20th Century Fox
Brian Percival auf der Premiere von "Die Bücherdiebin"
"Mit Liesel steht und fällt der Film"
Interview: Brian Percival hat die Richtige gefunden
Als Regisseur der britischen Aristokratenserie "Downton Abbey" feiert Brian Percival derzeit große Erfolge im Fernsehen. Mit der Verfilmung von Markus Zusaks Weltbestseller "Die Bücherdiebin" legt der Brite nun seinen ersten Kinofilm vor. Filmreporter.de trafen den an historischen Stoffen interessierten Regisseur zum Interview in Berlin und sprachen mit ihm über die Schwierigkeiten, die richtige Darstellerin für Liesel zu finden. Zudem wollten wir wissen, wie schwer es war, zwei 13-Jährige zu einem Kuss zu bewegen. Außerdem erklärt Percival uns, warum er mit dem Film gegen das Vergessen ankämpfen will.
erschienen am 15. 03. 2014
20th Century Fox
Die Bücherdiebin
Zurück in Berlin
Ricore Text: Herr Percival, wie ist es, zurück in Berlin zu sein.

Brian Percival: Großartig. Meine Frau und ich lieben diese Stadt und waren schon oft hier. Als klar war, dass wir den Film hier drehen würden, habe ich mich sehr gefreut. Die Stadt hat eine unglaubliche Geschichte, die einem an jeder Ecke begegnet.

Ricore: Zuvor haben Sie die Fernsehserie "Downton Abbey" sowie Fernsehfilme gedreht. Wie unterscheidet sich die Arbeit an einem Kinofilm?

Percival: Man hat einfach mehr Zeit. Das geht schon bei der Vorproduktion los. Man hat also mehr Zeit, die richtigen Schauspieler zu finden und die Drehorte. Und natürlich hat man mehr Drehtage. Aber ich würde Fernsehen nicht hinter das Kino stellen, viele Serien wie auch "Downton Abbey" beweisen gute Qualität und haben weltweit Erfolg.

Ricore: War es schwierig, die richtige Darstellerin für Liesl zu finden?

Percival: Allerdings. Kinder in diesem Alte verfügen normalerweise nicht über viel Schauspiel- und Lebenserfahrung, auf die sie beim Dreh aufbauen können. Deswegen halte ich es für besser, eine Darstellerin zu finden, die neben ihrem natürlichen Talent und Präsenz in ihrer Persönlichkeit sehr nah an die Filmfigur herankommt. Mir war es sehr wichtig, dass Liesel im Film natürlich wirkt, damit zwischen den Zuschauern und ihr eine Verbindung entsteht. Denn mit Liesel steht und fällt der ganze Film. Wir haben mehr als sieben Monate nach ihr gesucht und über 1.000 Mädchen angesehen. Ich hatte schon fast die Hoffnung aufgegeben, die Richtige zu finden.

Ricore: Wonach suchten Sie genau?

Percival: Sie sollte eine Mischung aus Naivität und Verletzlichkeit ausstrahlen, zu Beginn des Films. Doch dann musste sich das in einen unendlich starken Willen verwandeln. Auch das Alter war ein Problem, denn Liesel altert im Film von zehn auf 16 Jahre. Eine 16-Jährige kann keine Zehnjährige spielen und umgekehrt. Wir mussten also jemand dazwischen finden. Sophie hat etwas besonders. Sie hat die Fähigkeit, Emotionen über ihre Augen auszudrücken. Ich konnte mir keine andere für die Rolle vorstellen.
20th Century Fox
Brian Percival stellt in Berlin seine Regiearbeit "Die Bücherdiebin" vor
Brian Percival: so authentisch wie möglich
Ricore: Haben Sie überlegt, Liesel von zwei Darstellerinnen spielen zu lassen?

Percival: Nein. Wenn nicht gerade zehn Jahre dazwischen liegen, zerstört so etwas in den meisten Fällen die Glaubhaftigkeit eines Films. Es reißt die Zuschauer aus der Geschichte.

