20th Century Fox
Jeff Goldblum auf dem Weg zum "Grand Budapest Hotel"?
'Ich bin ein gewissenhafter Schauspieler'
Interview: Jeff Goldblum ist gerne Teil eines Ganzen
Jeff Goldblum ist bei Wes Andersons großartig skurriler Komödie "Grand Budapest Hotel" Teil eines wunderbaren Schauspiel-Ensembles. Der 61-Jährge spielt darin einen gewissenhaften Anwalt, der das Testament seiner Klientin verkündet und damit eine Reihe absurder Ereignisse in Gang setzt. Im Gespräch mit Filmreporter.de spricht Goldblum über die Zusammenarbeit mit Anderson, den er für den 'brillantesten, wichtigsten und ernstesten Filmemacher' hält. Außerdem verrät er, was er von Hollywoods Plan hält, die Blockbuster "Independence Day" und "Jurassic Park" fortzusetzen.
erschienen am 5. 06. 2014
20th Century Fox
Grand Budapest Hotel
Zusammenarbeit mit Wes Anderson? speziell...
Ricore Text: Worin besteht der Unterschied zwischen der Arbeit mit Wes Anderson und anderen Regisseuren? Wenn man sich "Grand Budapest Hotel" anschaut, könnte man meinen, die Arbeit mit ihm verläuft etwas steif.

Jeff Goldblum: Ich würde es nicht als steif bezeichnen, sondern als speziell. Dieses Wort gehört zu den wichtigsten in der Theatersprache. Es meint das, was genau man als Schauspieler und Geschichten-Erzähler auf der Bühne machen will. Aber ich verstehe, was Sie meinen. Ich halte Wes für einen der brillantesten, wichtigsten und ernstesten Filmemacher. Er hat früh seine Handschrift entdeckt und diese konsequent weiterentwickelt. Zurzeit befindet er sich in einem künstlerischen Gipfel. Seine Ästhetik ist klar und sehr spezifisch und sehr erkennbar. Ich finde es sehr inspirierend, Teil dieses Prozesses zu sein. Es gibt aber noch etwas anderes, das seine Arbeit auszeichnet, das aber schwieriger zu beschreiben ist. Wes ist ein Freigeist. Robert Altman war jemand, den er sehr bewundert hat.

Ricore: Wie ist seine Beziehung zu Schauspielern?

Goldblum: Er vertraut und liebt Schauspieler. Wegen seiner besonderen Theater-Ästhetik möchte er, dass die Schauspieler seine Charaktere auf eine ehrliche, realistische, wahrhaftige und tiefe Weise darstellen. Als Schauspieler fühlt man sich bei ihm keinesfalls wie eine Marionette. Man bekommt bei Wes eine Plattform, auf der man sich entfalten kann. Ganz nach dem Motto: 'Hey, das ist eine großartige Möglichkeit, mich auf eine Weise zu öffnen, wie ich es zuvor noch nie getan habe. Mal schauen, was ich einbringen kann, um den Charakter auszufüllen.' Schauen Sie sich zum Beispiel meine Figur in "Grand Budapest Hotel" an: Es gibt Leben unter der Oberfläche, Heldentum, Gewissen!

Ricore: Die Dialoge des Films sind großartig und es sieht ganz danach aus, als hätten Sie Spaß daran gehabt.

Goldblum: Ich mag seine Wortkunst. Sie ist einzigartig, sehr klar, unverwechselbar und zudem sehr musikalisch. Überhaupt mag ich seine Musikalität. Ich wurde in der Technik der Improvisation ausgebildet und habe bereits einige improvisierte Filme gemacht. Oft heißt es: 'Tue genau das, aber sage es auf eine andere Weise.' Ich spielte auch in einigen Theaterstücken mit. Zuletzt wirkte ich in einigen Stücken mit, bei denen andere Regeln herrschten. Auf der Bühne muss man genau das sagen, was das Stück vorgibt. Es gibt viele Filmemacher, bei denen es ähnlich ist. Ich habe zum Beispiel nie mit den Coen-Brüdern zusammengearbeitet, aber es heißt, dass sie immer sehr nah am Drehbuch inszenieren. Zu den Aufgaben des Schauspielers gehört es, so zu spielen, als wäre der Text improvisiert. Das mag ich sehr. Ich arbeite sehr gewissenhaft, lerne meinen Text und arbeite dann damit.
20th Century Fox
Wes Anderson auf der Premiere von "Der fantastische Mr. Fox"
Jeff Goldblum: Theater-ähnliche Atmosphäre
Ricore: Arbeitet Wes Anderson wie ein Theater-Regisseur?

Goldblum: Wie bei Robert Altman sind auch bei Wes schon die Dreharbeiten ein Kunstwerk, weil er ein Humanist und Existentialist ist. Er mag es, wenn eine Gruppe an einem Film im Geiste der Brüderlichkeit arbeitet. Er genießt das und sorgt immer für die entsprechende Atmosphäre. Insofern ist diese Arbeitsweise tatsächlich dem Theater näher als dem Film, wo sich die Menschen kaum begegnen und nach der Arbeit in ihre Wohnwägen verschwinden. Das wollte er nicht. Bei ihm traf man sich jeden Tag zum Abendessen, das ein Koch zubereitet hat, was diese Theater-ähnliche Atmosphäre generiert.

