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Regisseur Felix van Groeningen ("The Broken Circle")
Gequält von Felix van Groeningen?
Interview: Masochist Johan Heldenbergh
Johan Heldenbergh und Felix van Groeningen sind ein eingespieltes Team. Nach "Steve + Sky" und "Die Beschissenheit der Dinge", arbeitet das Duo an "The Broken Circle" ein drittes Mal zusammen. Die beiden verstehen sich offensichtlich gut, das wird auch im Interview mit Ricore Text deutlich. Gut gelaunt sprechen die beiden über ihre langjährige Freundschaft, wie sie negative Erlebnisse überwinden und was für sie Religiosität bedeutet. Außerdem erläutert Heldenbergh unter dem erschrockenen Blick van Groeningens, weshalb er sich manchmal vorstellt, seine Kinder zu töten.
erschienen am 26. 04. 2013
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The Broken Circle
Ricore Text: Adaptionen von Theaterstücken gelten als besonders schwierig. Wie erging es Ihnen bei "The Broken Circle"?

Felix van Groeningen: Es ist immer schwer eine Vorlage zu adaptieren, egal worauf sie basiert. Im Falle von "The Broken Circle" war es deshalb so kompliziert, weil das Original so gut ist. Ich finde das Stück von Johan echt genial! Meine Angst war, dass ich dem Theaterstück nicht gerecht werden könnte. Das ließ den Druck immer größer werden. Ich sah das Stück wieder und wieder, doch ich musste es erst vergessen, damit ich einen eigenständigen Film machen konnte. Er musste seine eigene Logik haben. Das ist der Grund, was die Umsetzung des Stücks so schwierig machte.

Ricore: Waren Sie sofort mit der Idee einer Adaption einverstanden?

Johan Heldenbergh: Ja. Schon als ich damals das Stück geschrieben habe, spürte ich, dass der Stoff später auch für einen Spielfilm genutzt werden sollte. Allerdings konnte ich mir nicht wirklich vorstellen, dass das klappt, dafür ist der Stoff eigentlich zu hart. Wenn mir damals dann jemand noch erzählt hätte, dass eines Tages Felix auf mich zukommen würde, mit der Bitte das Stück verfilmen zu dürfen, hätte ich dieser Person nicht geglaubt.

Ricore: Weshalb?

Van Groeningen: Er dachte, ich wäre zu cool für seine Geschichte [lacht].

Heldenbergh: Nein, das stimmt doch überhaupt nicht! [lacht] Ich hatte vor "The Broken Circle" schon zwei Filme mit Felix gemacht, kannte ihn also recht gut und bewunderte seine Arbeit. Tatsächlich glaube ich, dass er der derzeit beste belgische Regisseur ist. Aber dieser Film ist einfach total anders, als seine bisherigen Sachen, insofern war ich sehr überrascht.

Ricore: Was ist die größte Veränderung vom Theaterstück zum Film?

Van Groeningen: Im Theaterstück geht es grundsätzlich um zwei Leute, die 90 Minuten miteinander sprechen. Es ist ein Konzert und die beiden erzählen uns was passiert ist. Das Schwierigste war also diese Riesenmengen an Text, die etliche Monologe enthielten, in kleine übersichtliche Stücke herunterzubrechen und in filmische Szenen umzuwandeln. Manchmal dauerte dies jedoch extrem lange, da es nicht möglich war, die großen Textblöcke einfach in kleine Dialoge zu übertragen. Manchmal musste man die Vorlage so aufteilen, dass ein einzelnes Stück auf den gesamten Film aufgeteilt wurde. Das war das Schwierigste und die größte Veränderung.

Ricore: Weshalb wollten Sie auf keinen Fall am Drehbuch mitarbeiten?

Heldenbergh: Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich beim Drehbuch hilfreich sein könnte. Ich stehe dem Theaterstück zu nahe, um neutral an das Skript herangehen zu können. Außerdem habe und hatte ich so viel Vertrauen in Felix' Fähigkeiten, dass ich mir keine ernsthaften Sorgen machen musste. So bin ich der Meinung, dass sein Werk "Die Beschissenheit der Dinge" besser ist, als die dazugehörige Romanvorlage. Der Film hat mich emotional wesentlich mehr bewegt. Insofern hätte es nur schief gehen können, wenn ich Felix nicht seine Sachen machen lasse.

Ricore: Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Sie Ihrem Kollegen überhaupt keine Hinweise gegeben haben.

Van Groeningen: Natürlich tat er das. Ich habe ihm eine Menge Fragen gestellt.

