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Sabin Tambrea spielt Ludwig II.
Verlust der Identität
Interview: Sabin Tambrea kämpft für die Kunst
Eigentlich ist Sabin Tambrea Theaterschauspieler. Doch für "Ludwig II." tauscht er gerne die Bühne gegen das Filmset ein. In Rumänien geboren, lebt und arbeitet der heute 28-Jährige in Berlin. Wie er sich an die royale, emotionale und wahnsinnige Seite des bayerischen Märchenkönigs herangetastet hat, erzählt er im Interview mit Filmreporter.de. Außerdem verrät er uns, warum er als Kind lieber im Theater als bei seinem Babysitter war und wo er sich wirklich zu Hause fühlt.
erschienen am 3. 01. 2013
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Hannah Herzsprung, Sabin Tambrea, Paula Beer auf der Wiener Premiere
Ricore Text: Sie sind in Rumänien geboren und leben in Berlin. Inwiefern war Ihnen der bayerische König schon ein Begriff?

Sabin Tambrea: Ich hatte mit 15 Jahren den Wunsch, Dirigent zu werden. Deshalb habe ich mich viel mit Wagner befasst und so tauchte das erste Mal im Hintergrund dieser Mensch auf, von dem ich erfuhr, dass er Wagner unterstützt hat. Als ich dann zum ersten Mal in München war, staunte ich über die vielen Ludwig-Abbildungen in der Stadt.

Ricore: Wie haben Sie sich dem Charakter Ludwig II. angenähert?

Tambrea: Diese Rolle spielt man nicht mit links. Es gibt über 4.000 Bücher über Ihn. Die Produktion hat mir dann eine Liste mit der wichtigsten Literatur zusammengestellt. Außerdem habe ich mir die Filme und die Dokumentationen angeschaut und zudem die Briefwechsel zwischen Ludwig und Wagner studiert.

Ricore: Wie haben Sie sich an die emotionale Seite des Königs herangetastet?

Tambrea: Es war von Anfang nicht mein Anspruch, einen König zu spielen. Ich musste einen Menschen verkörpern, der nicht dazu bestimmt ist, die Funktion, welche die Gesellschaft von Ihm erwartet, zu erfüllen. Dann wird diese Figur für unsere Zeit interessanter.

Ricore: Wie ist es mit der wahnsinnigen Seite des Königs?

Tambrea: Ich würde nicht sagen, dass er wahnsinnig war. Er war ein jugendlicher Mensch mit vielen Zweifeln, wie jeder von uns. Einerseits hatte er große Angst, seine Funktion nicht erfüllen zu können und andererseits hatte er Wünsche die nicht mit seinem Amt zu vereinbaren waren.

Ricore: Wie war die Erfahrung, nicht nur mit einem, sondern mit zwei Regisseuren zu arbeiten?

Tambrea: Das war ein großes Geschenk. Ludwig ist ein solch komplexer Charakter, dass eine Sicht zu wenig gewesen wäre. Wir hatten viele Diskussionen über das Innenleben der Figur. Gerade dadurch konnte ich ein vielschichtiges Bild von Ludwig bekommen.

Ricore: Wie haben Sie sich an das Thema der Homosexualität herangewagt? Ihr Kollege Friedrich Mücke (spielt Richard Hornig) meint, er wäre aufgrund dieser Szene im Casting engagiert worden.

Tambrea: Ja, das stimmt. Die Besetzung war ganz wichtig, weil der Zuschauer an diese Liebe glauben muss. Deswegen war es auch ganz verständlich, dass wir diese Kuss-Szene im Casting hatten, damit man gleich sieht, springt der Funke über oder nicht. Mit Friedrich hat sich diese Szene ganz selbstverständlich angefühlt.
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Ludwig II.-Darsteller Sabin Tambrea
Ricore: Es gibt wilde Spekulationen zu Ludwigs Tod. Wie ist ihre Meinung darüber?

Tambrea: Ludwig war in seiner Jugend ein guter Schwimmer. Wenn man darüber nachdenkt, was er alles erlebt hat: Da kommt jemand, der ihn für verrückt erklärt und ihm alles nimmt, was er jemals hatte. Dann sieht er den Starnberger See, in dem er früher geschwommen ist. Der Instinkt sagt: Lauf, schwimm und sei frei. Ob es der stark veränderte Körper auch mitmacht, ist die Frage. Ich kann mir vorstellen, dass er aufgrund der Kälte einen Herzinfarkt hatte, und Gudden beim Versuch Ludwig zu retten ertrunken ist. Aber das ist nur eine der möglichen Varianten, die ich mir vorstellen könnte.

Ricore: Sind Sie wie Ludwig der Meinung, dass sich mit der Kunst alles friedlich lösen lässt?

