Constantin Film
Ken Duken und Mina Tander in Premierenstimmung ("Frau Müller muss weg")
Kindererziehung mit Mina Tander
Interview: Entspannter Ken Duken
Ken Duken spielt in Sönke Wortmanns Komödie "Frau Müller muss weg" einen karriereorientierten Vater, dem die Noten seines Kindes zu schlecht sind und deshalb die Lehrerin zur Schnecke macht. Privat sei er ganz anders, betont der sympathische Schauspieler im Interview mit Filmreporter.de. Gemeinsam mit Mina Tander, die in "Frau Müller muss weg" seine Ehefrau verkörpert, sprechen wir darüber, wie sie ihre eigene Schulzeit erlebt haben und wie man dafür sorgen kann, dass Kinder mit größerer Freude zur Schule gehen.
erschienen am 25. 01. 2015
Constantin Film
Sönke Wortmann mit Hauptdarstellerin Anke Engelke auf Premierenfeier ("Frau Müller muss weg")
Sönke Wortmann: Geh ins Theater
Ricore Text: Alles Gute nachträglich zum Geburtstag! Sind Sie bei dem ganzen Arbeitsstress wegen "Frau Müller muss weg" überhaupt zum Feiern gekommen?

Mina Tander: Das geht schon. Ich habe mir jetzt im Winter auch eine kleine Auszeit genommen, deswegen konnte ich schon ganz gut feiern. Allerdings haben wir an dem Samstag davor so sehr gefeiert, dass mir in den Tagen danach gar nicht mehr so zum Feiern zumute war.

Ricore: Was heißt "heftig feiern"?

Tander: Ich war mit zwei Mädels unterwegs, das ging recht lang.

Ricore: Kannten Sie das Theaterstück "Frau Müller muss weg" bereits bevor Sie von Sönke Wortmann für dessen Filmversion angefragt wurden?

Ken Duken: Bei mir ist es dieses Mal komplett anders verlaufen als sonst. Normalerweise erhältst du ein Drehbuch und triffst dich dann mit dem Regisseur, um darüber zu sprechen. Hier war es so, dass ich den Regisseur getroffen und gar nicht wusste zu welchem Projekt. Dann hat Sönke Wortmann gesagt: "Ich gebe dir jetzt kein Skript. Geh ins Theaterstück. Dann weißt du alles, was du über unseren Film wissen musst."

Ricore: Das hat Sie dann so überzeugt, dass Sie den Film machen wollten?

Duken: Ich habe mich bepisst vor Lachen. Zuvor dachte ich, dass das Stück nur eine sehr begrenzte Zielgruppe ansprechen würde. Aber beim Besuch im Theater habe ich dann gesehen, dass das nicht der Fall ist. Ich glaube jeder kann sich mit den dort geschilderten Problematiken der Erziehung unserer Kinder in irgendeiner Weise identifizieren.
Constantin Film
Meint auch Ken Duken "Frau Müller muss weg"?
Ken Duken: Schulzeit verdrängt
Ricore: Haben Sie mit Ihren Eltern darüber gesprochen, was diese auf ihren Elternabenden erlebt haben?

Duken: Ich habe diese Zeit verdrängt.

Tander: Erzählt hat sie es nicht. Aber ich meine mich daran erinnern zu können, dass das Thema gar nicht so aufgeladen war. Die Eltern konnten da mal vorbeikommen und wenn es große Probleme gab, wurden die angesprochen.

Duken: Jetzt bringen Sie Mina dazu zu lügen, denn sie war nie in einer Schule.

Tander: [Lacht] Das habe ich dir nur so gesagt, damit du keine Komplexe bekommst. Aber wie auch immer, um das Thema Schule wurde bei mir kein so großer Bohei gemacht. Ich war eine relativ unkomplizierte Schülern, insofern hatte meine Mutter auch nicht solche Probleme zu lösen. Sie hat auch nie die Hausaufgaben kontrolliert, sie hat uns vertraut, dass wir das hinkriegen.

