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Veronica Ferres in "Klimt"
David Dietl unsicher
Interview: Veronica Ferres wieder komisch
Regisseur David Dietl hat seine Zweifel, als er Veronica Ferres die Hauptrolle in "König von Deutschland" anbietet. Ihre Rolle: eine unscheinbare graue Maus. Deshalb glaubt David auch, dass das nichts für Veronica sei - und täuscht sich. Als er seiner früheren Stiefmutter das Projekt vorstellt, lacht die vor Begeisterung. Filmreporter.de interviewt die 48-jährige im Rahmen des Filmfest München 2013. Hier feiert die Polit- und Gesellschaftssatire mit Olli Dittrich in einer weiteren Hauptrolle ihre Premiere.
erschienen am 24. 09. 2013
Zorro Film
Normalobürger Veronica Ferres und Olli Dittrich
Alltag und Gewohnheiten schaffen Normalität
Ricore: "König von Deutschland" handelt vom typischen Durchschnittsdeutschen. Was macht diesen Typen aus?

Veronica Ferres: Laut Informationen des Statistischen Bundesamtes steht der typische Deutsche um 6:18 Uhr auf und verbringt 26,4 Minuten im Badezimmer. Er isst seine anderthalb Schnitten Brot und trinkt eine Tasse Kaffee mit Milch zum Frühstück. Wenn er von der Arbeit wieder kommt, verbringt er vier Stunden vor dem Fernseher, unterhält sich mit seiner Ehefrau aber nur 15 Minuten. Das fand ich sehr erschreckend.

Ricore: Kann man sich Sie als erfolgreiche Schauspielerin ein Durchschnittsleben vorstellen?

Ferres: Für mich hat Normalität etwas mit Alltag und Gewohnheiten zu tun. Es gibt bei mir feste Essenszeiten. Ich stehe jeden Morgen auf, frühstücke, mache das Pausenbrot bringe mein Kind in die Schule. Abends gibt es mit der Familie eine warme Mahlzeit, bei welcher der Tag besprochen wird. Das alles sind feste Gewohnheiten, die man als normal bezeichnen kann und die mir sehr wichtig sind. Sie geben einer Familie Halt, Struktur und Sicherheit.

Ricore: Erleben Sie diese Normalität auch außerhalb der vier Wände oder müssen Sie damit rechnen, überall erkannt zu werden?

Ferres: Ich merke das nicht mehr. Wenn ich mit einer Freundin durch die Innenstadt gehe, fragt sie mich immer, wie ich es aushalte, dass die Leute mir immer nachschauen. Mir fällt das nicht mehr auf, weil ich mir mit der Zeit die Eigenschaft angeeignet habe, all dem keine Beachtung zu schenken. Ich möchte ein normales Leben führen.

Ricore: Können Sie dieses normale Leben in Ihrem Umfeld leben?

Ferres: In meinem Wohnviertel in München gehe ich ganz normal zum Bäcker, zum Metzger, zum Schuster oder zur Reinigung. Man kennt mich dort und wir haben einen ganz normalen Umgang miteinander. Ich bewege mich hier ganz natürlich. Es ist mein Viertel.

Ricore: Welche der genannten Eigenschaften eines Durchschnittsdeutschen treffen auf Sie zu?

Ferres: Die Aufstehzeit. Ansonsten falle ich nicht in dieses Raster. Die Zeit im Band ist bei mir wesentlich kürzer und ich mache jeden Tag Sport, was beim Durchschnittsdeutschen auch nicht der Fall ist. Außerdem schaue ich nicht vier Stunden am Tag Fern und unterhalte mich länger als 15 Minuten mit meinem Partner (lacht).

Ricore: Wenn Sie aus Deutschland auswandern wollten, wo würden Sie hinziehen.

Ferres: Ich würde gar nicht erst auswandern wollen. Ich liebe es zwar zu reisen, was ich aufgrund meines Berufs oft tue. So habe ich gerade in Asien und Kanada gedreht, was sehr schön war. Ganz auswandern kann ich mir nicht vorstellen, Deutschland ist meine Heimat und ich liebe es hier.

Ricore: Sie haben auch Hollywoodluft geschnuppert. Würden Sie dort öfter arbeiten wollen?

Ferres: Ich hatte mal das Glück, dass ich in einem Oscar- und Golden-Globe-nominierten Film die Hauptrolle spielen durfte. Seitdem habe ich drüben viele Freunde und gerade meinen 15. englischsprachigen Film gedreht. Das ist für mich normal und nichts Besonderes. Ich freue mich, wenn das so weitergeht. Ganz nach Hollywood gehen, danach sieht es im Moment aber nicht aus.
Ralf Hake/Ricore Text
Veronica Ferres auf dem 39. Deutschen Filmball 2012
Veronica Ferres: großartige deutsche Talente und Regisseure
Ricore: Das heißt, Sie sind als Künstlerin zufrieden mit dem deutschen Film.

Ferres: Ja, das bin ich. Wir haben großartige Talente und großartige Regisseure. Ich habe gestern im Rahmen des Filmfests München auf der Hochschule für Film und Fernsehen gemeinsam mit Ewa Karlström und Robert Seethaler den Tankred-Dorst-Preis für das beste Drehbuch verleihen dürfen. Es war sehr bemerkenswert zu sehen, welche tollen Drehbücher die jungen Leute schreiben. Das Qualitätsniveau war sehr hoch und es fiel uns, der Jury, nicht leicht eine Entscheidung zu treffen. Wir haben in Deutschland viele Talente.

Ricore: Sie fühlen sich also in beiden Welten zu Hause, im nationalen wie im internationalen Kino?