Tambrea: Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. In unserem Land der Dichter und Denker werden gerade viele Subventionen für Theater gestrichen. Doch Kunst definiert die Identität unserer Gesellschaft. Kunst entsteht aus der Vergangenheit und blickt durch die Auseinandersetzung mit dem gewesenen in die Zukunft. Wenn Sie wegfällt, verlieren wir auch unsere Identität. Deswegen kämpfe ich genau wie Ludwig darum, dass die Kunst durch die Politik nicht gestrichen wird.

Ricore: Was bedeutet es, dass Sie mit der Kunst aufgewachsen sind?

Tambrea: Meine Eltern sind Musiker. Ich bin von klein auf im Theater gewesen. Ich habe das Theater als Zuhause empfunden. Mit vier Jahren habe ich mit Geige angefangen, danach kamen Bratsche und Klavier.

Ricore: Haben Sie Ihre Eltern immer mit ins Theater genommen oder wie kam es dazu?

Tambrea: Ja, ich mochte die Babysitterin nicht (lacht).

Ricore: Wie sind Sie damals nach Deutschland gekommen?

Tambrea: Mein Vater war 1985 auf Konzertreise und ist dabei nach Deutschland geflüchtet. Später kam die Familie nach. Wir sind seitdem aber fast jeden Sommer wieder nach Rumänien gefahren. Dort fühle ich mich sehr wohl. Mir sagt das Klima und die Herzlichkeit der Menschen sehr zu. Deswegen ist Rumänien meine Heimat und Deutschland mein Zuhause.

Ricore: Sie Sind eigentlich Theaterschauspieler. Wie haben Sie das mit dem Dreh zeitlich unter einen Hut gekriegt?

Tambrea: Ich war zu der Zeit des Castings fest am Berliner Ensemble engagiert. Mein Vertrag ging genau bis zum Beginn der Dreharbeiten. Das war ein riesiger Glücksfall. Jetzt bin ich wieder am Theater.
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Ludwig II.
Ricore: Sie spielen in Shakespeares "Was ihr wollt" unter der Regie ihrer Filmmutter Katharina Thalbach. Wie ist sie als Regisseurin?

Tambrea: Frau Thalbach ist zu jedem Zeitpunkt eine Kollegin für mich. Auch wenn Sie Regie führt. Sie ist in ihrem Herzen Schauspielerin und weiß genau, wie man sich auf der Bühne fühlt und was man für Anweisungen braucht.

Ricore: Ist die momentane Medienpräsenz ein positiver oder negativer Effekt für Sie?

Tambrea: Ich möchte das ungerne bewerten. Es ist mir eine Freude, dass ich über meine Arbeit reden kann und dass Interesse dafür besteht. Das macht mich stolz und bedeutet einen großen Unterschied zum Theater. Auf der Bühne am Abend sehen dich vielleicht 800 Leute und am nächsten Tag ist es, als wäre man nie da gewesen. Deswegen ist es schön, eine Arbeit zu machen, die bleibt.

Ricore: Ludwig hatte Angst vor Menschenmassen. Wie ist das bei Ihnen?

Tambrea: Ich bin nicht scheu. Ich habe gerne Kontakt zu meinem Publikum, auch während der Vorstellung. Eine vierte Wand stelle ich mir während der Aufführung nicht vor. Ich schaue gerne in die Augen der Zuschauer und beobachte ihre Reaktionen.

Ricore: Fehlt Ihnen diese Wechselwirkung beim Film?

Tambrea: Nein. Ich will auch hinter der Kamera immer Leute aus dem Team haben, die zusehen. Das sind immerhin die ersten Zuschauer. Wenn man nicht mal die erreicht, sieht es düster aus.

Ricore: Wie war das Gefühl, sich das erste Mal auf der großen Leinwand zu sehen?

Tambrea: Sehr überwältigend. Ich konnte erst mal eine Stunde nichts sagen. Das Gefühl war weder positiv noch negativ. Ich war einfach nur erschlagen. Ich glaubte, die vier Monate Dreh noch einmal innerhalb von zwei Stunden zu erleben. Schon beim Dreh habe ich mir jede Szene hinterher am Monitor angeschaut um objektiv einschätzen zu können, was ich verändern muss. Dennoch war es jetzt auf der großen Leinwand etwas völlig anderes.

Ricore: Das war ihr erster Kinofilm. Wird es weitere Projekte mit Ihnen geben?

Tambrea: Ja, sicherlich. Auch wenn ich eigentlich Theaterschauspieler bin, habe ich große Freude am Filmemachen. Ich werde einfach sehen, was an Angeboten reinkommt.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 3. Januar 2013
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