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Florian David Fitz in "Die Lügen der Sieger"
Die Wahrheit der anderen
Interview: Florian David Fitz lügt nicht
Daran müssen sich die Fans von Florian David Fitz noch gewöhnen: Nachdem der Frauenscharm mit leicht verdaulichen und aufbauenden Fernsehserien und Filmen wie "Doctor's Diary" und "Männerherzen" nicht nur die deutschen Kinos eroberte, spielt er nun die Hauptrolle in einem Werk von Berliner Schule-Regisseur Christoph Hochhäusler. Das Experiment ist gelungen - nicht nur weil Fitz in dem Politthriller "Die Lügen der Sieger" in der Rolle des desillusionierten Journalisten eine gute Figur macht. Hochhäusler hat mit seiner fünften Regiearbeit nämlich seinen bis dato unterhaltsamsten Film inszeniert. Im Gespräch mit Filmreporter.de thematisiert Fitz nicht nur den Zusammenprall zweier Filmkulturen...
erschienen am 18. 06. 2015
Constantin Film
Florian David Fitz
Von den Medien gejagt?
Ricore Text: Herr Fitz, normalerweise werden Sie von Medienvertretern gejagt. Für "Die Lügen der Sieger" sind Sie selbst in die Rolle eines Journalisten geschlüpft. Wie gefiel Ihnen der Rollenwechsel?

Florian David Fitz: Aus Ihrer Sicht mag das spannend gewesen sein. Für mich war das nichts anderes, als einen Arzt oder etwas anderes zu spielen. Mir ging es darum, herauszufinden, was ich über den Beruf weiß und was ich darüber noch erfahren muss. Als Vorbereitung waren wir in der Redaktion des Spiegel, wo wir einen Einblick in die technischen Abläufe hatten. Das war sehr spannend.

Ricore: Wenn Sie Journalist geworden wären, für welches Ressort hätten Sie sich entschieden?

Fitz: Leider sind Journalisten heute nicht mehr so frei in der Wahl ihrer Ressorts.

Ricore: ...und wenn Sie es sich aussuchen könnten?

Fitz: Innenpolitik wäre nicht meine Sache. Die Außenpolitik fände ich spannend. Ich weiß allerdings nicht, ob ich gerne in die Krisenherde der Welt reisen wollte.

Ricore: Kultur wäre Ihnen zu langweilig?

Fitz: Das wäre mir zu selbstreferentiell. Vielleicht wäre auch das Ressort Satire bzw. Karikatur etwas für mich.

Ricore: In "Die Lügen der Sieger" geht es darum, inwiefern die Presse heute noch eine Instanz der Wahrheitsfindung ist. Was glauben Sie?

Fitz: Christoph Hochhäusler würde schon beim Wort 'Wahrheit' milde lächeln. Ich bin jemand, der gerne an die Wahrheit glaubt. Wenn man sich auf der Welt aber umschaut, wird man skeptisch. Putins Wahrheit ist nicht die unsere. Auch die Wahrheit von Fox News entspricht nicht meinem Wahrheitsverständnis. Man sollte sich bewusst sein, dass die Wahrheit eingefärbt ist. Selbst wenn man glaubt, bei irgendeinem Konflikt die Fakten zu wissen, unterscheidet sich die Wahrheit je nach Blickwinkel.

Ricore: Der Film zeigt, dass die Presse um Wahrheitsfindung zumindest bemüht ist.

Fitz: Wie ein Filmemacher, der etwas Tieferes über das Menschsein erzählen will, befindet sich auch der Journalist in einem Dilemma: Will er qualitativ anspruchsvoll sein, wird er von weniger Menschen gelesen. Kommt er dem Menschen entgegen, geht die Qualität verloren. Auch er muss eine Story erzählen, was zwangsläufig dazu führt, dass er sich ein Stück von der Wahrheit entfernt.

Ricore: Sind Sie Fan von Verschwörungstheorien?

Fitz: Nein, gar nicht. Null. Ich würde mich sogar als Feind von Verschwörungstheorien bezeichnen. Ich finde Verschwörungstheorien hochgradig albern.
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Florian David Fitz in "Die Lügen der Sieger"
Florian David Fitz: Das reicht mir an Bedrohung!
Ricore: Wie erklären Sie sich die allgemeine Anziehungskraft von Verschwörungstheorien?

Fitz: Der Mensch versucht, die Welt zu ordnen, den Dingen eine Bedeutung beizumessen. Dabei sieht er eine übergeordnete positive Kraft am Walten. Verschwörungstheoretiker sagen, dass es diese positive Kraft nicht gibt. Komischerweise trauen sie einer negativen Kraft eine ähnliche ordnende Macht zu. Was im Grunde genauso lächerlich ist. Andererseits: Wenn ich mir einen Film wie "Citizenfour" anschaue, wird mir Angst und Bange. Das reicht mir an Bedrohung!

Ricore: Sind Sie als Person des öffentlichen Interesses nicht auch Spielball zwischen Wahrheit und medialer Darstellung?

Fitz: Ich gehöre nicht zu den Schauspielern, die abseits der Arbeit im Rampenlicht stehen. Man hat mir sehr früh die Erkenntnis mitgeben, eine Grenze zu ziehen zwischen Beruf und Privatleben. Wenn man diese Grenze nicht zieht, wird man früher oder später Probleme haben. Insofern beschränkt sich mein Kontakt mit der Presse in erster Linie auf meine Filmarbeit. Trotzdem gibt man zwangsläufig Persönliches von sich preis, weil man nun mal nicht vermeiden kann, über sich zu reden.

Ricore: Können Sie Ihr Bild der Öffentlichkeit kontrollieren?

