20th Century Fox
Peter Kraus als blondierter Schlagersänger in "Systemfehler - Wenn Inge tanzt"
"Warum muss die Jeans so eng sein?"
Interview: Peter Kraus will alles ausprobieren
Im Alter von 13 Jahren steht Peter Kraus zum ersten Mal vor der Kamera, mit 16 feiert er als Rock'n'Roller erste Erfolge. Auch heute, mit jungen 74 Jahren, steht der Musiker noch auf der Bühne und hat jüngst die Rolle des Ex-Schlagerstars Herb König in dem Jugendfilm "Systemfehler - Wenn Inge tanzt" angenommen. Was ihn umtreibt und warum er sich keine ruhige Minute gönnt, erzählt er im Interview mit Filmreporter.de. Falls er doch mal kürzer tritt, hat er auch schon einen neuen Plan parat, denn dann meint Peter Kraus, werde er Winzer.
erschienen am 11. 07. 2013
Kinowelt Home Entertainment
Conny und Peter machen Musik
Privat keine Jeans
Ricore: Sie tragen heute ja gar keine Jeans!

Peter Kraus: Nein, privat nicht so oft. Auf der Bühne.

Ricore: Wie alt ist denn ihre älteste Jeans?

Kraus: Ach, da bin ich überfragt. Sehr alt. Aber ich bin zu hektisch, deswegen sind meine Jeans hinten alle kaputt. Die sind da alle durchgesessen. Aber meine Frau hat Jeans, die bestimmt 20 Jahre alt sind, und die trägt sie noch. Meine müssen immer ausgebessert werden.

Ricore: Die heutige Jugend würde so etwas ja noch tragen.

Kraus: Abgewetzt ja, aber mit Löchern hinten am Po?

Ricore: Was halten sie denn von diesen engen Jeans, die Jungs heute tragen und die auch noch so weit unten hängen, dass man die Unterhose sieht?

Kraus: Auf der letzten Tournee habe ich auch so eine getragen und mich darüber lustig gemacht. In meinen Augen entstellt das aber die menschliche Figur. Wo der Reiz liegt, dass sich die Jugend entstellt, weiß ich nicht. Andererseits haben sich ja auch unsere Eltern über unsere Outfits, die wir früher getragen haben, gewundert. Meine Eltern haben sicher auch gedacht, warum muss die Jeans so eng sein, dass ihm alles weh tut. (lacht)

Ricore: War die denn so eng?

Kraus: Ja! Die war wirklich so eng, dass es überall wehtat. Das hat mein Vater bestimmt auch nicht begriffen.

Ricore: Wie war das Verhältnis zu ihren Eltern? Mussten sie wie Max aus "Systemfehler - Wenn Inge tanzt" rebellieren?

Kraus: Ich hatte das Glück, dass ich mit einer Musik rebellierte, die neu war. Aber mein Vater war auch Musiker und der fand das ziemlich gut. Das Rebellieren ist dadurch entstanden, weil ich es für ungerecht hielt, dass meine Schulkameraden von ihren Eltern alle sehr unterjocht wirkten. Bei mir zu Hause war das nicht so. Deshalb kam es mir sehr entgegen, mit meiner Musik ein bisschen aufmüpfig zu sein.
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Peter Kraus: Cooler Rock'n'Roller spielt Schlagersänger in "Systemfehler - Wenn Inge tanzt"
Peter Kraus fährt leidenschaftlich Ski und Wasserski
Ricore: Ihre Karriere hat sehr früh angefangen, denken sie es war gut, so früh Erfolg zu haben?

Kraus: Das war alles genau richtig. Für die damalige Zeit war ich ja noch extrem jung. Heute interessieren sich ja schon Achtjährige für Musik, damals war es wirklich erst ab 16. Da ging erst das Teenagerleben los. Heute ist das alles viel früher. Damals gab es auch nur wenige Filmrollen für Kinder. Die Tatsache, dass ich mit 13 Jahren schon in "Das fliegende Klassenzimmer" spielte, war außergewöhnlich. Das kann man mit heute nicht vergleichen. Ich musste in der Schule Vorträge halten, weil ich in einem Film mitspielte.

Ricore: Das war ja dann schon eine gute Vorbereitung.