Heldenbergh: Er hat mich oft angerufen. Ich habe ihm dann aber immer gesagt: 'Entschuldigung Felix, aber ich kann dir da auch nicht weiterhelfen!'

Van Groeningen: Es ist wirklich toll, wie generös er zu mir war und wie sehr er mir freie Hand gelassen hat.

Heldenbergh: Wenn ich so etwas wie Felix machen würde, würde ich ebenfalls auf 100 Prozent Unabhängigkeit bestehen. Ansonsten hätte ich nicht die Möglichkeit meine eigene Idee von der Geschichte zu erzählen. Es wäre lediglich ein fauler Kompromiss. Als Regisseur ist es jedoch besonders wichtig, komplett frei agieren zu können. Und um ganz ehrlich zu sein: Hätte Felix gesagt, dass er den Film mit House-Musik statt Bluegrass inszenieren wolle, hätte ich ihn zwar machen lassen, meine Teilnahme als Schauspieler jedoch abgesagt, da ich mir nicht hätte vorstellen können so eine Person zu verkörpern [van Groeningen lacht]. Das ist dann meine Freiheit als Schauspieler.
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Johan Heldenbergh und Veerle Baetens in "The Broken Circle"
Ricore: Hatten Sie denn andere Schauspieler für die Rolle Didiers im Sinn?

Van Groeningen: Nein.

Ricore: Und bei Alabama?

Van Groeningen: Da wusste ich zunächst nicht was ich wollte. Ich wusste zwar während des Schreibprozesses, dass von dieser Figur ein anderes Bild entsteht, als im Theaterstück, mehr aber auch nicht. Daher führten wir Castings durch, die insofern sehr aufschlussreich waren, als dass verschiedenste Facetten von Alabama offen gelegt wurden, die wir bisher nicht kannten und die uns bei der Weiterentwicklung der Figur sehr halfen. Als wir schließlich auf Veerle Baetens trafen, war ich sehr schnell davon überzeugt, dass sie Alabama spielen muss.

Ricore: Was hat den Ausschlag gegeben?

Van Groeningen: [Überlegt lange] Sie war die erste Person, die den Didier-Charakter wirklich herausforderte. Sie hat nicht einfach seine Schreiereien über sich ergehen lassen, sondern richtig Kontra gegeben. Das erschreckte mich ebenso wie Johan und ich wollte sie deshalb erst nicht nehmen. Dann dachte ich mir aber: 'Wenn das der einzige Grund ist, weshalb ich sie nicht nehmen will, dann bin ich wirklich ein Weichei. Denn die neue Seite ist genau das, was wir beim Casting herausfinden wollen.' So haben wir schließlich auf Veerle gesetzt.

Heldenbergh: Ich habe während des Castings mit elf Schauspielerinnen gearbeitet. Da ich wie bereits erwähnt den Typen hier neben mir sehr gut kenne, wusste ich sofort, dass Veerle die Rolle bekommen würde, als sie erstmals die Bühne betrat. Sie fragte mich, wie sie den Charakter am besten knacken könnte, so schlug ich ihr scherzhaft vor, dass sie ja anfangen könne mich zu schlagen, was sie dann tatsächlich in die Tat umgesetzt hat. Das war ziemlich taff und in dem Moment wusste ich, dass Veerle genau die ist, die Felix die ganze Zeit sucht [Heldenbergh und van Groeningen lachen].

Ricore: Haben auch Sie etwas Neues über Didier erfahren?

Heldenbergh: Natürlich. Alleine schon deswegen, weil eine andere Darstellerin meinen Gegenpart Elise/Alabama verkörperte. Insofern veränderte sich diese Figur auch. Didier aus dem Theaterstück hätte sich niemals in die Elise aus dem Film verliebt. Insofern habe ich etwas Neues über meinen Charakter gelernt, obwohl ich ihn schon mehrere Hundert Mal gespielt habe.

Van Groeningen: Was mir wirklich sehr gefallen hat, war die Art wie wir alle zusammen neue Seiten von Didier entdeckt haben. Auf der Bühne schreit er die ganze Zeit und ist sehr wütend. Ungefähr die Hälfte der Zeit befindet er sich in diesem Zustand. Im Film war dies überhaupt nicht möglich, schon weil die Geschichte des Paares über einen Zeitraum von sieben Jahren erzählt wird. Deshalb war es nötig, dass sich Didier sowohl vom Theaterstück zum Film, aber auch innerhalb des Films selbst verändert und dies für den Zuschauer nachvollziehbar ist.

Ricore: Welcher Didier ist Ihnen ähnlicher?