Fitz: Das ist nur bedingt möglich. Man kann dieses Bild allenfalls durch Vorsicht kontrollieren. Wie oft mussten sich schon Menschen für Schlagzeilen entschuldigen, die sie so gar nicht gesagt haben? Sobald man sagt, dass ein bestimmter Satz aus dem Zusammenhang gerissen wurde, hat man schon verloren. Es geht halt oft um den Aufreger. Das ist insofern beängstigend, als es sich schließlich um Menschen handelt, das sind ja wirkliche Leben, und eben nicht nur Storys.

Ricore: "Die Lügen der Sieger" behandelt auch das hochaktuelle Thema Internet-Spionage. Ist das etwas, das ihnen Angst macht?

Fitz: Man darf im Internet nichts machen, von dem man nicht will, dass es Dritte erfahren könnten. Jeder kann jederzeit sehen, was du im Internet machst. Offensichtlich gibt es mittlerweile Computerprogramme, die Nachrichten nicht nur nach Stichworten durchsuchen, sondern die gesamte Internetkommunikation für ihre Zwecke nutzen.

Ricore: Was kann man dagegen tun?

Fitz: Man hat ein einfaches Mittel zur Hand: den Computer ausschalten und nicht mehr teilnehmen.

Ricore: Können Sie sich das vorstellen?

Fitz: Natürlich kann ich mir das vorstellen. Das kann sich doch jeder vorstellen. Man will es halt nicht. Das ist ja das absurde. Früher hatte man Wanzen im Zimmer, heute hat jeder sein Überwachungsgerät bei sich. Bei vollem Bewusstsein.
Constantin Film
Florian David Fitz ist vielfältig (hier in "Da geht noch was")
Vergangenheit erstrahlt immer in Sepia
Ricore: Fehlt ihnen die Zeit vor der digitalen Wende?

Fitz: Nein. Die Vergangenheit erstrahlt in der Erinnerung immer in Sepia-Farbe. Der Mensch muss sein Glück da finden, wo er sich gerade befindet.

Ricore: Fabian aus "Die Lügen der Sieger" leidet an Diabetes und Spielsucht. Sie scheinen mit besonderer Vorliebe Figuren mit physischen oder psychischen Defiziten zu verkörpern.

Fitz: Das sind offenbar die Figuren, die mir am nächsten kommen (lach). Nein, im Ernst. Was gibt es langweiligeres, als eine Figur ohne Fehler zu spielen. Das wäre der Tod aller schauspielerischen Freude.

Ricore: Christoph Hochhäusler ist kein Regisseur, der oft mit 'Stars' zusammenarbeitet. Warum machte er bei Ihnen eine Ausnahme?

Fitz: Diese Frage habe ich ihm tatsächlich auch gestellt. Christoph hat vorher formal sehr strenge Filme gedreht. Ich dagegen bin nicht dafür bekannt, mich in eine strenge Form einbinden zu lassen. Ich suche nach dem Leben einer Situation. Ich glaube, das war es, was Christoph in "Die Lügen der Sieger" auch haben wollte.

Ricore: Mit welcher Motivation sind Sie an die Zusammenarbeit mit Herrn Hochhäusler herangegangen? Wollten Sie sich mit "Die Lügen der Sieger" auch im Arthouse-Film positionieren?

Fitz: Diese Überlegung würde implizieren, dass ich meine Karrieren planen könnte. Dem ist aber nicht so. Man nur sehr bedingt kontrollieren, was geschrieben wird - es sei denn, man schreibt es selbst. Nein, meine Motivationen bei "Die Lügen der Sieger" war erstens schauspielerische Neugier - zumal ich anderthalb Jahre mit Regiearbeiten zugebracht hatte. Hinzu kommt, dass ich Christoph als Regisseur hoch spannend finde. Er kommt aus einer völlig anderen Welt als ich. Insofern freute ich mich über sein Angebot.

Ricore: Inwiefern unterscheiden sich Ihre beiden Welten?

Fitz: Christoph ist ein Cineast, für den ich mich nicht halte. Ich liebes es, Geschichten zu erzählen. Ich zeige in meinen Filmen Facetten der Welt und des Menschseins, die ich spannend finde. In Christophs Arbeit geht um etwas anderes. Er ist in der Lage, die ganze Filmgeschichte zu zitieren. Er hat ein unfassbares Filmwissen. Mir geht es um emotionale Bindung und darum, den Zuschauer in die Geschichte hineinzuziehen. Christoph dagegen möchte, dass sich der Zuschauer bewusst ist, dass er einen Film schaut. Wie gesagt, wir bewegen uns in zwei völlig unterschiedlichen Welten. Darum fand ich die Zusammenarbeit mit Christoph sehr bereichernd.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 18. Juni 2015
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Über 4.000 Lobbyinstitutionen umwerben in der deutschen Hauptstadt täglich Entscheidungsträger in Ministerien, Regierung und Parlament, die Presse kann nur einen kleinen Teil der Gefälligkeiten aufdecken. Doch auch sie ist abhängig - von Whistleblowern, geheimen Informanten und Presseagenturen. Die Unabhängigkeit und Freiheit der vierten Gewalt ist in Gefahr wenn die Grenzen verschwimmen.
Nach seinem Abitur 1994 geht Florian David Fitz erst mal nach Boston, Massachusetts, wo er Schauspiel und Musik studiert. Zu dieser Zeit schreibt er Musikstücke, Quartette, Quintette und ein Musical über Kaspar Hauser. 1998 zieht er nach dem Abschluss für ein Engagement nach New York. Später führt ihn eine Theaterrolle zurück nach Europa, genauer gesagt in seine Heimatstadt München. Ab 1999 geht’s mit Fernseh- ("Der Bulle von Tölz", "Das Psycho-Girl") und ersten Filmrollen ("Ice Planet",..
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