Universum Film
Ray Winstone vertritt in "The Crime" das Gesetz
Erfolgreicher Brite in Hollywood
Interview: Ray Winstone - Boxer mit Herz
Ray Winstone spielt in dem Action-Thriller "The Crime" ausnahmsweise keinen Gangster, als vielmehr den Polizisten. Doch der Brite wäre nicht er selbst, wenn er nicht auch als Gesetzeshüter am Rande der Legalität agieren würde. Im Interview mit Filmreporter.de verrät der Schauspieler, wie das Verhältnis zu seinen Töchtern ist, welche Rolle Gewalt in seinem Leben gespielt hat und dass er sehr zufrieden mit dem Verlauf seiner Karriere ist.
erschienen am 26. 02. 2013
Universum Film
Ray Winstone
Ricore Text: "The Crime" basiert auf der britischen Fernsehserie "Die Füchse" aus dem Jahr 1976, in der Sie auch schon eine kleine Rolle hatten. Wie alt waren Sie da?

Ray Winstone: Zu der Zeit müsste ich so 17 oder 19 Jahre alt gewesen sein. Jetzt bin ich 56.

Ricore: War das Ihr erster Job als Schauspieler?

Winstone: Zumindest zu meiner Studienzeit. Vorher hatte ich auch schon kleinere Engagements. Bei meinem ersten gab es bei den Dreharbeiten einen Moment, in dem jemand in eine Pfeife blies und alle Frauen zogen ihre Tops aus. Ich dachte: Hey, das ist ja fantastisch (lacht).

Ricore: Kann "The Crime" die Stimmung des Originals einfangen?

Winstone: Auf gewisse Weise schon. Es ist zwar mehr ein Film geworden, der dem Action-Genre angehört. Aber die von mir gespielte Hauptfigur, der Polizist Jack Regan, gehört wiederum der alten Schule an. Er ist ein Dinosaurier, der erst Türen eintritt und dann Fragen stellt. Jack lebt in der Gegenwart, wirkt aber so, als ob er aus den 1970er Jahren kommt.

Ricore: Der Film handelt von einer Männerfreundschaft.

Winstone: Ja, aber auch von Erziehung. Ich habe drei Töchter und ich habe das Gefühl, dass sie mich erziehen. In meiner Generation wurde immer direkt gesagt, was man gedacht hat. Durch meine Töchter habe ich gelernt auch anders zu kommunizieren.

Ricore: Hatten Sie jemals einen Mentor, Sie wie Sie es in "The Crime" für Ihren Schauspielerkollegen Ben Drew waren?

Winstone: Nein, das brauchte ich auch nie. Also ich höre mir gerne die Ideen von anderen an, aber ich habe auch meine eigenen Vorstellungen, wie ich etwas machen will. Ich habe viel von Regisseuren wie Alan Clarke und Gary Oldman gelernt, aber was die Schauspielerei betrifft verlasse ich mich vor allem auf mein Gefühl. Gute Regisseure wollen gerade, dass du deine eigenen Ideen einbringst.
Universum Film
The Crime
Ricore: Sie haben auch in Robert Zemeckis' "Die Legende von Beowulf" mitgespielt, der mit der Motion-Capture-Technik aufgenommen wurde. Wie ist das für einen Schauspieler?

Winstone: Es war eine der interessantesten Erfahrungen, die ich jemals gemacht habe. Es sind 120 Kameras auf dich gerichtet und alle Schauspieler sind gleichzeitig in einem Raum. Als Darsteller ist es eine ganz besondere Herausforderung. Jede Bewegung von dir wird aufgenommen und da es keine realistische Umgebung gibt, muss man sich auf seine eigene Vorstellungskraft verlassen. Es ist wie eine Explosion in deinem Kopf, wenn du dir all die Sachen wie eine Burg, einen Drachen und einen Krieger selbst vorstellen musst. Und ich glaube, die Qualität von Motion-Capture-Filmen wird immer besser.

Ricore: Ihre Tochter Jaime ist ebenfalls Schauspielerin. Geben Sie ihr manchmal Tipps?

Winstone: Nein, eigentlich nicht. Sie ist ein unabhängiges Mädchen wie meine anderen beiden Töchter auch, was mich sehr stolz macht.

Ricore: Viele Ihrer Filme wie "Scum - Abschaum" und "Departed - Unter Feinden" sind sehr gewalttätig. Haben Sie auch persönliche Erfahrungen mit Gewalt gemacht?

Winstone: Selbstverständlich. Als junger Mann bin ich mit Gewalt aufgewachsen. Und das auf sehr unterschiedlichen Ebenen. Eine Auseinandersetzung mit Fäusten ist die eine Sache. Aber ich habe Brutaleres gesehen, auch wenn es nicht unbedingt mich oder Leute betraf, die mir nahe stehen. Im Film gezeigte Gewalt sollte deutlich machen, dass sie nicht nur der Person schadet, der sie angetan wird, sondern auch dessen Angehörigen und möglicherweise auch vielen weiteren. Sie darf aber nicht zu übertrieben dargestellt werden, sonst werden die Konsequenzen nicht deutlich. Das haben wir auch in "The Crime" versucht, richtig zu machen. Generell habe ich das Gefühl, dass die Gesellschaft sich zurückentwickelt. Obwohl wir eigentlich fortschrittlich sind, werden Menschen auch schon mal aus Spaß von anderen umgebracht.

Ricore: In "The Crime" gibt es eine große Schießerei auf dem Trafalgar Square in London. Wie schwer war es, diese Szene zu drehen?

