Universal Pictures Germany
Eddie Redmayne während des Photocalls zu "Die Entdeckung der Unendlichkeit" in München
Sensible Rolle brillant gemeistert
Interview: Eddie Redmaynes Karrierebooster
Was für eine Rolle, was für eine Leistung. Eddie Redmayne steht noch am Anfang seiner Karriere, den meisten Filmfans ist er noch kein Begriff. Wer "Elizabeth - Das goldene Königreich" oder "Les Misérables" gesehen hat, achtete wohl mehr auf die Haupt- als auf den Nebendarsteller. Mit seinem Auftritt in der Rolle des britischen Wissenschaftlers Stephen Hawking in "Die Entdeckung der Unendlichkeit" hat sich Redmayne nun aber in die erste Riege des britischen Kinos gespielt. Der 32-Jährige verkörpert den an den Rollstuhl gefesselten Physiker mit solcher Hingabe, dass er schon jetzt als Oscar-Kandidat gehandelt wird. Filmreporter.de traf sich mit dem sympathischen Schauspieler in München und sprach mit ihm über Ängste, Inspiration und Stephen Hawking.
erschienen am 23. 12. 2014
Universal Pictures
Eddie Redmayne in "Die Schwester der Königin"
'Ich jagte der Rolle regelrecht hinterher'
Ricore Text: Was war Ihre Reaktion, als Sie zum ersten Mal mit der Rolle Stephen Hawking konfrontiert waren?

Eddie Redmayne: Ich wünschte, ich könnte sagen, man hatte mir die Rolle angeboten. Ich jagte der Rolle regelrecht hinterher. Ich dachte zuerst, bei dem Projekt handelt es sich um ein konventionelles Biopic. Als ich das Drehbuch las, stellte ich fest, dass der Film von einer komplexen und leidenschaftlichen Liebesgeschichte zweier außergewöhnlicher Menschen erzählt. Dann hörte ich, dass James Marsh ihn inszenieren wird. Ich kannte "Man on Wire" und wusste, dass James daraus einen atemberaubenden Film machen würde. Ich bemühte mich um Kontakt mit ihm. Er lebt in Kopenhagen, also rief ich ihn dort an. Als er in London war, gingen wir um zwei Uhr nachmittags in den Pub. Er fragte mich, was ich trinken wolle. Ich sagte: 'Bier'. Er bestellte einen Kaffee. Ich dachte nur: Scheiße. Am Ende hatte er fünf, sechs Kaffee intus, ich sechs Bier und war ziemlich betrunken. Einen Tag später bekam ich einen Anruf, in dem es hieß, dass ich die Rolle bekommen hätte.

Ricore: Wie empfanden Sie in dem Moment?

Redmayne: Normalerweise fühlt man einige Wochen lang eine große Aufregung. In diesem Fall dauerte sie weniger als eine Sekunde. Ihr folgte die Sorge darüber, wie ich den Part bewältigen soll.

Ricore: Hatten Sie Schwierigkeiten, von der Rolle wieder runterzukommen?

Redmayne: Ich gehörte nie zu den Schauspielern, die Schwierigkeiten damit haben, eine Rolle wieder loszuwerden. Ich war immer gut darin, von Film zu Film zu springen. Mit der Rolle Stephen Hawkings ging eine große physische Belastung einher. Es waren neun Monate harter körperlicher Anstrengung. Nach "Die Entdeckung der Unendlichkeit" habe ich erst mal pausiert, weil ich Zeit brauchte, um mich zu seelisch und körperlich erholen.

Ricore: Wie gut waren Sie in Physik?

Redmayne: Absolut untauglich (lacht). Ich hörte damit auf, als ich 14 Jahre alt war. Wenn mein Lehrer Mr. Harris erfährt, dass ausgerechnet ich Stephen Hawking spiele, wird er sich wahrscheinlich vor Lachen krümmen.
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Felicity Jones und Eddie Redmayne in "Die Entdeckung der Unendlichkeit"
Eddie Redmayne: chaotischer Monolog
Ricore: Einige Tage vor den Dreharbeiten zu "Die Entdeckung der Unendlichkeit" trafen Sie sich mit Mr. Hawking. Worüber haben Sie sich unterhalten?

Redmayne: Es begann eigentlich mit einem langen, chaotischen Monolog von mir. Für Stephen ist es sehr schwer, sich zu unterhalten. Er hat einen Computerbildschirm vor sich, auf dem sich ein Alphabet befindet. Dazu trägt er eine Brille, mit der er einen Cursor bedient, indem er ihn über das Alphabet gleiten lässt. Damit braucht er acht, zehn Minuten für einen Satz. In drei Stunden hat er vielleicht acht Sätze gesprochen. In den ersten zehn Minuten war ich so nervös, dass ich nur Informationen über ihn runter gerasselt habe (lacht). Er war sehr freundlich.

Ricore: Hat sich Ihre Einstellung zum Leben durch den Film verändert?