Ricore: Wie sah es mit der Suche nach dem richtigen Drehort aus?

Percival: Ich habe einige Zeit in der Nähe von München und Berlin verbracht, aber es erwies sich als unmöglich, eine geeignete Stadt zu finden. Also haben wir die Himmelstraße nachgebaut. Das war aber auch gut, denn am Ende mussten wir sie ja zerstören. Bei meiner Reise in den Süden und Norden Deutschlands merkte ich, dass die Menschen sich in ihren Persönlichkeiten sehr unterscheiden. Ich möchte die Dinge so authentisch wie möglich darstellen, deshalb habe ich sehr viel Zeit in die Vorbereitung investiert. Ich interessiere mich sehr für Gesellschaftsgeschichte und wie sich die Menschen in unterschiedlichen Teilen der Welt unterscheiden.

Ricore: Mussten Sie Sophie viel über die Geschichte des Zweiten Weltkriegs erklären?

Percival: Ja, und ich bin grundsätzlich erschüttert, wie wenig junge Menschen heutzutage über den Holocaust und die Dinge wissen, die damals geschahen. Die Tochter eines Bekannten sah den Film und fragte am Ende, warum die Menschen so gemein zu den Juden waren. Das ist ein Grund, warum die Darstellung von Gewalt im Film so wenig explizit ist. So konnte die Altersgrenze herabgesetzt werden, damit mehr Kinder den Film sehen können. Natürlich lernen sie irgendwann in der Schule darüber, aber mit dem Film versuche ich auch ein jüngeres Publikum zu erreichen, damit wir niemals vergessen, was geschehen ist.
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Regisseur Brian Percival mit Hauptdarstellerin Sophie Nélisse und Emily Watson in Berlin
"Eindimensionalität geht mir ordentlich auf die Nerven"
Ricore: Wie sehen Sie die Darstellung von Deutschen in Filmen mit ähnlichem Thema?

Percival: Die geht mir in ihrer Eindimensionalität ordentlich auf die Nerven. Menschen werden nicht böse geboren. Eine ganze Generation wurde manipuliert, damit sie an etwas so Falsches glaubt. Und jetzt hoffe ich, dass der Film dass Interesse der Jugendlichen weckt, damit sie selbst herausfinden wollen, was passiert ist. Mit ihrem Handy können sie ja alles schnell herausfinden. Wenn sie es von selbst wissen wollen, funktioniert das besser, als wenn man es im Unterricht vorbetet.

Ricore: Welches ist für Sie die wichtigste Szene im Film?

Percival: Die Bücherverbrennung. Die Kinder singen voller Inbrunst dieses Lied und sie glauben an etwas, das sie gar nicht verstehen.

Ricore: War sie auch am schwierigsten zu drehen?

Percival: Nein (lacht). Am schwierigsten war es, den Kuss von Liesel und Rudi zu drehen. Wir haben hier zwei Dreizehnjährige, die bereits drei Monate miteinander verbrachten und nahezu zu Bruder und Schwester geworden sind. Sie haben sich unglaublich gut verstanden und jede freie Minute miteinander verbracht. Als ich dann zu Sophie sagte, du musst Nico küssen, weigerte sie sich einfach. Aber ich blieb hartnäckig und habe mich durchgesetzt.

Ricore: Was soll das Publikum aus dem Film lernen?

Percival: Dass Worte das Leben eines Menschen verändern können. Als Liesel beginnt zu lesen, verändert sich ihr Leben, sie wird zu einem anderen Menschen.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch!
erschienen am 15. März 2014
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Mit der Verfilmung von Markus Zusaks weltweitem Bestseller "Die Bücherdiebin" legt Brian Percival seinen ersten Kinofilm vor. Davor arbeitet der in Liverpool geborene Regisseur hauptsächlich fürs Fernsehen und wird mit Regiearbeiten bei der Erfolgsserie "Downton Abbey" bekannt. About a Girl" anerkannt. Für die Regie bei "Downton Abbey" wurde er ebenfalls mit einem Julie Rutterford verheiratet.
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