Wild Bunch
Ronald Zehrfeld in "Wir wollten aufs Meer"
Filmreporter.de fragt zu "Wir waren Könige"
Interview: Mann für alle Rollen: Ronald Zehrfeld
Das Jahr 2014 war das produktivste in der Karriere von Charaktermime Ronald Zehrfeld. Sage und schreibe sechs Filme mit ihm in tragenden Rollen kommen in die Kinos. Von Abnutzungserscheinungen ist bei dem Enst-Busch-Absolventen nichts zu merken. Allerdings macht man sich als Schauspieler schon mal Sorgen, dass sich beim Zuschauer irgendwann ein Sättigungsgefühl einstellt. Im Interview anlässlich des Kinostarts des Polizeithrillers "Wir waren Könige" verrät der 37-Jährige, wie er dieser Gefahr entgegensteuert.
erschienen am 27. 11. 2014
Piffl Medien
Ronald Zehrfeld in "Barbara"
Wie kleine Kinder alles aufgesogen
Ricore Text: Herr Zehrfeld, wie bereitet man sich als Schauspieler auf die Rolle eines SEK-Beamten vor?

Ronald Zehrfeld: Wir hatten das große Glück, dass wir echte SEK-Beamte kennenlernen durften und deren Einsatzabläufe in einer stillgelegten Kaserne beobachten konnten. Diese Jungs stürmten für uns die Räume, während wir Schauspieler wie kleine Kinder mit leuchtenden Augen alles aufgesogen haben. Wir mussten die Übungen nachmachen und wurden von ihnen eingehend analysiert und beraten. Diesen Einblick zu haben war sehr hilfreich. Es ging uns darum, die Körperlichkeit, das Vertrauen zwischen den Kollegen und das Moment des Eingespielten glaubhaft darzustellen. Man kennt zur Genüge aus Film und Fernsehen, wie Sondereinsatzkommandos Räume stürmen. Das sind Szenen, bei denen die echten SEK-Leute den Fernseher ausschalten, weil sie nichts mit der Realität zu tun haben. In Wirklichkeit ist diese Arbeit eine ganz andere Welt.

Ricore: Wird "Wir waren Könige" dieser Realität gerecht oder wird sie doch stark verdichtet und dramatisiert?

Zehrfeld: Das ist eine schwere Frage, die ich mir nicht anmaße zu beantworten. Besser wäre es, sie den SEK-Leuten zu stellen. Die Frage wäre allerdings, ob sie eine ehrliche Antwort geben würden bzw. könnten bzw. dürften. Die Frage richtet sich auch an den Regisseur Philipp Leinemann. Jedenfalls kennt er in seinem privaten Umfeld Leute, die in diesem Berufsfeld arbeiten.

Ricore: Gab es Reaktionen auf den Film von SEK-Beamten?

Zehrfeld: Ich habe mitbekommen, dass sich die Leute bedankt haben. Sie ärgern sich darüber, dass ihr Beruf immer falsch dargestellt wird. "Wir waren Könige" würde ihnen den Respekt zurückgeben, sagten sie. Diese Resonanz hat auch damit zu tun, das Philipps Interesse auch war, die Menschen in den unterschiedlichen Milieus zu zeigen - ob es sich um die einzelnen Mitglieder einer Jugendclique handelt oder um Leute aus der SEK-Einheit. Der Zuschauer soll sich mit den einzelnen Figuren identifizieren: mit dem kleinen Jungen, der sich nach Liebe und Anerkennung sehnt; mit dem jungen Mann, der auf Bewährung ist und mit seiner Freundin ein neues Leben aufbauen will, usw. Außerdem fragt "Wir waren Könige" nach Themen wie Freundschaft und den Werten in einer Polizeieinheit. Er zeigt Menschen, die sich irgendwann für einen Beruf entschieden haben und auf einmal merken, dass die Realität anders aussieht.