Heldenbergh: [Überlegt lange] Ich versuche bereits seit über 30 Jahren ein guter Cowboy zu sein und ich denke, der aus dem Film ist der bessere. Sein Lebensstil, seine künstlerischen Arbeiten, seine Art Dinge miteinander zu vermischen und seine Fähigkeit ein Pferd zu reiten, entspricht einfach mehr der Art eines Cowboys [Groeningen fängt an zu lachen]. Ich hingegen bin allergisch gegen Pferde, ich kann keine von diesen ganzen Sachen, die man mit Pferden so anstellt. Insofern steht mir der Didier aus dem Theaterstück wesentlich näher.

Ricore: Wie sind Sie überhaupt auf die Idee zu "The Broken Circle" gekommen?

Heldenbergh: Ich habe die Geschichte nicht so lange mit mir rumgetragen. Ich wollte etwas über die Religion erzählen und dass die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wieder mehr Einzug in unseren Alltag gehalten hat. Alles hat sich verändert, das hat mir ein wenig Angst gemacht. Irgendwann hatte ich schließlich das Gefühl, meine Religionsgeschichte in Verbindung mit dem Bluegrass erzählen zu müssen. Da letztlich diese beiden Grundthemen vorgegeben waren, entstand die eigentliche Geschichte wie von selbst.
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Johan Heldenbergh und Veerle Baetens in "The Broken Circle"
Ricore: Sind Sie religiös?

Heldenbergh: Ich bin religiös, aber ein Atheist. Ich kann sehr dankbar sein für die Dinge, die mir in meinem Leben bisher passiert sind. Das ist auch eine Form religiös zu sein. Aber ich glaube an keinen Gott, der uns für Dinge bestraft, die wir falsch gemacht haben. Ich glaube nicht an die Sünde, die Heiligkeit und all so ein Zeug.

Ricore: Was hilft Ihnen dann mit schwierigen Lebenssituationen zurechtzukommen?

Heldenbergh: [Zögert etwas] Ich sehe das Leben als ein Geschenk an, mit dem man sorgsam umgehen sollte. Wenn ich ein Problem habe, frage ich nicht nach Dingen, die ich nicht sehen, nicht fühlen kann. In erster Linie kann nur ich selbst für mein Leben Verantwortung übernehmen und es wieder in Ordnung bringen, falls mal etwas schief läuft. Ansonsten finde ich Lebenskraft in mir, den Menschen die ich liebe sowie in meinem Glaube an das Gute im Menschen.

Ricore: Worin finden Sie Trost Herr van Groeningen?

Van Groeningen: [Überlegt lange] Ich bin ebenfalls nicht religiös. Aber ich finde es merkwürdig, dass ich manchmal festzustellen glaube, dass noch andere Dinge vor sich gehen, neben den Sachen, die wir direkt wahrnehmen können. Als mein Vater gestorben ist, habe ich in den Wochen danach ständig Zeichen gesehen. Ich wusste, dass ich mir selbst etwas vormache. Aber das war mir egal. Ich dachte: 'Ok, dann passiert das halt. Es geht auch wieder vorbei.' Ich fand das sehr merkwürdig, aber dennoch hat es gut getan [lacht verlegen]. Abgesehen davon bin ich keiner, der im religiösen Sinne Hilfe außerhalb seiner Selbst sucht. Ich mache die Dinge mit mir aus und gehe eventuell zu Freunden.

Heldenbergh: Ich bete manchmal. Ich bin wirklich ein radikaler Atheist, aber trotzdem bete ich ab und zu. Ich bete dann aber nicht zu Gott, sondern um meiner Dankbarkeit beziehungsweise meinen Fragen Ausdruck zu verleihen. Ich mache das allerdings nur für mich selbst. Das ist beten für mich: sich bestimmter Dinge bewusst zu werden, was du fühlst, siehst und erhältst. Das ist für mich Religiosität.

Van Groeningen: Das sehe ich auch so. Sich daran erinnern und dessen bewusst werden, welche Dinge man warum macht, sich und sein Handeln in Frage zu stellen.

Ricore: Weswegen glauben Sie den Bluegrass mit Religion quasi gleichsetzen zu können? Was ist an der Musik so speziell?

Heldenbergh: Bluegrass ist sehr melancholisch und oft auch wirklich traurig. Die Musik geht sehr tief ins Herz. Auf der anderen Seite kann diese Stilrichtung auch sehr aufregend sein, wenn sie mal schneller gespielt wird. Bluegrass steckt voller Leben und passt daher sehr gut zu der Geschichte.

