20th Century Fox
Sebastian Koch in Berlin bei der Pressekonferenz zu "Stirb langsam - Ein guter Tag zum Sterben"
"Ich versuche, bei mir zu bleiben"
Interview: Sebastian Koch bleibt geerdet
Sebastian Koch hat Florian Henckel von Donnersmarcks "Das Leben der Anderen" vieles zu verdanken. Seit dem internationalen Erfolg des DDR-Dramas kann er sich über zu wenige internationale Angebote nicht beklagen. Nach Paul Verhoevens "Black Book" und "Unknown Identity" mit Liam Neeson steht Koch nun an der Seite von Bruce Willis in "Stirb langsam - Ein guter Tag zum Sterben". Im Interview mit Filmreporter.de spricht der Schauspieler über seine Zusammenarbeit mit Bruce Willis und darüber, wie er seinen 50. Geburtstag auf dem Set gefeiert hat.
erschienen am 13. 02. 2013
20th Century Fox
Bruce Willis, Jai Courtney in Sebastian Koch in Aktion
Ricore: Herr Koch, "Stirb Langsam - Ein guter Tag zum Sterben" wird unter Verschluss gehalten. Haben Sie den Film schon sehen können.

Sebastian Koch: Ja, ich habe ihn schon gesehen, weil ich mich synchronisiert habe. Wir haben Mitte bzw. Ende August 2012 aufgehört zu drehen und Mitte Februar kommt der Film ja bereits in die Kinos. Das ist für eine so aufwändige Produktion eine sehr kurze Zeit. Das ist beeindruckend. Die Leute mussten Tag und Nacht daran gearbeitet haben.

Ricore: Sind Sie ein Actionfan?

Koch: Eigentlich gar nicht. Ich muss auch gestehen, dass ich vorher keinen einzigen "Stirb langsam"-Film gesehen hatte. Als das Angebot kam, holte ich das nach und war beeindruckt. Vor allem der erste und der dritte Teil sind außergewöhnlich gut.

Ricore: Wie hatten Sie es denn geschafft, "Stirb langsam" aus dem Weg zu gehen? Den haben doch zumindest die männlichen Kinogänger gesehen.

Koch: Ich muss in den 1980er Jahren auf einem anderen Trip gewesen sein. Es war eine Zeit, in der ich viel für das Theater gearbeitet habe. Da zählte die Bühne und nicht Actionfilme.

Ricore: Haben Sie auch Bruce Willis erzählt, dass Sie ihn nie in seiner Paraderolle gesehen haben?

Koch: Ja, das habe ich. Es ist ja nichts Schlimmes dabei. Im Gegenteil, es war schön, die Filme neu zu entdecken.

Ricore: Liest man bei so einem prestigeträchtigen Angebot vor der Zusage überhaupt das Drehbuch oder sagt man sofort zu?

Koch: Doch, ich lese die Drehbücher schon (lacht). Ein Angebot für "Stirb langsam" ist keines, das man normalerweise ablehnt. Wenn mir die Rolle aber gegen den Strich gegangen wäre, hätte ich sie dennoch nicht angenommen. Das Schöne an der ganzen Sache war, dass Regisseur John Moore "Das Leben der Anderen" und "Black Book" gesehen hatte und danach unbedingt mit mir arbeiten wollte. Das heißt, er muss eine klare Vision von dem gehabt haben, was er von mir haben wollte. Das hat mir die Arbeit vereinfacht.
20th Century Fox
Sebastian Koch mit Regisseur John Moore auf der Berliner Premiere
Ricore: Es heißt, dass Sie nervös waren, an der Seite von Bruce Willis zu spielen.

Koch: Vor Beginn der Dreharbeiten bin ich immer nervös. Das ist für mich wie eine Filmpremiere. Am ersten Drehtag gibt es kein Zurück mehr. Das ist sehr aufregend. Man fragt sich, ob man in der Lage ist, alle Ideen richtig umzusetzen und der Plan tatsächlich aufgeht. In dieser Phase schlafe ich immer relativ schlecht.

Ricore: Wie schwierig ist es, einen Spagat hinzukriegen zwischen einem Action-Blockbuster und einem Kammerspiel wie "Das Wochenende"?

Koch: Ich versuche, mich nicht zu wiederholen und die Möglichkeit, in so unterschiedlichen Filmen mitzuspielen, ist ein Traum. Außer "Das Wochenende" habe ich unter der Regie von Mike Figgis auch "Suspension of Disbelief" gemacht, einen sehr kleinen, intellektuellen Film mit einem Team von ca. 30 Leuten. Wir haben ihn in vier Wochen mit einem Budget von 1,2 Millionen Pfund in London gedreht. Auch das war genau das Gegenteil von "Stirb langsam - Ein guter Tag zum Sterben".