Ferres: Natürlich finde ich es auch sehr spannend, mit einem Hollywood-A-Cast in Kanada zu drehen. Es wäre falsch, das zu verschweigen. In zwei Wochen fange ich mit der Arbeit an einem englischen Kinofilm an. Es ist eine Hauptrolle an der Seite von John Malkovich. Der Film handelt von der letzte Woche Giacomo Casanovas. Dafür muss ich noch 120 Seiten Text lernen und ich habe jetzt schon ein bisschen Lampenfieber vor dem ganzen Umfeld. Ich freue mich dennoch auf viele weitere Abenteuer. Aber: Ich weiß, dass meine Heimat hier ist. Durch die Erfahrung mit David Dietl habe ich auch ein bisschen zu meinem Ursprung zurückgefunden. Mit Komödien habe ich in den 1990er Jahren angefangen, nun habe ich meine Spielfreude dafür wiederentdeckt. Wir haben "König von Deutschland" über anderthalb Jahren gedreht. In der Zwischenzeit habe ich zwei weitere Komödien gemacht. Früher hätte ich gesagt: Weg damit, das ist doch eh nichts Ernstzunehmendes, heute habe ich großen Spaß dran.

Ricore: Was bereitet Ihnen daran Freude?

Ferres: Ich finde es spannend, dass man in einer Komödie ernste Themen anpacken und trotzdem lachen kann. Dazu habe ich Lust und das erlaube ich mir wieder, nachdem ich viele Jahre bewiesen habe, dass ich auch Charakterrollen spielen kann - back to the roots (lacht).

Ricore: Mit welcher Persönlichkeit aus der internationalen Filmbranche hatten Sie die spannendste Begegnung?

Ferres: Simon Pegg, der gerade in Hollywood durchstartet und in großartigen Filmen mit Kollegen wie Tom Cruise und anderen Leuten aus der A-Liga der Traumfabrik dreht. Er ist ein wahnsinnig netter und liebenswerter Mensch.

Ricore: Und ein begnadeter Komiker dazu, der so manchen Film nur durch seine Präsenz aufwerten kann.

Ferres: Das stimmt. Wir folgen uns über Twitter und haben wahnsinnigen Spaß miteinander. Wer will, kann auch Fotos von uns bei Twitter anschauen. Wir hatten eine sehr schöne Zeit [Veronica Ferres und Simon Pegg drehten zusammen "Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück"; das von Peter Chelsom inszenierte Drama kommt 2014 in die Kinos; Anm. der Redaktion]

Ricore: Die Zusammenarbeit mit John Malkovich wird für Sie langsam zur Routine.

Ferres: Als ich mit John zum ersten Mal zusammengearbeitet habe, sagte er mir, dass er selten so viel Spaß hatte und so ein Arbeitstier gesehen hat wie mich.
Zorro Film
Veronica Ferres und Olli Dittrich beim Zähneputzen
Tränen gelacht
Ricore: Da sind wir wieder beim Thema typisch deutsch...

Ferres: Ja, vielleicht. Dennoch gibt es viele Deutsche, die nicht diese Einstellung haben. Wann immer es passt, schlägt mich John zu einem Casting vor. Manchmal klappt es, manchmal nicht. Für das Casanova-Projekt hatte ich ein Casting in London. Für meine Rolle waren große Namen im Gespräch, die ich hier allerdings nicht nennen darf. Ich dachte, dass ich bei der Konkurrenz keine Chance hätte. Nach wochenlangem Warten kam endlich der erlösende Anruf. Jetzt dreh ich den Film und kann mein Glück gar nicht fassen.

Ricore: Zurück zum deutschen Film. Stimmt es, dass er Sie auf der Berlinale auf das Projekt "König von Deutschland" angesprochen hat?

Ferres: Ja. Ich kenne David, seit er elf Jahre alt ist. Er ist mein Ex-Stiefsohn. Unsere Beziehung war immer herzlich, freundschaftlich und ist mit den Jahren nicht abgebrochen. Als er das Berufsziel Filmregisseur ernsthaft ins Auge fasste, sagte ich ihm, dass ich ihn immer gerne unterstützen würde. Sei es in Bezug auf Kontakte, die Finanzierung eines Films oder dass ich für ihn durchs Bild hüpfen soll. Vor zwei Jahren rief er mich an und sagte mir, dass er ein Drehbuch für mich habe. Er hätte aber Angst, dass ich es ihm um die Ohren hauen würde, da die Rolle ganz weit weg von mir wäre. Nachdem er mir die Handlung erzählt hatte, lachte ich Tränen. Ich sagte, dass ich das gerne spielen will.

Ricore: Warum glaubte er, dass Sie ihm eine Absagte erteilen?

Ferres: Er sagte, dass man für die Rolle Mut zur Hässlichkeit braucht. Ich müsste grau, älter und hässlich sein, schreckliche Klamotten tragen und ganz viele Falten haben. Ich sagte nur, dass ich für alles offen bin. Dass ich Schauspielerin bin und an solchen Sachen Spaß habe. Ich hoffe, dass ich damit überraschen werde.

Ricore: Haben Sie einen unerfüllten Traum?

Ferres: Ich möchte eines Tages eine Schauspielschule eröffnen und ein Kinderheim leiten. Für mich sind es generelle Gedanken: junge Talente zu fördern und in Kinder zu investieren. Kinder sind immer mein Thema gewesen, dem ich mich als Schirmherrin der Arche sowie durch Engagements bei Power Child und Hadassah Medical Center in Jerusalem widme, wo ich für den Ausbau einer Kinder-Intensivstation verantwortlich bin.

Ricore: Machen Sie sich heute schon Gedanken über das älter werden?

Ferres: Nur, wenn man mich danach fragt, sonst gar nicht (lacht).

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 24. September 2013
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2024