20th Century Fox
Regisseur Roland Emmerich bekommt für "Independence Day: Wiederkehr" viele schlechte Kritiken
Zerrissene und zersplitterte Zeit
Interview: Entspannter Apokalyptiker Roland Emmerich
Still ist es um Roland Emmerich nicht. Mit "White House Down" ist ein effektreicher Action-Thriller, "Stonewall" ein Aufsehen erregendes Drama über die Geschichte des Aufstandes der New Yorker schwul-lesbischen-Szene. An seine früheren Megablockbuster kann und will der Regisseur mit diesen Arbeiten nicht anknüpfen. Das soll sich mit "Independence Day: Wiederkehr 3D" ändern. Die Fortsetzung von "Independence Day", einem der erfolgreichsten Filme aller Zeiten, hat trotz Schwächen das Zeug zu einem Blockbuster. Dabei steht das Projekt lange Zeit auf der Kippe. Im Interview mit Filmreporter.de berichtet Regisseur Roland Emmerich über die Genese des Science-Ficiton-Spektakels.
erschienen am 17. 07. 2016
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Liam Hemsworth mit Regisseur Roland Emmerich ("Independence Day: Wiederkehr")
Ich war super enttäuscht
Ricore Text: Herr Emmerich, "Independence Day" war vor 20 Jahren sehr von der Präsenz des damals aufstrebenden Will Smith geprägt. Ist Jessie T. Usher, der den Sohn von dessen Charakter verkörpert, ein passender Ersatz?

Roland Emmerich: Ich habe immer gesagt, dass wir Will Smith nicht mit einem schwarzen Schauspieler ersetzen können. Also haben wir ihn mit einer ganzen Generation junger Darsteller aufgewogen.

Ricore: Stand das Projekt mit Smiths Absage auf der Kippe?

Emmerich: Will war nach unserem ersten Treffen von dem Projekt super begeistert. 'Großartig', sagte er damals. 'Ich wollte schon immer eine Fortsetzung von "Independence Day" machen. Dann haben wir leider zwei Jahre verloren, weil sowohl bei Dean als auch bei mir andere Projekte dazwischenkamen. Irgendwann haben wir uns hingesetzt und zwei Drehbücher verfasst, die wir Will zuschickten. Unglücklicherweise drehte er damals gerade "After Earth".

Ricore: Wie kam es dann zur Absage?

Emmerich: Irgendwann rief er uns mit seinem Business-Partner an und sagte, dass er den Film nicht machen will. Ich war super enttäuscht und sagte, dass der Film nicht stattfinden wird.

Ricore: Was oder wer hat Sie vom Gegenteil überzeugt?

Emmerich: Um mich herum gab es genug Leute, meine Schwester, Freunde, Leute vom Studio, die sagten, dass das das Drehbuch zu gut sei. Wir sollten doch eins ohne Will schreiben. Ich versuchte es, war aber zunächst nicht konzentriert genug, weil ich mit anderen Sachen beschäftigt war. Vor zwei Jahren wurde mir dann klar: Wenn ich den Film jetzt nicht mache, dann würde ich ihn nie machen. Hinzu kam, dass das 20-jährige Jubiläum von "Independence Day" vor der Tür stand.

Ricore: Welchen Einfluss hatten diese Komplikationen auf den Inhalt des Films?

Emmerich: Der Entwurf mit Will Smith sah einen Vater-Sohn-Konflikt vor. Nach der Absage traf ich zwei junge Drehbuchautoren, die unbedingt das neue Skript schreiben wollten. Sie nahmen sich die verschiedenen Fassungen vor und machten einige radikale Vorschläge. Sie sagten: Alles ist gut - bis zur Mitte. Die zweite Hälfte sollten wir wegschmeißen. Ich sagte, dass wir es gerne so machen können, allerdings solle es schnell gehen. Nach vier Wochen war das Drehbuch fertig und alle im Studio sagten: Wow, let's do it.

