann und bei dieser Rolle ist es soweit. Ich sehe darin, alles was ich mir gewünscht hatte. Davon abgesehen, ist es eine wahre Freude mit ihm zu arbeiten, weil er so aufmerksam ist. Ich schäme mich fast zu sagen, dass ich nicht erwartet hatte, dass es so gut ist. Wer bin ich schon, um irgendetwas von Leo zu erwarten, aber Sie wissen, was ich meine. Ich bin ein wenig zerknirscht, zu sagen, dass ich es nicht erwartet hatte.

Ricore: Interessierten Sie sich schon vor dem Film für Cowboys und Indianer?

Waltz: Nicht besonders. Ich habe mir lediglich die Filme angeschaut, als sie herauskamen. Als "Spiel mir das Lied vom Tod" herauskam, war ich etwa zwölf. Als der Film in Wien gestartet ist, habe ich immer wieder versucht, reinzukommen. Doch es hieß immer nur: 'Komm zurück, wenn du alt genug bist.' [lacht]

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 15. Januar 2013
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