Ricore: Sie haben in Ihrer Karriere immer wieder Polizisten verkörpert. Steckt dahinter Sympathie für diesen Berufszweig oder werden Sie mit Vorliebe für den Rollentypus eines taffen Kerls besetzt?

Zehrfeld: In den letzten Jahren durfte ich Rollen spielen, die mich interessiert haben. Klar kommen dann Leute und fragen, ob ich nur Ostfilme mache oder nur Polizisten und Soldaten spiele. Das waren nun mal Projekte, für die ich mich entschieden habe. Hätten andere interessante Drehbücher auf meinen Tisch gelegen, dann hätte ich mich auch dafür entschieden. Ich bin offen für viele Sachen, wie man am Beispiel von Christian Petzolds "Barbara" sehen konnte, in dem ich einen Arzt spielte.
Summiteer Films
Plakatmotiv von "Wir waren Könige"
Ronald Zehrfeld: Es war für uns ein Geschenk
Ricore: Die zweite Hauptrolle in "Wir waren Könige" verkörpert Misel Maticevic. Sie spielten beide in "Im Angesicht des Verbrechens" mit, doch zum ersten Mal gemeinsam vor der Kamera sieht man Sie erst in diesem Film.

Zehrfeld: Das ist richtig. In "Im Angesicht des Verbrechens" stürme ich als einer der Polizisten die Bar 'Odessa', deren Inhaber die von Misel gespielte Figur ist. Dabei sind wir nur kurz aneinander vorbeigelaufen. Unser beider großer Wunsch war es, endlich mal zusammen in einem Film mitzuspielen. Der hat sich mit "Wir waren Könige" endlich erfüllt. Es war für uns ein Geschenk, endlich zusammen arbeiten zu können. Es war sehr schön.

Ricore: Das weckt Erinnerungen an Robert De Niro und Al Pacino, die in "Der Pate 2" keine gemeinsame Szene hatten, dann in "Heat" endlich zusammen vor der Kamera zu sehen waren.

Zehrfeld: Das lasse ich gerne so stehen. Es sind Schauspieler, die ich sehr schätze. Wenn Sie Parallelen zu mir und Misel ziehen, dann sehr gerne (lacht). Beide haben Monumentalwerke geschaffen und mit ihrem Schauspiel die Messlatte sehr hoch gelegt. De Niro mit "Taxi Driver", "Wie ein wilder Stier" oder "Kap der Angst", Al Pacino mit "Der Pate" oder "Der Duft der Frauen". Dafür werden sie für immer Erinnerung bleiben.

Ricore: Das Jahr 2014 war das produktivste in ihrer Karriere. Ganze sechs Filme mit Ihnen in der Hauptrolle liefen dieses Jahr in den Kinos. Was steckt hinter dieser Arbeitswut?

Zehrfeld: Zum einen der glückliche Umstand, dass ich in meinem Beruf arbeiten und mich weiterentwickeln kann. Zum anderen, dass meine Arbeit angenommen und geschätzt wird. Meine Herausforderung ist, die richtige Ökonomie zu finden. Die eine Sache ist Rollen anzunehmen, die andere, dass am Ende des Jahres der Akku leer ist. Es ist für mich eine Luxussituation, die ich mir erarbeiten durfte bzw. konnte. Dabei hatte ich das Glück, mit großartigen Regisseuren und Kollegen zusammenzuarbeiten. Es gibt genug Schauspieler, die diese Möglichkeit nicht haben, deswegen bin ich sehr dankbar. Ich hoffe, dass es so weitergeht und ich den Anspruch an meine Figuren nicht verliere.

Ricore: Haben Sie nicht manchmal Angst vor der Übersättigung des Zuschauers?

