Senator Filmverleih
Regisseur Edward Burtynsky ("Watermark")
Edward Burtynsky von Präzision besessen
Interview: "Zum Öl gibt es Alternativen"
erschienen am 23. 05. 2014
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Wasser in der Natur: "Watermark"
Trockener Rotwein bevorzugt
Ricore Text: Was ist Ihr Lieblingsgetränk, Herr Burtynsky? Ein schönes kühles Wasser vermutlich?
Edward Burtynsky: Nein. Wenn ich ehrlich bin, muss ich jetzt zugeben, dass ich einen exzellenten trockenen Rotwein vorziehe.
Ricore: Sie haben sich zwölf Jahre künstlerisch mit dem Wasser auseinandergesetzt. Warum wollten Sie das Thema nun auch filmisch angehen?
Burtynsky: Ich habe mich schon immer für das Medium Film interessiert. Bereits an der Uni, 1976, habe ich einen Filmkurs besucht. Die Entscheidung für die Fotografie war dann eher rational, denn in Kanada ist es relativ schwer, sich als Filmemacher durchzusetzen. Die Chancen, mir eine Karriere als Fotograf aufzubauen, die ich selbst kontrollieren kann, erschienen mir aussichtsreicher.
Ricore: Und dann dachten Sie, Sie machen einfach mal einen Film?
Burtynsky: Als Künstler suche ich nach den Momenten, in denen ich mich nicht ganz zu Hause fühle, das fordert mich heraus. Das erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, dass ich gute Arbeit leiste und mich nicht immer selbst wiederhole. Dass ich auf einmal in ein Filmprojekt involviert war, hat mich aus meiner Komfortzone herausgerissen. Und dann auch noch bei einem so großen Thema wie Wasser. Eigentlich ist das eine alberne Idee, so etwas in einen Film zu packen, auch noch aus einem so persönlichen und eigenwilligen Blickwinkel heraus. Wasser ist ein so weites Thema.
Ricore: Was bedeutet Ihnen Wasser und warum war es so wichtig, einen Film darüber zu machen?
Burtynsky: Insgesamt habe ich mich nun schon zwölf Jahre mit dem Thema beschäftigt. Zuvor war Öl die Flüssigkeit, die mich interessierte. Beides sind Flüssigkeiten, die in die Gesellschaft fließen und sie am Laufen halten. Das Faszinierende an Wasser: es ist ein Element, das sich bis in alle Ewigkeit selbst recyclen kann. Das ist ein fester Kreislauf. Doch wenn wir in irgendeiner Form in diesen Kreislauf eingreifen, hat das tiefgreifende Konsequenzen.
Ricore: Wie sehen Sie in dem Zusammenhang den Unterschied zwischen Öl und Wasser?
Burtynsky: Zu Öl gibt es Alternativen. Wenn die Ölvorkommen schwinden, ist das nicht so gefährlich. Aber wenn in einer Gegend das Wasser verschwindet, bleibt den Menschen nichts anderes übrig, als diesen Ort zu verlassen.
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Edward Burtynsky, Regisseur von "Watermark"
Edward Burtynsky: genügend sauberes Wasser für morgen bewahren
Ricore: In ihrem Film zeigen sie unterschiedliche Arten des menschlichen Eingreifens in die Natur, etwa bei dem Bewässerungssystem der Reisfelder in der Provinz Yunnan in China. Dem setzen Sie das Farmland des Imperial Valley in Kalifornien entgegen.
Burtynsky: Die Reisterrassen gibt schon seit 3.000 Jahren und sie werden auch noch in den kommenden 3.000 Jahren funktionieren. Das ist ein sehr nachhaltiger Umgang mit dem Element Wasser und wie es zum Reisanbau genutzt wird. Wenn man sich im Gegensatz dazu die Umleitung des Colorado River ansieht, mit dessen Wasser die Farmen im Imperial Valley bewässert werden, sieht man das Problem. Diese Landwirtschaft kann nur existieren, so lange der Fluss Wasser führt. Dazu kommen noch große Städte wie Phoenix und Las Vegas, die ebenfalls sehr viel Wasser benötigen, für Swimmingpools und solche Sachen. Und hier ist einfach nicht genug Wasser vorhanden, um es in solchem Ausmaß zu nutzen.
Ricore: Was wollen Sie mit dem Film erreichen?
Burtynsky: Wir wollten auf niemanden mit dem Finger zeigen und sagen, was sie falsch machen. Wir wollen einfach nur unterschiedliche Geschichten des Umgangs mit und der Wertschätzung von Wasser zeigen. Das können wir uns auch gar nicht leisten, denn wir tragen alle unseren Teil dazu bei, indem wir beispielsweise Produkte nutzen, die aus einem gedankenlosen Umgang mit Wasser entstehen. Denken Sie nur an die indischen Ledergerbereien. Ich will niemanden anklagen, sondern auf die Angelegenheiten aufmerksam machen, damit daraus eine neue Diskussion entstehen kann. Das Thema geht uns alle an. Die Wohlhabenden können sich den Auswirkungen nur etwas länger entziehen.
Ricore: Ist Wasserknappheit ein globales Thema?
Burtynsky: Genau! Wir müssen sicherstellen, dass wir genügend sauberes Wasser für morgen und übermorgen und auch noch für unsere Kindeskinder haben. Stabilität ist enorm wichtig. Wenn Ländern das Wasser ausgeht, führt das nicht nur zu Instabilität, sondern auch zu Migration.