Van Groeningen: Ich griff auf die Musik natürlich erst Mal deshalb zurück, weil sie Teil des Theaterstücks war. Allerdings auch aus den religiösen Aspekten, die sich in der Musik wiederfinden, genauso wie die Träume von Amerika, die einfach zu dieser Musik dazugehören. Didier geht seinen Weg ohne jeden Kompromiss und genauso ist Bluegrass-Musik.

Heldenbergh: Ich mag diese Stilrichtung auch privat sehr gerne. Vor allem deswegen, weil sie akustisch gespielt wird. Es ist keine Elektrizität nötig, um deinen Sound herüberbringen zu können. Es ist sehr ehrliche Musik. Es wäre überhaupt kein Problem hier und jetzt sofort mit Bluegrass loszulegen - wenn wir denn gerade die Instrumente und restlichen Musiker bei uns hätten [er und van Groeningen lachen].

Van Groeningen: Warum könnte man hier keine Rockmusik spielen [lacht]?

Heldenbergh: Das könnten wir mit unseren Instrumenten auch, nur, dass es niemand erwarten würde von einem Banjo und einer simplen Gitarre Rockmusik zu hören, auch wenn es akustisch dasselbe wäre wie mit einer E-Gitarre. Sie stellen sich etwas anderes vor [beginnt den Sound mit seiner Stimme und den Fingern zu imitieren]. Insofern ist Bluegrass eine ehrliche Musik, die in Wohnzimmern gespielt wird und auf Verandas in Amerika, von Onkeln, Großvätern und Neffen zusammen.

Ricore: Machen Sie privat Musik?

Heldenbergh: Früher habe ich keine Musik gemacht, aber seit dem Theaterstück schon. Ich kann jetzt Gitarre, Banjo und ein wenig Mandoline spielen und tue dies auch privat.

Ricore: Herr van Groeningen, Sie setzen fast immer auf dasselbe Team aus Schauspielern, Cuttern und Produzenten. Ist das Zufall?

Van Groeningen: Die Arbeit mit Schauspielern ist das Schwierigste, es muss wirklich passen, damit ich mit einem Darsteller zusammenarbeite. Insofern fange ich meine Arbeit nie mit der Überlegung an: 'Ich möchte gerne wieder mit den und den Schauspielern zusammenarbeiten.' Ich kümmere mich immer erst um die Geschichte und schaue dann, welche Schauspieler dazu passen, wobei ich natürlich schon gerne mit bestimmten Leuten zusammenarbeite, als mit anderen.

Heldenbergh: Wir mögen und respektieren uns, aber dass wir so oft miteinander arbeiten, ist Zufall. Bei "Die Beschissenheit der Dinge" und "Steve + Sky" habe ich einfach reingepasst. Und nun ist er mein Freund und er wollte, dass ich die Rolle erneut übernehme.

Van Groeningen: Aber was die Crew angeht, haben sie völlig recht. Das ist mir sehr wichtig, diese Leute sind ein Teil von mir. Ich kann nur wegen ihnen Filme machen. Wenn die Leute mit denen ich arbeite andere wären, würden meine Filme auch ganz anders aussehen und das möchte ich nicht. Bei meinem letzten Film, war es quasi exakt die gleiche Crew wie davor. Davor hat es immer ein wenig gewechselt wer Kostüme, Bühnenbild und so weiter macht. Jetzt weiß ich aber, dass es für mich perfekt wäre, wenn ich auch in Zukunft mit den Leuten arbeiten könnte, mit denen ich auch bei den letzten zwei bis drei Filmen zusammengewirkt habe.

Ricore: Sie können sich aber grundsätzlich schon vorstellen, mal mit einem komplett anderen Team zu arbeiten?

Van Groeningen: Natürlich könnte ich das, denn Life is Life und man kann nie wissen, was in der Zukunft passiert. Manchmal sind bestimmte Dinge nicht möglich und dann muss man sehen, was zu tun ist. Aber Kontinuität in meiner Crew zu haben, entspricht schon meiner Idealvorstellung und bisher klappt das auch. Der Cutter, der diesen Film schnitt und schon vorher mit mir arbeitete, sollte ursprünglich gar nicht mitmachen. Aber am Ende hat er es doch gemacht. Das gefällt mir [lacht].

Ricore: Es ist doch sicher auch einfacher mit Leuten zu arbeiten, die man von früheren Projekten kennt, oder?

Heldenbergh: Das stimmt, denn in dem Bereich in dem wir arbeiten, geht es vor allem darum, dem anderen zu vertrauen, auch wenn du dir nicht immer sicher sein kannst, was der andere machen wird. Und wenn du die andere Person schon kennst, funktioniert natürlich alles viel automatischer.