Ricore: Wie wurde Ihnen das Thema Schule nahegebracht? Konnte man Sie einfach dafür begeistern, oder musste nachgeholfen werden?

Duken: Ganze ehrlich: Ich war ja schon sehr früh Cineast und habe Filme wie "Der Club der toten Dichter" gesehen, der mich in gewisse Depressionen gestürzt hat, da ich mich danach immer gefragt habe: "Wo gibt es solche Lehrer in meinem Leben?" So ein Gefühl habe ich heute auch noch. Wenn du Kinder nimmst, die sind wie Schwämme, sie saugen alles auf. Kinder wollen Informationen, Kinder wollen Dinge wissen, Dinge erfahren. Die wollen lernen. Wie kann es bloß in diesem System passieren, dass diese Schwämme mehr oder weniger die gesamte Zeit vertrocknet in der Ecke herumliegen? Wo ist da etwas schief gelaufen, dass die Kinder in den Schulen nicht automatisch wissen und lernen wollen? Gerade in der heutigen Gesellschaft, in der es nur noch darum geht erfolgreich zu sein und Druck aushalten zu können. Bereits zu meiner Schulzeit gab es nur ganz wenige Lehrer, bei denen ich das Gefühl hatte, dass sie sich wirklich für mich interessieren. Ich hatte in meiner Schulzeit eine merkwürdige Berg- und Talfahrt. Je nachdem welchen Lehrer ich gerade hatte, war ich in ein und demselben Fach in dem einen Moment richtig gut, im nächsten sehr schlecht. Meine Noten waren also wesentlich mehr davon abhängig, ob ich von einer Lehrkraft inspiriert wurde, als von der Frage, ob ich grundsätzliches Talent in einem bestimmten Fach habe.

Ricore: Einfluss hat auch, dass Lehrkräften heutzutage oftmals viel mehr zugemutet wird, als ihnen ursprünglich zugedacht ist. Herrscht Ihrer Meinung nach ein Ungleichgewicht zwischen Elternhaus und Schule was Erziehungsfragen angeht?

Tander: Inzwischen ist es ja so, dass der Hort in die Schule integriert ist. Kinder verbringen dadurch de facto bereits extrem viel Zeit in der Schule. Es ist kaum mehr so, dass die Kinder direkt nach der Schule um 12.30 Uhr nach Hause gehen. Dadurch ist der zeitliche Rahmen in dem sie fremdbetreut werden sehr groß. Vielleicht wachsen damit auch die Ansprüche, die Eltern gegenüber der Schule haben. Aber mein Kind ist noch zu klein, als dass ich das als betroffene Mutter genau beurteilen könnte.

Duken: Anspruch und Realität klaffen oft auseinander. Heutzutage verlangt man so viel von sich und seinem Umfeld. Das Bild der Frau und auch das Bild des Mannes ist heute so, dass man alles bedienen können muss. Ich habe das Gefühl, dass sich dahingehend etwas verändert hat, dass früher Kinder fast vom ganzen Dorf erzogen wurden. Heutzutage sind viele Eltern komplett auf sich gestellt und versuchen ihr Leben um das Kind herum zu organisieren. Alles ist nur noch darauf ausgerichtet zu funktionieren. Da fehlt die Leichtigkeit. Und die Lehrer haben den Druck ihr Programm innerhalb von zwölf Jahren durchzudrücken. Es läuft alles nur noch dem System der Leistung hinterher, sodass man diese individuelle freie Entfaltung von bestimmten Kindern die vielleicht extrem großartig sind oder sehr begabt wären, in komplett andere Bahnen gelenkt werden und ihr Talent dadurch unter den Tisch fällt.