Ricore: Im Film sieht man Sie auch bei der Arbeit. Können Sie Ihren künstlerischen Schaffensprozess beschreiben?
Burtynsky: Ich arbeite mit sehr großformatigen Fotos, erst analog, dann digital. Die Bilder sind oft einen Meter mal einen Meter oder noch größer. Mir ist es wichtig, dass die Fotos sehr detailliert sind, so dass man, auch wenn man ganz nah davor steht, alles genau erkennen kann. Was die Präzision angeht, bin ich ziemlich fanatisch. Im Entstehungsprozess dieser riesigen digitalen Drucke arbeiten wir mit Photoshop, um die Farbe und Schärfe genau kontrollieren zu können. Es kommt alles auf den ganz genauen Druck an. Dafür habe ich viele Jahre Arbeit investiert.
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Beindruckende Bilder rund ums Wasser: "Watermark"
"In China drehen zu dürfen, war gar nicht so schwierig"
Ricore: Ihre Bildbände lassen Sie vom Steidl Verlag in Göttingen drucken.
Burtynsky: Die Druckerei von Gerhard Steidl ist eine der besten in der Welt, was Foto- und Kunstbücher angeht. Viele Künstler halten ihn für den besten überhaupt.
Ricore: Was war beim Filmdreh die schwierigste Szene? Und wie sind Sie an die Erlaubnis gekommen, auf der Baustelle des Xiluodu Staudamms in China drehen zu dürfen?
Burtynsky: In China drehen zu dürfen, war gar nicht so schwierig. Ich habe da schon zuvor bei anderen Projekten gedreht, daher war ich den Menschen, die das kontrollieren, bekannt. Wesentlich komplizierter war es, an die Drehgenehmigung während des Maha Kumbh Mela im indischen Allahabad zu kommen. Eigentlich wollte ich das Ganze aus der Luft drehen. Doch die Veranstalter hatten große Angst, dass etwas in die Menschenmenge stürzen könnte und Panik verursachen würde. Immerhin sind dort auf engem Raum über 30 Millionen Menschen versammelt. Die Sicherheitsvorkehrungen waren immens und wir mussten hart kämpfen, um das zu bekommen, was schließlich im Film zu sehen ist. Leider habe ich nicht das bekommen, was ich eigentlich wollte.
Ricore: Was hatten Sie sich denn gewünscht?
Burtynsky: Ich wollte mit einem Hubschrauber über die Menschenmenge fliegen und alle 30 Millionen in einem Bild versammeln. Immerhin hat keiner dazu die Erlaubnis bekommen. Einer hat es ohne Genehmigung versucht und der wurde hinterher verhaftet und saß eine Woche im Gefängnis, bevor ihn die französische Regierung rausgeholt hat. Ich weiß auch nicht, ob er sein Material zurückbekommen hat.
Ricore: Wie fühlte es sich an, in dieser Menschenmenge zu filmen.
Burtynsky: Wie in einem riesigen Meer aus Menschen. Die genaue Zahl kenne ich nicht, aber es waren zwischen 30 und 35 Millionen Menschen an diesem Tag da. Es war ein unglaubliches Gefühl, inmitten der größten Pilgerfahrt zu sein, die jemals stattgefunden hat. Ich denke nicht, dass ich so etwas noch einmal erleben werde. Denn in zwölf Jahren, wenn das Fest wieder stattfindet, werde ich zu alt sein. Es war wahrlich ein einmaliges Erlebnis.
Ricore: Was wird Ihr nächstes Projekt nachdem Sie mit Wasser abgeschlossen haben?
Burtynsky: Darüber kann ich noch nicht sprechen, es befindet sich noch in der Entwicklungsphase. Ich beschäftige mich immer mit zwei, drei Themen auf einmal und muss noch entscheiden, welches ich als nächstes angehe. Außerdem habe ich noch mein Fotolabor in Toronto, zu dem ich zusätzlich noch ein 3D-Druckerei eröffnen möchte.
Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 23. Mai 2014
Zum Thema
Watermark (Kinofilm)
Mit "Watermark" ist Edward Burtynsky eine beeindruckende Dokumentation über die Beziehung von Mensch und Wasser gelungen. Er erzählt Geschichten vom Umgang des Menschen mit dem kostbaren Element. Burtynsky stellt gute und schlechte Wege der Wassernutzung vor, einfach indem er sie einander gegenüberstellt. Er erzählt vom ausgetrockneten Flussdelta des Colorado River nach dessen Umleitung und von chinesischen Reisbauern, die ihr Handwerk seit 3.000 Jahren beherrschen und immer noch eine..
Edward Burtynsky ist Fotograf, Dokumentarfilmer und Künstler. Der Kanadier beweist bei seinen Projekten viel Ausdauer. So hat er sich für mehrere Werke mehr als zwölf Jahre mit dem Thema Wasser beschäftigt. Den Abschluss dieser Periode bildet die Dokumentation "Watermark", die auf der 64. Berlinale in der Sektion Berlinale Spezial gezeigt wurde. Bekannt wurde Edward Burtynsky mit großformatigen Fotografien von Industrielandschaften. Er hatte bedeutende Ausstellungen unter Anderem..