Van Groeningen: Es geht auch darum, Spaß zu haben [lacht]. Es geht darum, mit einem Haufen Leute zusammen zu sein und etwas zu tun, das du magst. Es ist immer ein tolles Gefühl, seine Crew wiederzusehen.

Ricore: Haben Sie einen Brauch, wenn Sie als Gruppe erneut zusammentreffen?

Van Groeningen: Nein, so ein Typ bin ich nicht [lacht].

Heldenbergh: Was auf jeden Fall festzustellen ist, ist, dass wir wesentlich weniger miteinander reden. Bei "Steve + Sky" haben wir teilweise stundenlang hitzig diskutiert [fängt wild zu gestikulieren an]. Bei "Die Beschissenheit der Dinge" haben wir dann schon etwas weniger gesprochen und bei "The Broken Circle" fast gar nicht mehr. Innerhalb der Crew wussten wir, wie viele Dinge zu machen sind, ohne, dass wir auch nur ein Wort miteinander sprachen [lacht]. So etwas ist echtes Vertrauen!

Ricore: Sie haben selbst drei Kinder, war es für Sie einfacher, in Ihre Rolle zu schlüpfen?

Heldenbergh: Ich habe die Geschichte ja selbst geschrieben und insofern ist der Fakt, dass ich selbst drei Kinder habe, schon ein extrem wichtiger Einfluss beim Schreiben des Bühnenstücks gewesen. Denn ich schreibe aus dem Gefühl der Angst heraus. Ich schreibe von Dingen, vor denen ich Angst habe. Und wenn ich als Schauspieler arbeite, töte ich in meinem Kopf auch meine Kinder. Das ist das, was ich mache [van Groenigen beginnt erschrocken zu lachen].

Van Groeningen: Das ist krank!

Heldenbergh: Nein, nein! Ich habe dieses eine Bild im Kopf, welches immer funktioniert. Ich versuche es mir vorzustellen, ohne mich dabei selbst zu sehr zu schockieren: In der Nähe eines Hauses wo wir mal lebten, bin ich gerade dabei mein Auto einzuparken. Genau in dem Moment kommt eines meiner Kinder hinter der Hecke hervor, rennt vors Auto und wird von mir überfahren. [Er ernst, Groenigen lacht]. Dieses Bild ist irgendwie immer da, danach bin ich geschockt und es tut mir leid, was passiert ist. Aber es hilft mir, die nötigen Emotionen hervorzurufen.

Ricore: Sie haben eine blühende Phantasie [Heldenbergh und Groeningen lachen]!

Heldenbergh: Natürlich ist das masochistisch von mir, aber manchmal muss ich darauf zurückgreifen. Als Schauspieler muss man so natürlich als möglich agieren. Manchmal helfen dir alberne Sachen, um die nötigen Emotionen hervorzuholen. Aber auf deine eigenen Kinder zurückzugreifen, ist dann noch mal eine andere Hausnummer.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch!
erschienen am 26. April 2013
Zum Thema
Didier (Johan Heldenbergh) und Elise (Veerle Baetens) könnten unterschiedlicher nicht sein. Dennoch verlieben sich der Musiker und die Besitzerin eines Tattoo-Studios in einander und werden ein Paar. Als ihre Tochter im Alter von sechs Jahren schwer erkrankt, wird ihre Beziehung auf eine harte Probe gestellt. Das preisgekrönte Drama streift Themen wie Geburt, Tod, Glaube und Elternschaft.
Johan Heldenbergh ist Schauspieler und Bühnenautor. So spielt er in seinem eigenen Theaterstück "The Broken Circle Breakdown featuring The Cover-Ups of Alabama" die Hauptrolle. Das Drama über zwei Bluegrass-Musiker ist in den Niederlanden und Belgien ein großer Erfolg. Auch in der Kino-Adaption "The Broken Circle" spielt Heldenbergh diese Rolle und wird so bereits zum dritten Mal nach "Die Beschissenheit der Dinge" und "Steve + Sky" von seinem Freund Regisseur Felix van Groeningen in Szene..
Felix van Groeningen legt großen Wert auf Verlässlichkeit und Kontinuität. Dies ist der Grund, weshalb der belgische Regisseur bis dato alle seine Filme von Dirk Impens produzieren lässt. Fast ebenso oft hat van Groeningen mit Dramaturg und Schauspieler Johan Heldenbergh zu tun, zu dem der Regisseur eine enge Freundschaft pflegt und der bis auf "With Friends Like These" in all seinen Werken als Hauptdarsteller fungiert. Die Beschissenheit der Dinge", welches er 2009 vorstellt und dafür mit..
2024