Kraus: Genau. Da war ich schon ein bisschen gebrieft, als es dann mit dem Rock'n'Roll losging. Ich hatte so etwas schon erlebt, aber nicht in dem Maß... Natürlich kann man meine Jugend und meine Karriere nicht mit heute vergleichen.

Ricore: Wären sie denn gerne heute nochmal jung?

Kraus: Nein, eigentlich nicht. Allerdings gibt es ein paar Dinge, die mich reizen würden, wenn ich jung wäre. Die haben ja heute die irrsinnigsten Möglichkeiten, Extremsport zu machen. Aber ich glaube, dass man glücklicher werden kann, so wie wir waren. Als Kind mit einem Roller fahren, der in der Mitte durchbrach, und den ich von meinem Onkel hatte und der dann wieder repariert wurde. Oder selber den Fahrradschlauch zu kleben, damit das Rad wieder fährt.

Ricore: Heute wird viel gleich weggeworfen.

Kraus: Eben. Und für jede Sportart braucht man einen anderen Handschuh, ein anderes Outfit.

Ricore: Sie machen immer noch viel Sport.

Kraus: Ich fahre leidenschaftlich Ski und Wasserski, ich segele und fahre Kanu.
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Peter Kraus und Tim Oliver Schultz in "Systemfehler - Wenn Inge tanzt"
Was soll ich denn spielen?
Ricore: Sind sie da auch halsbrecherisch unterwegs?

Kraus: Eigentlich nicht. Aber wenn ich jung wäre... Ich war ja auch einer der ersten Windsurfer, habe dann aber irgendwann aufgehört. Aber was die heute auf so einem Brett machen, ist genial. Das würde mich schon reizen. Aber sonst war die Zeit, wo man selbst erfinderisch sein musste, um sich zu helfen, interessanter. Ich bin sehr zufrieden, dass ich die erlebt habe.

Ricore: Man hat sie fünf Jahre in keiner Filmrolle gesehen. Wie kam es jetzt zu der Rolle in "Systemfehler"?

Kraus: Die riefen mich an und fragten, würden sie nicht gerne mal wieder in einem Kinofilm spielen? Und ich sagte, ja klar, was soll ich denn spielen, einen Schlagersänger? Und die, woher wissen sie denn das? Na, weil mir die letzten Jahre nichts anderes angeboten wurde. Ich spiele ihn wahrscheinlich wirklich sehr ungern, aber schicken sie mir mal das Buch. Und als ich das Drehbuch gelesen hatte, merkte ich, dass es eine andere Art von Schlagersänger war.

Ricore: Ein bisschen selbstironischer?

Kraus: Normalerweise wenn ein Schlagersänger in einem Drehbuch vorkommt, denken die Produzenten, ach, wir haben eine tolle Idee und nehmen einen, der als Schlagersänger auch bekannt ist. So etwas will ich natürlich nicht spielen. Ich verstehe ohnehin nicht, warum es im Fernsehen bei diesen Besetzungen so gekommen ist, dass es immer mehr Selbstdarstellung ist. Ich als Produzent würde selbst eine schlecht geschriebene Schlagersängerrolle nicht mit einem echten Schlagersänger besetzen. Was habe ich davon, wenn Roland Kaiser Roland König spielt, wie unlängst. Jeder gute Schauspieler würde aus der Rolle etwas machen - mehr, als der Roland machen durfte.

Ricore: Da hatten sie mit ihrem Herb König ja jetzt Glück.

Kraus: Ja genau, ich habe sofort gesehen, dass dieser Typ eine sehr außergewöhnliche und super geschriebene Figur ist. Und deshalb habe ich zugesagt. Er ist zwar ein bisschen verrückt, aber auch sehr diplomatisch und will seinem Neffen einfach nur helfen. Er weiß, dass sein Neffe ein rebellischer Typ ist, dem man eigentlich nichts sagen kann, aber taktisch kriegt er es hin. Die Geschichte ist ja nicht viel anders als "Conny und Peter", nur in die heutige Zeit versetzt. Die Sprache ist anders.

Ricore: Sie sind Ehrenmitglied des Vereins Deutsche Sprache.