Winstone: Wir waren froh, dass wir in Zeiten der Bedrohung durch Terrorismus die Genehmigung dafür erhalten haben, an einem Sonntagmorgen in der Nähe des Schlafzimmers der Queen im Buckingham Palace eine solche Szene drehen zu dürfen. Das war wichtig, denn dieser Moment ist ein entscheidender Teil des Films.

Ricore: Sie sind ein großer Fußball-Fan. Hätten Sie Lust mal in einem typisch britischen Hooligan-Film mitzuspielen?

Winstone: Ich glaube nicht. Es wurden schon genug Filme dieser Art wie Alan Clarkes "The Firm" gedreht.
Universum Film
Ray Winstone und Ben Drew beim Teamwork
Ricore: Sie haben eine Zeit lang erfolgreich geboxt. Warum haben Sie sich doch für die Filmkarriere entschieden?

Winstone: Ich hatte keine Lust mehr, Treffer einstecken zu müssen (lacht). Also ich glaube ich war nie gut genug, um ein professioneller Boxer zu werden. Aber in meiner Heimatstadt London hat man auf der Straße Respekt dafür erhalten, wenn man sich als Boxer behaupten konnte. Ich war in einem Boxclub und so etwas ist eine gute Sache, da dort die Hautfarbe keine Rolle spielte. Da gibt es keinen Rassismus wie man ihn manchmal beim Fußball sieht. Beim Boxen habe ich viel für das Leben und den Beruf gelernt: Du musst Ehre und Tapferkeit besitzen und ich glaube, viele Leute können das heutzutage nicht mehr von sich behaupten.

Ricore: Wie würden Sie Ihr Geld verdienen, wenn Sie nicht Schauspieler geworden wären - gab es einen Plan B?

Winstone: Ich bin jetzt schon so lange in dem Job und manchmal ist man erschöpft und es reicht einem. Also was hätte ich ansonsten gemacht? Ich war es als Junge gewöhnt auf dem Markt zu arbeiten. Ich hatte keine Ausbildung, also hätte ich auch nicht in irgendeinem Büro arbeiten können. Ich bin also sehr froh, dass ich Schauspieler geworden bin und so auch großartige Menschen kennenlernen kann. Ich wäre auf jeden Fall kein Polizist geworden, denn von da wo ich herkomme, wurde man einfach kein Polizist. Aber manches hat sich für mich geändert. Wenn man älter wird, denkt man vor allem daran, seine Kinder zu schützen. Manche meiner alten Kollegen sind tatsächlich noch Polizisten geworden. Sie meldeten sich zum Dienst, um etwas in der Gesellschaft verändern zu wollen. Und das ist gut so, denn wir alle müssen beschützt werden.

Ricore: Können Sie uns schon etwas über Ihr neues Projekt "Noah" verraten?

Winstone: Regisseur Darren Aronofsky ist sehr talentiert. Es war toll mit ihm zusammenzuarbeiten. Ich musste lachen, als ich das Drehbuch gelesen habe - auch als ich erfahren habe, dass Russell Crowe die Rolle Noahs spielen wird. Die Dreharbeiten zu "Noah" hatten epischen Charakter. Das ganze Blut und die Gewalt. Es gibt so viele Bezüge zur heutigen Zeit, wenn man bedenkt, wie wir unseren Planeten behandeln. Es war auch ein tolles Erlebnis mit all den Tieren bei den Dreharbeiten. Wir haben in Long Island und New York gedreht. Und dann gab es da diesen unglaublichen Sturm in New York, als ob Gott nicht gewollt hätte, dass wir diesen Film drehen. Das war unheimlich.

Ricore: Was muss ein Drehbuch haben, damit Sie mitspielen wollen?

Winstone: Manche Rollen muss man einfach annehmen, um seine Rechnungen bezahlen zu können. Und dann macht man das Beste daraus. Der Idealfall ist natürlich, wenn man vom Drehbuch so beeindruckt und ergriffen ist, dass man in dem Film unbedingt mitspielen will. Bei mir war das zum Beispiel bei "Sexy Beast" und "44 Inch Chest - Mehr Platz braucht Rache" der Fall. Es gibt einfach unglaublich viel zum Lachen und Weinen bei diesen beiden Filmen.

Ricore: Sind Sie stolz, einer der bekanntesten britischen Darsteller in Hollywood zu sein?

Winstone: Auf jeden Fall. Ich hätte niemals gedacht, dass sich alles so entwickeln würde. Aber manche Leute reagieren auf uns Schauspieler, als wären wir Rockstars. Das müssen sie gar nicht, denn auch wir sind ganz normale Menschen.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 26. Februar 2013
Zum Thema
The Crime (Kinofilm)
Jack Regan (Ray Winstone) und George Carter (Ben Drew) sind Mitglieder der Spezialeinheit 'Flying Squad' beim Scotland Yard. Die beiden Londoner Polizisten und ihre Kollegen sind bekannt für ihre kompromisslose Vorgehensweise im Kampf gegen das Verbrechen. Da sie dabei nicht immer nach Dienstvorschrift vorgehen, geraten sie ins Visier der Dienstaufsicht. Nick Love setzt in seinem Cop-Thriller gekonnt auf düstere Bilder und harte Actioneinlagen.
Der 1957 in London geborene und aufgewachsene Schauspieler und Produzent Ray Winstone macht sich in seiner Jugend einen Namen als Boxer. Er gewinnt drei Mal die Londoner Schulmeisterschaften und tritt auf zwei Turnieren für England in den Ring. In seinen zehn aktiven Jahren gewinnt Winstone über 80 Medaillen und Trophäen. Alan Clarke 1979 für eine der Hauptrollen in dem Gefängnisdrama "Scum - Abschaum" entdeckt. Im selben Jahr geht der Schauspieler mit Freundin Elaine den Bund der Ehe ein, aus..
2024