Ricore: Wie war die Chemie mit Bruce Willis am Set?

Koch: Bruce war während der Dreharbeiten gerade frischgebackener Vater. Seine Frau war mit dabei und sie haben sich sehr zurückgezogen. Dass er sich um seine Frau und sein Kind während der Dreharbeiten kümmern musste, war auch für ihn eine Ausnahmesituation. Arbeit und Privatleben waren bei dieser Produktion klar getrennt.

Ricore: Die Dreharbeiten fielen mit ihrem 50. Geburtstag zusammen. Wie haben Sie gefeiert?

Koch: Die Amerikaner pendeln während der Dreharbeiten nicht zwischen Zuhause und dem Arbeitsplatz. So erfuhr ich während der Dreharbeiten, dass ich vier Monate in Ungarn bleiben müsse. Aus diesem Grund mietete ich mir ein schönes großes Apartment mit einer schönen Dachterrasse und verlegte meinen Berliner Lebensmittelpunkt nach Budapest. Meinen Geburtstag feierte ich aber nicht dort, sondern im engsten Freundeskreis zu Hause. Das große Fest konnte wegen der Arbeit nicht stattfinden.

Ricore: Wie kriegen Sie die Arbeit und ihre Rolle als alleinerziehender Vater unter einen Hut?

Koch: Ich versuchte, meine Arbeit so zu legen, dass ich im ersten Jahr zu Hause sein konnte. Zum Beispiel fanden die Dreharbeiten zu "Unknown Identity" in Babelsberg statt, was ja um die Ecke liegt. Mit der Zeit hat sich das normalisiert. Seit Sommer 2012 ist meine Tochter in England, so dass ich wieder Zeit habe, international zu drehen.
20th Century Fox
Bruce Willis geht Sebastian Koch an die Gurgel
Ricore: Welche prägenden Erfahrungen haben Sie als alleinerziehender Vater gemacht?

Koch: Die Zeit, die man mit Kindern verbringt, ist sehr wertvoll. Es ist eine Zeit, die nicht verloren geht. Sie ist für beide Seiten sehr wichtig. Sie hat mir sehr gut getan.

Ricore: Wollten Sie nicht auch nach England?

Koch: Ja, das war ursprünglich mein Gedanke. Der Grund, warum meine Tochter in England ist, liegt unter anderem am deutschen Schulsystem. Ich bin ein totaler Gegner der Einführung von G8. Die Schüler müssen nicht ein Jahr früher Abi machen und sie müssen nicht ein Jahr früher in den Beruf. Das wirklich Dramatische an der Verkürzung der Schulzeit ist die Tatsache, dass für die Schüler das Auslandsjahr wegfällt. Die Idee war, Paulina durch den Englandaufenthalt zu ermöglichen, dass sie Englisch spricht. Wenn es ihr nicht gefällt, kann sie gerne wieder zurückkommen. Wenn es ihr gefällt, bleibt sie dort und ich komme nach.

Ricore: Würden Sie für immer nach England ziehen wollen?

Koch: Ich werde auf jeden Fall meine Berliner Wohnung behalten. Man kann ja auch in zwei Städten leben.

Ricore: Und Los Angeles, wo die Sonne gerade scheint, ist nicht Ihr Traum?

Koch: Die Sonne ist schön (lacht). Ich kann in bestimmten Ecken in Los Angeles gut leben, aber nicht auf Dauer. Das ist nicht mein Ding. Ich muss ja auch nicht dorthin ziehen. Hollywood kommt immer öfter nach Europa und dreht hier unglaublich viele Filme. Trotzdem bin ich mittlerweile gerne in Los Angeles. Vor vier Jahren war das noch nicht so.

Ricore: Warum?

Koch: Ich mochte das einfach nicht so gerne. Es war mir alles viel zu äußerlich. Das war nicht so mein Ding.

Ricore: War Ihnen bei "Stirb langsam" genug Charme und Herz dabei?