Kraus: Ja, und ich muss ihnen ganz ehrlich sagen, als ich das Drehbuch las, wollte ich die Rolle zwar spielen, doch dann fragte mich Regisseur Wolfgang Groos, wie ich es finde. Und ich sagte, eigentlich komme ich nicht klar damit, da ist mir zu viel 'Fuck' und 'Scheiße' drin. Das halte ich nicht aus. Als ich dann am Ende jedoch den Film sah, fand ich es trotzdem gut, denn es kam trotzdem die Romantik rüber, die ich - weil ich ein älterer Herr bin - in Filmen gerne mag. Er wollte einfach die Jugend, so wie sie heute ist, authentisch zeigen.
Film Revue
Peter Kraus spielt in "Melodie und Rhythmus"
Peter Kraus bald Winzer?
Ricore: Es wird ja alles immer extremer.

Kraus: Nicht nur das. Ich finde die Einseitigkeit noch viel schlimmer. Wir haben früher ja auch unsere Worte gehabt. Wir sagten zum Beispiel 'locker'. Aber dennoch hatten wir für viele Dinge verschiedene Begriffe, aber heute ist alles nur 'okay' und 'cool'. Da wird fast nichts anderes mehr gesagt. Cool wird für alles genommen, du hast ein cooles Outfit, du benimmst dich cool, alles ist cool, es gibt kein zweites Wort mehr.

Ricore: Sie sind ja nicht nur Sänger und Schauspieler, sondern auch noch Produzent und Maler. Wie sieht denn ein normaler Tag bei ihnen aus?

Kraus: Ein normaler Tag? Das kommt ganz darauf an, wo ich mich gerade befinde.

Ricore: Zu Hause mit ihrer Frau...

Kraus: Auch da kommt es darauf an wo zu Hause. Ich lebe ja im Tessin am See und da machen wir beide sehr viel Sport. Wenn ich Zeit habe, bin ich auch viel in meiner Garage und schraube an den Autos. Außerdem habe ich jetzt noch ein neues Hobby. Wenn ich mal weniger arbeite, was wahrscheinlich nach meiner nächsten Tour der Fall sein wird, denn ich bin am überlegen, ob es meine Abschiedstour wird, das weiß ich aber noch nicht, jedenfalls werde ich dann Winzer.

Ricore: Haben sie schon ein Weingut?

Kraus: Wein ist noch nicht drauf, aber in der letzten Woche haben wir auf zwei großen Hängen unsere Setzlinge gepflanzt und jetzt dauert es ja noch drei Jahre.

Ricore: Für welche Trauben haben sie sich entschieden?

Kraus: Für Sauvignon Blanc. Unser Gut liegt in der Südsteiermark. Das ist dann wieder eine Aufgabe für die nächsten 25 Jahre (lacht).
20th Century Fox
Peter Kraus gibt Tim Oliver Schultz musikalische Ratschläge ("Systemfehler - Wenn Inge tanzt")
"Das war schrecklich!"
Ricore: Sie haben also immer etwas zu tun.

Kraus: Absolut. Wenn ich unterwegs bin, so wie jetzt, ist auch immer was. Hier in Berlin nehme ich ja jetzt eine neue CD auf, morgen bin ich also im Studio, abends ist eine Talkshow, übermorgen spiele ich bei einem Open Air Konzert. Ich versuche immer, meine Termine auf vier, fünf Tage zu legen, damit ich dann auch wieder nach Hause komme. Da bin ich ein ganz anderer Mensch.

Ricore: Sind sie denn zu Hause ein wenig ruhiger oder brauchen sie immer Action.

Kraus: Es muss immer was los sein.

Ricore: Was wäre denn, wenn sie sich das Bein brechen, was wir ihnen selbstverständlich nicht wünschen.

Kraus: Das ist eine gute Frage. Ich würde wahrscheinlich verzweifeln. Mit dem Malen habe ich ja angefangen, weil ich mich fragte, was wäre wenn. Da habe ich also ein paar Monate gemalt, auch Ausstellungen gemacht und ein paar Bilder verkauft, wahrscheinlich weil Peter Kraus drunter steht. Das wollte ich ausprobieren, weil mir ja etwas passieren kann, was das Umtriebige einschränkt. Denn Lesen, dafür fühle ich mich noch zu jung. Das ist mir zu langweilig.