Ricore: Wie verlockend war die technische Entwicklung der letzten 20 Jahre?

Emmerich: Tatsächlich war die erste Idee, den Film zu machen, technologisch bedingt. Ursprünglich war "Independence Day" nicht als Filmreihe gedacht. Obwohl er sehr erfolgreich war, wollte ich keine Fortsetzung machen. Es stand immer die Frage nach dem Warum im Raum. Ich wehrte mich immer dagegen. Erst mit "2012" kam die Kehrtwende. Ich benutzte hier zum ersten Mal eine Digitalkamera und drehte unglaublich viel vor einer Blue Screen. Das Ergebnis gefiel mir sehr gut. Da erst sagte ich: 'Ich glaube, wir müssen einen weiteren "Independence Day"-Film machen.

Ricore: Klingt fast, als fänden Sie den filmtechnischen Status quo Sie vor 20 Jahren frustrierend.

Emmerich: Das war es tatsächlich. Es war sehr romantisch, mit Modellen zu arbeiten, aber auch super frustrierend.
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Liam Hemsworth, Roland Emmerich und Jeff Goldblum in Berlin ("Independence Day: Wiederkehr")
Roland Emmerich: verstehe Technik nicht
Ricore: Als Filmemacher begrüßen Sie also den technischen Fortschritt. Wie Technik-affin sind Sie als Privatmensch?

Emmerich: Ich verstehe überhaupt nichts von Technik. Aber ich bin smart. In Computer-Dingen muss man sich als Filmemacher nicht auskennen. Man muss nur wissen, was man will (lacht). Wenn man einen Film wie "Independence Day" macht, dann muss man nur die jeweiligen Visual-Effects-Firmen richtig einsetzen, für was man sie braucht. Zum Beispiel hat bei "Wiederkehr" ein neuseeländisches Team die Szenen mit der Königin umgesetzt. Die Leute, die für die Effekte in "District 9" verantwortlich waren, haben die restlichen Aliens animiert, und eine deutsche Firma hat die Landesequenz gemacht, weil sie sich unheimlich gut mit Wasser- und Feuer-Animation auskennt.

Ricore: Sie zeigen die Welt vereint im Kampf gegen Außerirdische. Das erinnert ein bisschen an Gene Roddenberrys "Star Trek"-Universum.

Emmerich: Ich bin großer Fan von "Star Trek" und wollte "Independence Day" Film als Botschaft verstanden wissen gegen unsere zerrissene und zersplitterte Zeit, in der es zwar keine großen aber viele, viele kleinen Konflikte gibt. In unserer Welt kann man sich heutzutage nirgends mehr sicher fühlen. Dem wollte ich das Bild entgegenstellen, in dem sich die Menschen gegen einen Feind verbünden.

Ricore: Hatten Sie jemals das Angebot bekommen, den nächsten "Star Trek"-Film zu inszenieren?

Emmerich: Nein. Am Anfang meiner Karriere habe ich unheimlich viele und unterschiedliche Angebote bekommen. Heute weiß jeder, dass ich meine eigenen Filme mache. Ich finde überhaupt, dass es im heutigen Kino viel zu viele Filmreihen und Fortsetzungen gibt. Das alles langweilt mich.

Ricore: In Hollywood gilt die Maxime, größer, teurer und erfolgreicher. Wie fühlen Sie sich unter diesem Druck, mit jedem Film eine Schippe draufzulegen?

Emmerich: Ich fühle keinen Druck. Im Gegensatz, es macht Spaß. Ich bin in dieser Hinsicht frei, verspielt und begeisterungsfähig. Etwas Druck stellt sich allenfalls erst dann ein, wenn der Film fertig ist und die ersten Tests anstehen.

Ricore: Woher kommt Ihre Faszinationen für Zerstörungsorgien, wie Sie sie in ihren Filmen immer wieder zelebrieren?