Ricore: Ist Wes Anderson ein strenger Regisseur?

Goldblum: Ja, das ist er. Ich kann mich noch an die Proben erinnern. Wir besprachen einige Dinge und ich fragte ihn: 'Möchtest du, dass ich das so sage?' Es war alles sehr gut ausgearbeitet, trotzdem dachte ich, dass wir an ein, zwei Sachen noch feilen könnten. Einen Monat habe ich mit dem Text herumgespielt und als ich dann die Szene mit der Testament-Verkündung vorspielte, sagte er: 'Ok, das ist gut, aber hast du das 'the' weglassen? Ich scherze nicht, er frage mich wirklich: 'Hast du das 'the' weglassen?' Ich sagte: 'Ich dachte, es würde ohne 'the' besser klingen. Und er: 'Kannst du das wieder zurücknehmen?' 'Ok, mach' ich', sagte ich. Das mochte ich. Ich fühlte mich keinesfalls eingeengt, sondern eher als Teil des Ganzen.

Ricore: "Grand Budapest Hotel" spielt in einem fiktiven Staat kurz vor Kriegsbeginn. Würden Sie ihren Charakter vor diesem Hintergrund als naiv-optimistisch bezeichnen?

Goldblum: "Ein Leben für ein Leben - Adam Resurrected" zeigt, dass es Menschen in Deutschland gab, die dachten: 'So etwas kann hier nicht geschehen. Das ist einfach eine dunkle Macht. Das betrifft mich aber nicht.' Man kann sagen, dass das naiv war oder einfach der Logik der Zeit entsprach. Niemand konnte damals vorhersagen, was passieren und welche Ausmaße es haben wird. Auch "Grand Budapest Hotel" handelt davon. Mein Charakter hätte sich weiter gegenüber allem verschließen können, was um ihn herum passiert. Er hätte sich fragen können, was er machen kann, ohne sein Leben zu riskieren. Am Ende erkennt er aber, dass er alles riskieren muss.
3L Filmverleih
Jeff Goldblum in "Ein Leben für ein Leben"
Es gibt nicht viele gelungene Fortsetzungen
Ricore: Anderson sagte uns gerade, dass er sich für den Film von Stefan Zweig inspirieren ließ. War ihnen dieser Autor bekannt?

Goldblum: Nein, das war er nicht, aber ich bin froh, dass ich so auf ihn aufmerksam wurde. Ich wollte wissen, inwiefern sich Wes' Denken mit dem von Zweig überschnitt. Er hatte einen Haufen alter Bücher über alte Hotels, die Epoche der Filmhandlung und möglicher Schauplätze. Außerdem hat er Filme mitgebracht, die ihn sehr inspirierten. Viele hatte ich noch nicht gesehen, so auch Ernst Lubitschs "Sein oder Nichtsein", "Menschen im Hotel", "Rendezvous nach Ladenschluß", "Tödlicher Sturm" und Ingmar Bergmans "Das Schweigen", der eine surreale Geschichte in einem Hotel erzählt. Wir hatten DVD-Player in unseren Zimmern und so habe ich mir alle diese Filme angeschaut.

Ricore: Was halten Sie davon, dass "Independence Day" und das "Jurassic Park"-Franchise fortgesetzt werden.

Goldblum: Ich war froh, dass ich mich zum Abendessen mit Dean Devlin [Produzent und Drehbuchautor von "Independence Day"; Red.] und Roland Emmerich [Regisseur des Films] treffen konnte. Es war großartig, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Sie glauben, dass sie einige gute Ideen für die geplanten Fortsetzungen haben. Es klang für mich sehr interessant. Ich weiß nicht, was daraus wird. Niemand kann wissen, was das Publikum mag.

Ricore: Soll die Fortsetzung dem ersten Teil ästhetisch verpflichtet sein oder neue Wege erschließen?

Goldblum: Ich habe mir darüber keine Gedanken gemacht. Wir werden sehen. Es ist auf jeden Fall eine Herausforderung. Es gibt nicht viele gelungene Fortsetzungen. Ich mochte "Der Pate 2" (lacht). Wir werden sehen, was passiert.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 5. Juni 2014
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Concierge Gustave H. (Ralph Fiennes) läuft im renommierten Grand Budapest Hotel der junge Angestellte Zero Moustafa (Tony Revolori) über den Weg. Beiden steht wegen eines absurden Erbstreits viel Ärger ins Haus. In Zeiten des politischen Umbruchs erleben die beiden zahlreiche Abenteuer. Die originelle Inszenierung von US-Regisseur Wes Anderson ist angereichert mit jeder Menge skurrilem Humor - äußerst sehenswert!
Jeffrey Lynn Goldblum wird am 22. Oktober 1952 in der Nähe von Pittsburgh, Pennsylvania geboren. Bereits mit 17 Jahren beginnt der Sohn eines Arztes und einer Radiomoderatorin sein Schauspielstudium in New York. Auf der Bühne debütiert Jeff Goldblum 1971 mit dem preisgekrönten Musical "Two Gentleman of Verona".Charles Bronson im Rachethriller "Ein Mann sieht rot". Es folgen Auftritte in Woody Allens "Der Stadtneurotiker" und Robert Altmans Episodendrama "Nashville". Nach der Komödie "Kopfüber..
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