Tander: In der Schule wird eine gewisse Norm vorgegeben. Wer der nicht entspricht, bekommt Probleme. Dazu sagt unser Film, dass dies aber nicht bedeutet, dass man im Leben nicht bestehen kann. Das finde ich fast die wichtigste Aussage von ''Frau Müller muss weg'' - neben dem Punkt, dass man als Elternteil versuchen sollte, sich im Umgang mit seinem Kind entspannter zu verhalten.
Constantin Film
Mina Tander auf der Premiere ("Frau Müller muss weg")
Mina Tander: Gratwanderung
Ricore: Wie gelingt es einem das nötige Vertrauen zu einer Lehrkraft oder einem Erzieher aufzubauen, in deren Hände man seine Kinder für so viele Stunden am Tag gibt?

Duken: Das macht man ganz instinktiv. Man sucht sich einfach irgendetwas aus und dann reagiert man. Wenn man hinhört und schaut, dann sieht man ja bestimmte Dinge und darauf kann man reagieren. Aber wenn man mit einem grundsätzlichen Unvertrauen in die Welt gehen würde, bringt einem das ja auch nichts. Aber man hat ja stets die Möglichkeit auf Missstände zu reagieren. Das kann auch etwas bei einem selbst sein. Vielleicht habe ich ja andere Ansprüche als das, was mein Kind im Moment tatsächlich kann. Dann zu sagen: "Oh Gott, mein Kind kann das und das nicht" - das geht ja mittlerweile schon im Kindergarten damit los - da sage ich dann immer, dass das doch scheißegal ist. Für mich ist das Wichtigste, dass das Kind glücklich ist. Alles andere wird man sehen.

Ricore: Das heißt, noch greifen Sie nicht so weit ein, was Ihr Kind so tut?

Duken: Es ist das Leben der Kinder. Wenn du versuchst ihnen etwas aufzuzwingen, dann wirst du gegen die Wand laufen. Das ist meine persönliche Wahrnehmung. Du kannst beraten und unterstützen, damit das Kind seinen eigenen Platz findet. Mehr jedoch nicht.

Ricore: Wie ist es in der Schule? Wird dort zu sehr in die Entwicklung von Kindern eingegriffen? Es gibt ja Leute die meinen, dass Jungs nicht mehr Jungs seien dürfen, da ihnen verboten werde auf dem Schulhof miteinander zu rangeln.

Tander: So etwas ist immer eine Gratwanderung. Ich habe letztens mit einer Mutter gesprochen, die zwei Kinder hat. Der Junge ist äußerst sanftmütig und in etwa so alt wie meine Tochter. Deren Tochter ist drei Jahre älter und ihr sagt sie nicht ''hau nicht zurück'', denn ansonsten wird sie verprügelt. Abgesehen davon finde ich es übertrieben, wenn Eltern sagen, dass die Kinder alles unter sich regeln müssen, denn wenn ein Fünfjähriger einen Zweijährigen schlägt, geht das natürlich überhaupt nicht. Aber natürlich sollte man auch nicht bei allem eingreifen. Das ist schrecklich, denn dann nimmst du dem Kind in dem Moment auch seine Autonomie und auch die Autorität gegenüber dem anderen Kind. Du machst dann das, was das Kind eigentlich selbst erledigen sollte. Insofern kann ich Ihre Frage nicht pauschal beantworten. Man muss einfach immer abwägen, was jedoch nicht immer einfach ist.

Duken: Auf der einen Seite möchtest du dein Kind zur Selbstständigkeit erziehen. Aber das tust du auch schon in vielen anderen kleinen Dingen. Und auf der anderen Seite darf ein Kind nicht das Gefühl der Ohnmacht haben. Man ist ja schließlich für ein Kind verantwortlich. Statt immer nur zu reagieren und in Situationen einzugreifen, wenn etwas passiert ist, sollte man generell versuchen dem Kind Werte zu vermitteln. Denn ganz ehrlich, da draußen laufen Menschen herum, die sind einfach scheiße - im Sinne der eigenen Wahrnehmung. Aber das heißt ja noch lange nicht, dass die nicht auch denken, dass wir scheiße sind. Es gibt einfach Kinder, die nennt man auf dem Spielplatz Arschlochkinder, weil sie sich verhalten wie der letzte Arsch. Aber mein Gott, es gibt ja stets Gründe dafür. Du kannst einfach nicht 24 Stunden neben deinem Kind und über deinem Kind wachen, sondern du musst es zwangsweise zur Selbstständigkeit erziehen. Das geht bei vielen kleinen Dingen los und ich denke, dass da viel mit der Ohnmacht von Kindern gespielt wird.