Zehrfeld: Diese Angst hat man als Schauspieler immer. Das betrachte ich aber als Ansporn dafür, meine Arbeit so gut zu machen, dass die Leute meiner nicht überdrüssig werden. Dennoch überlegt man sich manchmal, auf die Bremse zu treten, damit man nicht inflationär wird. Dafür liebe ich den Job jedoch zu sehr.
Summiteer Films
Ronald Zehrfeld in "Wir waren Könige"
Andere Facetten zeigen
Ricore: Sie haben in den letzten Jahren eine Kontinuität in der Zusammenarbeit mit Kollegen und Regisseuren gezeigt. Streben Sie diese Kontinuität bewusst an oder ergibt sie sich von selbst?

Zehrfeld: Es hat natürlich viel damit zu tun, wie die Zusammenarbeit bei einem Filmprojekt verläuft, ob sie sie angenehm ist, ob man Interesse aneinander hat, sich was zu sagen hat, usw. Auf der einen Seite freue ich mich darauf, neue Leute kennenzulernen, was ja immer wieder vorkommt. Andererseits betrachte ich es als Glück, mit Leuten, die man schätzt, erneut zusammenarbeiten zu dürfen. Das führt andererseits dazu, dass man schnell in Schubladen gesteckt wird. Meine Hoffnung besteht nach wie vor, dass ich auch andere Facetten zeigen kann. In Deutschland braucht es etwas länger, bis man ein bestimmtes Image los wird. Hier heißt es schnell: Roland Zehrfeld, der Mann mit den körperlichen Rollen, der in Ostfilmen mitspielt und oft in Polizisten-Rollen zu sehen ist. Selten, dass jemand den Mut aufbringt, darauf hinzuweisen, dass Herr Zehrfeld auch andere Figuren verkörpert.

Ricore: Sie werden aber auch oft als 'intellektueller Schauspieler' betitelt, der den Fokus auf die Schauspielerei als Kunst und Handwerk legt und dem es nicht in erster Linie um Glamour und Rampenlicht geht. Wie wichtig ist Ihnen dieses Image?

Zehrfeld: Sehr wichtig. Kunst kommt von können und nicht von wollen, sonst hieße es ja 'Wunst' [lacht]. Ich habe diesen Beruf nicht ergriffen, um auf dem roten Teppich zu glänzen. Es geht mir nicht darum, ein Star zu sein, sondern darum die Chance zu haben, Menschen, Charaktere, Figuren kennenzulernen. Die Schauspielerei ist einer der wenigen Berufe, bei dem man die Chance hat, etwas über den Menschen oder über sich selbst zu lernen. Das ist mein Motivator in diesem Beruf: die Möglichkeit, mich weiterzuentwickeln. Oder die Möglichkeit zu haben, bestimmte Berufsgruppen ins rechte Licht zu rücken, ob es sich um Soldaten, Polizisten oder Ärzte handelt.

Ricore: Hat diese politische Einstellung zu Kino bzw. Schauspielerei auch etwas damit zu tun, dass Sie in der DDR aufgewachsen sind?

Zehrfeld: Ja, und zwar im besten Sinne. Der Film kann das gesamte Spektrum zwischen Unterhaltung und Arthouse abdecken. Solange ich die Chance habe, an Projekten teilzuhaben, die etwas in mir auslösen, nutze ich sie. Mich interessiert in erster Linie Inhalte und das sollte auch so sein.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch
erschienen am 27. November 2014
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An der Berliner Schauspiel-Hochschule Ernst Busch" erlernte Ronald Zehrfeld sein Handwerkszeug. Nach seinem Abschluss folgten zahlreiche Engagements auf deutschen Theaterbühnen. Im Jahr 2003 hatte er seinen ersten Fernsehauftritt, nur ein Jahr später folgt sein Kinodebüt mit "Der rote Kakadu". Dominik Grafs Film wurde auf dem Internationalen Filmfest in Marrakesch als bester Beitrag ausgezeichnet.Feo Aladags Kriegsdrama "Zwischen Welten" einen Soldaten im Afghanistan-Einsatz. Mit dem Thriller..
2024