Ricore: Würden sie sich auch, wie Onkel Herb im Film, schon ihren Sarg aussuchen?

Kraus: Nein! Da bin ich ganz das Gegenteil von Onkel Herb. Mit solchen Gedanken habe ich mich bislang noch nicht beschäftigt. Ehrlich gesagt, musste ich in der Szene, in der ich den Sarg zumache, wirklich tief schlucken. In einem geschlossenen Sarg zu liegen, ist ein sonderbares Gefühl. Das war schrecklich. Als ich da wieder raus war, brauchte ich erst einmal eine kurze Pause.

Ricore: Was ging ihnen da durch den Kopf?

Kraus: Scheinbar habe ich wirklich daran gedacht, dass auch ich einmal sterben könnte. Ich bin eher der Typ, der solche Gedanken verdrängt.

Ricore: Man merkt ihnen ihr Alter ja auch nicht an. Wie machen sie das?

Kraus: Ich habe ja nie was anderes gemacht. Ich bin einfach an allem interessiert. Und meine Frau ist ähnlich. Zwar nicht so hektisch wie ich, aber wir schaukeln uns gegenseitig ein bisschen hoch. Oft - wenn der Ehepartner dazu neigt, gemütlicher zu sein - muss das der andere ja mitmachen. Bei uns ist es so, dass meine Frau in der Früh aufsteht, und fragt, was machen wir heute?

Ricore: Früher waren Frank Sinatra und Sammy Davis Jr. ihre Vorbilder, hat sich das geändert?

Kraus: Ich höre immer noch deren Platten. Mein erstes Geld gab ich dafür aus, nach Las Vegas zu fliegen und das Rat Pack live zu sehen. Das waren für mich die Größten. Was ich am meisten bewunderte, war diese Selbstironie, mit der ich auch auftreten wollte. Ironie wird sehr schnell als Arroganz aufgefasst. Zum Glück hat sich das mit der Zeit geändert und man kann jetzt auch in Deutschland mit Ironie arbeiten. Wenn man sich selbst nicht so ernst nimmt, kann man besser unterhalten und man kann dann auch Misserfolge besser schlucken.

Ricore: Aber man muss sich doch selbst ernst nehmen, um gut sein zu können.

Kraus: Natürlich. Aber diesen Anspruch habe ich sowieso. Wenn man mit 13 Jahren anfängt und von Kindesbeinen an euphorisch ist bei diesem Beruf, dann nimmt man das ernst. Ich habe ja schon meinen Vater erlebt, der hat rund um die Uhr gearbeitet. Überhaupt sind diese Leute, wie beispielsweise Peter Frankenfeld oder Hans-Joachim Kulenkampff, die sind ja alle in einer Zeit berühmt geworden, wo man nicht so viel Geld verdiente. Mein Vater war vormittags Radiosprecher, mittags probte er Operette, am Abend stand er dann auf der Bühne, dann hat er noch Kabarett gespielt und nachts in einer amerikanischen Bar gesungen.

Ricore: Ein Workaholic wie sie.

Kraus: Das waren Allround-Künstler, aber nicht weil sie so fasziniert waren, so wie ich, der immer alles ausprobieren will, sondern weil sie mussten. Früher bekam man noch nicht diese Wahnsinnsgagen, dass man sagen konnte, so, ich habe jetzt so viel Geld kassiert, jetzt setzte ich mich erst mal wieder auf Mallorca auf meine Finka und warte was passiert. Bei mir ist es so, wenn morgen einer mit einer verrückten Idee ankommt und er erwischt mich an einem guten Tag, den ich ja meistens habe, dann sage ich 'ja'!

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 11. Juli 2013
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Peter Kraus ist in den 1950er und 1960er Jahren der deutsche Rock'n'Roll-Star und Teenie-Idol. Seinen ersten Auftritt als Schauspieler hat er 1954 als cooler Draufgänger Johnny in "Das fliegende Klassenzimmer". Die Verfilmung lehnt sich an den gleichnamigen Roman von Erich Kästner an. Als Musiker veröffentlicht er 1956 sein erstes Album. Anfangs noch stark von Elvis Presley beeinflusst, findet er bald seinen eigenen Stil. Systemfehler - Wenn Inge tanzt".
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