Ricore: Wie sehr haben Sie sich damit auseinandergesetzt, welche Schulform Ihr Kind besucht, ob es vier oder acht Jahren gemeinsam mit anderen unterrichtet wird, bevor es auf eine weiterführende Schule kommt?

Duken: Jedes Leben hat ein anders System. Die Dinge, die für mich funktionieren, müssen es noch lange nicht für andere. Bei uns ist es zum Beispiel so, dass dadurch, dass ich in den letzten 17 Jahren über 70 Prozent meiner Arbeit im Ausland gemacht habe und immer noch oft im Ausland bin, ich nicht wollte, dass mein Kind außen vor bleibt. Wenn aber zwei Deutsche mit ihrem Kind englisch sprechen, ist das total bescheuert, deshalb besucht er ein englisches Schulsystem. Er kann dadurch wesentlich autarker und nach seinen persönlichen Bedürfnissen lernen. Das sind die einzigen Dinge, die man überdenken muss. Wie ist unser Leben und wie kann man für dieses Leben das Beste für sein Kind herausholen? Aber im Grunde genommen rede ich darüber nur ungern.

Ricore: Hat sich durch "Frau Müller muss weg" Ihre Sicht auf das System Schule verändert?

Duken: Nein.

Tander: Meine auch nicht. Ich weiß nur, dass, als ich das Drehbuch gelesen habe, ich zunächst sehr sauer auf Frau Müller war, dann aber gemerkt habe, dass ich schon aus meiner Rolle heraus argumentiere und das Ganze nur aus der Sicht der Eltern beurteile, und gar keinen Einblick in die Situation der Lehrer habe.

Duken: Bei mir war es genau anders herum. Ich war erst Mal komplett auf der Seite der Lehrerin und musste mich dann echt dazu zwingen, die ganze Situation aus der Sicht der Eltern zu beurteilen.

Ricore: Vielen Dank für das Interview!
erschienen am 25. Januar 2015
Zum Thema
Der Brad PittChristina Loeb geboren, folgt nach einigen Bühnenauftritten die erste TV-Rolle in "Blutiger Ernst". Schlaraffenland" ist er 1998 dann bereits an der Seite von Heiner Lauterbach im Kino zu sehen. Neben der Schauspielerei, ist Duken zunehmend auch als Produzent und Regisseur tätig. Mit seiner 2003 gegründeten Produktionsfirma Grand Hotel Pictures realisiert er neben Kurzfilmen wie "Der Antrag" auch Musikvideos für die Rockgruppen Oomph und Curse.
Die am 4. Dezember 1978 geborene Mina Tander gibt ihr Schauspieldebüt als 16-jährige im Fernsehfilm "Absprung" (1995). Dem Kinopublikum wird sie fünf Jahre später durch ihre Rolle in "Harte Jungs" bekannt. Mit dem Rückenwind der erfolgreichen Teenagerkomödie bekommt die gebürtige Kölnerin Rollen in Kino-Produktionen wie "Fremder Freund" und "Oktoberfest". Maria, ihm schmeckt's nicht!" für den Preis der Michael 'Bully' Herbigs Komödie "Buddy" zu sehen. Mina Tander ist Mutter einer Tochter und..
Anke Engelke zieht in "Frau Müller muss weg" gegen eine Grundschullehrerin (Gabriela Maria Schmeide) in den Krieg, weil diese angeblich zu schlechte Noten vergibt. Sönke Wortmann hat das gleichnamige Theaterstück von Lutz Hübner aufführt. So wurde seine Bühnenfassung im Jahr 2012 beim 1. Privattheaterfestival Hamburg mit dem Publikumspreis ausgezeichnet.
2024