Emmerich: Es kam mit dem ersten "Independence Day"-Film. Ich wollte damals etwas Neues erzählen, also sagte ich zu Dean, dass wir die Alien-Invasion wie eine Katastrophe erzählen sollten. Also sahen wir uns ein paar alte Katastrophenfilme an und studierten ihre Erzählstruktur. Das haben wir dann umgesetzt. Wenn ein Konzept erfolgreich ist, dann ist das alles, was Hollywood von dir haben will.

Ricore: Sind Sie dieser Erwartung immer gerecht geworden?

Emmerich: Ich habe vielmehr den Bedarf Hollywoods benutzt, um Hollywood auszutricksen, indem ich die Filme mit Botschaften anreicherte. Ich interessiere mich für Themen wie Umweltzerstörung und Klimawandel, die ich als Desaster-Movie verpacke.
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Independence Day: Wiederkehr 3D (Independence Day Resurgence, 2016)
Gibt es ein schwules Element?
Ricore: Sie versprachen, in "Endependence Day: Wiederkehr" ein schwules Element einzubauen.

Emmerich: Was ich auch eingehalten habe. Die Figur von Brent Spiner ist schwul (lacht). Ich dachte, Fox würde sich dagegen stellen und sagen: Übrigens, muss die Figur schwul sein? Doch nein, es gab keine Probleme.

Ricore: Werden wir demnächst auch eine Fortsetzung von "Stargate" sehen?

Emmerich: Wir arbeiten daran. Ich finde, "Stargate 2" gehört absolut her. Das Vorhaben kam ins Stocken, weil die Rechte zum Film erst neu erworben werden mussten. MGM hatte nur die Rechte für die Kino- und Fernsehauswertung des Films. Die Videorechte gehörten einem anderen Studio. Heute gehören alle Rechte MGM, mit dem wir in Verhandlung stehen.

Ricore: Wie würde der nächste "Stargate" aussehen?

Emmerich: Ich möchte ein Reboot daraus machen. Ich glaube nicht, dass man den Film fortsetzen sollte. Vor drei Wochen haben wir MGM das erste Drehbuch geschickt, das den Leuten dort sehr gut gefallen hat. Es wird bestimmt mit einigen Anmerkungen zurückkommen. Dann wird so lange daran gefeilt, bis das Projekt durchgewunken wird. Es sitzen übrigens die gleichen Drehbuchautoren daran, die auch "Independence Day: Wiederkehr" geschrieben haben.

Ricore: Was haben Sie als Kind gerne gespielt?

Emmerich: Ich habe überhaupt nichts gespielt, sondern Bücher gelesen. Ich war ein totaler Bücherwurm. Meine Mutter sagte immer: 'Jetzt leg' das Buch hin und geh raus spielen.'

Ricore: Haben Sie ein Lieblingsbuch?

Emmerich: Ich bin heute noch ein super Fan von Thomas Mann.

Ricore: Dürfen wir auf eine Thomas-Mann-Verfilmung von Roland Emmerich hoffen?

Emmerich: Ich verfilme keine Bücher. Bücher liest man (lacht).

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch
erschienen am 17. Juli 2016
Zum Thema
Mit "Independence Day" schuf Roland Emmerich Mitte der 1990er Jahre einen der erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Nun muss sich die Welt gegen eine weitere Invasion aus dem All rüsten. Der Kampf Mensch gegen Alien muss ohne Will Smith auskommen, mit Liam Hemsworth und Jeff Goldblum hat die Menschheit tapfere Weltenretter gefunden.
Roland Emmerich gehört zu den wenigen international bekannten deutschen Regisseuren. Durch die "Star Wars"-Trilogie inspiriert, entscheidet er sich für das Regie-Studium an der Das Arche Noah Prinzip" deutet sich an, dass der gebürtige Stuttgarter hoch hinaus will. Zu der Zeit ist der Abschlussfilm mit einem Budget von über einer Million Mark extrem teuer. 1984 wird der Science-Fiction auf der Universal Soldier" und "Stargate" feiert er dort erste Erfolge, bevor er mit dem..
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