Koch: "Stirb langsam" hat seine eigenen Gesetze. Das ist es, was die Reihe so erfolgreich macht. Sie bewegen sich nicht weg von der Marke. Man kann die Uhr danach stellen, wann Bruce Willis seine Jacke auszieht und wann er anfängt zu bluten und dreckig zu werden. Das ist zuverlässiges Erzählen. Das kann auch einen Charme haben. Immerhin ist es das, was die Leute lieben.
20th Century Fox
Sebastian Koch beim Interview auf dem Roten Teppich
Ricore: Sie gelten als intellektueller Schauspieler. In einem Franchise wie "Stirb langsam" müssen Sie dagegen wie ein Rädchen im System funktionieren.

Koch: Wenn ich eine Idee habe, versuche ich sie durchzusetzen. Das ist in einem Actionfilm aus Hollywood genauso wie woanders. Es ist nur ein bisschen schwieriger (lacht).

Ricore: Wie schaffen Sie es, trotz des Erfolgs so bodenständig zu bleiben?

Koch: Das Bodenständige kam nicht über Nacht. Es ist gewachsen. Ich versuche, bei mir zu bleiben. als Schauspieler mache ich das, worauf ich Lust habe und was ich gerne mache. Dadurch ist die Gefahr des Abhebens nicht so groß.

Ricore: In den letzten Jahren haben sie in einigen großen internationalen Projekten mitgespielt. Verdanken Sie diese Tendenz dem Erfolg von "Das Leben der Anderen"?

Koch: Ja, auf jeden Fall. "Das Leben der Anderen" hat so viele Menschen auf der Welt nachhaltig berührt. Wenn ich heute jemanden von dem Film sprechen höre, dann klingt das so, als hätte er ihn erst gestern gesehen. Dabei lief er bereits vor Jahren im Kino. Das meine ich mit nachhaltig. Es ist ein großes Geschenk, so einen Film gemacht zu haben. Für mich hat er bewirkt, dass ich im englischsprachigen Raum bekannt geworden bin. Gerade für mich, der bei seinen Rollen besonders wählerisch ist, haben sich dadurch neue Möglichkeiten eröffnet. Die Chancen, ein tolles Buch zu finden, sind heute viel größer als vor "Das Leben der Anderen".

Ricore: Hat bei den Rollenangeboten das Privatleben noch Platz?

Koch: Der Schauspielerberuf hat wenig mit Rhythmus zu tun. Manchmal muss man viele Sachen auf einmal machen. Dann hat man wieder ein halbes Jahr Pause. Darauf muss man sich als Schauspieler einstellen und auch die Menschen im privaten Umfeld müssen sich damit abfinden. Ich versuche aber, mir am Drehort eine Wohnung zu nehmen, damit meine Leute mich besuchen können. Damit habe ich Privatleben am Arbeitsplatz.

Ricore: Betrachten Sie das unstete Leben als Schauspieler als Vorteil oder Nachteil?

Koch: Die größte Kraft ist immer auch die größte Schwäche. Wenn man einen klassischen Bürojob hat, genießt man andere Freiheiten. Man kann zum Beispiel genau planen, was in meinem Beruf nicht möglich ist. Dafür hab ich die Möglichkeit, viele Kulturen kennenzulernen. Außerdem begegne ich in meinem Beruf vielen interessanten Menschen, an deren Lebenserfahrung ich wachsen kann. Das ist ein großes Geschenk. Wenn man sich für einen Weg entscheidet, muss man zwangsweise Abstriche machen. Das betrifft auch die Häuslichkeit, die sicher etwas zu kurz kommt.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 13. Februar 2013
Zum Thema
Der gebürtige Karlsruher wächst bei seiner alleinerziehenden Mutter auf. 1982 besucht er die renommierte Der Tanz mit dem Teufel - Die Entführung des Richard Oetker" schafft er den Durchbruch. Für die Hauptrolle wird der Schauspieler 2002 mit dem Das Leben der Anderen". Das Drama gewinnt 2007 den Stirb langsam"-Franchises "Stirb langsam - Ein guter Tag zum Sterben" zu sehen. Zwei Jahre später besetzt ihn Steven Spielberg in seinem gefeierten Drama "Bridge of Spies - Der Unterhändler" für die..
Nachdem John McClane (Bruce Willis) schon so manchen Verbrecher und Terroristen erledigt hat, steht ihm eine besondere Aufgabe bevor. In Moskau muss der knallharte Bulle seinen Sohn Jack (Jai Courtney) sowie den Russen Komarov (Sebastian Koch) aus den Fängen der russischen Unterwelt befreien. Im Zuge der sehr persönlichen Mission greift McClane auch in die russische Politik ein. "Stirb langsam - Ein guter Tag zum Sterben" setzt neben der genreübliche Action auf das dynamische Verhältnis..
2024