Redmayne: Stephen und Jane wurden viele Steine in den Weg gelegt, dennoch definierten sie sich nicht durch diese Hindernisse. Was uns Menschen auszeichnet, ist die Tatsache, wie wir Schwierigkeiten überwinden. Wir müssen uns immer vergegenwärtigen, dass wir nur ein Leben haben und jede Minute, jede Sekunde davon so leidenschaftlich wie möglich leben müssen. Ich gehörte zu den Menschen, die in Angst angesichts alltäglicher und banaler Probleme gefangen waren.

Ricore: Wie groß war die Herausforderung, eine so starke körperliche Behinderung zu spielen?

Redmayne: Es ging mir darum, die Krankheit so natürlich wie möglich darzustellen. Dafür musste ich Recherchen und Beobachtungen anstellen. Ich besuchte ALS-Patienten im Krankenhaus. Einige von ihnen erlaubten mir, sie zu Hause zu besuchen. Wenn man so viele Menschen trifft, die an dieser Krankheit leiden, entwickelt man ein großes Verantwortungsgefühl. Man baut zu diesen Menschen eine emotionale Bindung auf. Es war sehr anstrengend.

Ricore: Sie sagten einmal, dass Sie Angst inspirierend finden. Wie meinten Sie das?

Redmayne: Ich bin mir nicht sicher ob 'inspirierend' das richtige Wort ist, vielmehr mitreißend, elektrisierend. Ich hasse Angst. Film ist ein mächtiges Medium. Selbst wenn die Handlung von "Die Entdeckung der Unendlichkeit" fiktiv wäre, würde man sie glauben. Wir hatten die Verantwortung, diese sensible Geschichte wahrheitsgetreu zu erzählen. Es war eine Verantwortung gegenüber der Familie, der Krankheit und der Wissenschaft. Zudem musste diese Geschichte unterhaltsam sein. Dieser Druck bringt eine Menge Angst mit sich. Insofern denke ich, dass Angst nicht inspiriert, sondern bewegt und anspornt.
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Eddie Redmayne bei der Premiere von "Die Entdeckung der Unendlichkeit" in New York
Luci doch etwas punkiger?
Ricore: Was unternahmen sie gegen diesen Druck?

Redmayne: Ich hatte viele schlaflose Nächte und arbeitete härter als sonst. Das ist die Folgeerscheinung von Angst: Man weiß, dass man eine Sache niemals wirklich perfekt machen kann, aber sie zwingt einen dazu, der Wahrheit so nahe wie möglich zu kommen.

Ricore: War Stephen Hawking angesichts seiner Krankheit ambitionierter?

Redmayne: Ich kann diese Frage nur mit Stephens Worten beantworten. Er hat von sich gesagt, dass er als Student faul war. Es war tatsächlich die Zwei-Jahres-Voraussage, die ihn angespornt hat, härter zu arbeiten. Ich finde es bewundernswert, wie er immer wieder das Positive auch in den Schicksalsschlägen sieht.

Ricore: Wie war die Reaktion der Familie Hawkings auf "Die Entdeckung der Unendlichkeit"?

Redmayne: Sie waren sehr liebenswürdig. Stephen hat das Copyright auf seine elektronische Stimme. Ursprünglich benutzten wir für den Film eine synthetisierte Version des Originals. Nachdem Stephen den Film sah, bot er uns seine eigene Stimme an. Das war großartig. Das bringt den Film einen weiteren Schritt näher an die Wirklichkeit. Auch Stephens Kinder waren wundervoll. Von Luci haben wir sehr schöne Briefe erhalten. Einmal schrieb sie bezüglich einer Szene am Ende des Films etwas sehr Lustiges. Soweit sie sich erinnere, schrieb sie, hätte sie früher doch etwas punkiger ausgesehen (lacht).

Ricore: Das gibt auch den Humor von "Die Entdeckung der Unendlichkeit" wieder. Wie schwierig war es, trotz der harten Schicksalsschläge komische Elemente in den Film zu bringen?

Redmayne: Zunächst einmal ist Stephen keine tragische Figur. Nachdem bei ihm die Krankheit diagnostiziert wurde, war er natürlich traurig. Zusammen mit Janes hat er die Melancholie jedoch überwunden. Er ist ein Mensch, der immer nach vorne blickt. Wenn man ihm begegnet, wird man von seinem Sinn für Humor geradezu überwältigt. Das habe ich aus der Begegnung mit ihm mitgenommen: Er kann sehr witzig sein.

Ricore: Sie sagten vorhin, dass Sie nach "Die Entdeckung der Unendlichkeit" nicht wieder gearbeitet haben. Was haben Sie in der Zwischenzeit gemacht?

Redmayne: Ich war im Urlaub. Beruflich war ich an einer Dokumentation über Kunst im Ersten Weltkrieg beteiligt. Außerdem habe ich mich vorsichtig dem nächsten Filmprojekt genähert.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 23. Dezember 2014
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