Constantin Film
Detlev Buck ("Asphaltgorillas" 2018)
Interview: Detlev Buck zu "Asphaltgorillas"
Detlev Buck, Jahrgang 1962, schafft mit "Karniggels" und "Wir können auch anders" seine eigene Komödienwelt. Er inszeniert die Milieustudie "Knallhart", gibt als Produzent der "Sonnenallee" den letzten Schliff, und bringt "Bibi & Tina - Der Film" auf die Leinwand. Jetzt legt er "Asphaltgorillas" frei nach der Kurzgeschichte "Der Schlüssel" von Ferdinand von Schirach vor. Die turbulente Gangstersatire folgt zwei alten Freunden. Atris will sich von Unterweltboss El Keitar und von seiner Familie emanzipieren. Frank von Geld des Vaters seiner russischen Freundin unabhängig werden. Sie fädeln einen raffinierten Betrug ein, bei dem natürlich alles schief geht.
erschienen am 23. 09. 2018
Constantin Film, Gisela Schober
Detlev Buck mit seinem Cast auf der Berliner Premiere von "Asphaltgorillas"
Kein klassischer Krimi
Ricore Text: Sind Sie Krimifan?

Detlev Buck: Ferdinand von Schirach schreibt keine Krimis im klassischen Sinn. Er beschreibt authentische Fälle aus seiner Praxis, er beurteilt oder verurteilt keinen, was ich in meinen Filmen auch durchziehe. Jeder macht das, was er macht.

Ricore Text: Für ihn haben Sie nach knapp 30 Jahren den Kosmos der Boje Buck Filmproduktion verlassen?


Detlev Buck: Ferdinand von Schirach kenne ich seit Jahren persönlich, schon seit seinem ersten Roman "Verbrechen". Die Filmrechte an seinen Büchern liegen bei der Constantin. Sie haben die Reihen fürs ZDF gemacht, "Der Schlüssel" ist eine kinotaugliche Geschichte. Darüber habe ich mit Oliver Berben von der Constantin und Ferdinand von Schirach gesprochen. Die Arbeit am Drehbuch mit Constantin und Cüneyt Kaya, der seine eigenen Erfahrungen eingebracht hat, war echte Tüftelei.

Ricore Text: Von der Kurzgeschichte "Der Schlüssel" blieb dabei nur der Kern übrig.


Detlev Buck: Drogengeschichten lassen mich kalt. Wenn einer kokst oder schnupft, langweile ich mich schon. Einen Betrug mit Falschgeld finde ich dagegen super, darauf haben wir aufgebaut. Strukturell war es nicht einfach, die Geschichte zu bauen. Die Emanzipation Franks vom Vater seiner Freundin und Atris' von seiner Familie waren die beiden Säulen, die wir nie aus den Augen verloren haben. Irgendwann konnte ich dann genau benennen, welcher Baustein wo wie hinkommt.

Ricore Text: Zur Überhöhung der Story greifen Sie auf etliche Klischees zurück.


Detlev Buck: Wenn man 100 Klischees benutzt, kann man der Realität ein wenig näher kommen. Dieser Satz von Umberto Eco wurde unser Leitmotiv. In Berlin leben viele reiche Russen, die Wohnungen aufkaufen. Ebenso blüht in einigen Stadtteilen der Drogenhandel, da mischen sich auch Neueuropäer ein. Das Durcheinander finde ich spannend.
Constantin Film, Gisela Schober
Detlev Buck feiert die Premiere von "Asphaltgorillas"
Detlev Buck: Ich habe meine Helden nie verlassen
Ricore Text: Mit der Geschichte vom Aussteiger kehren Sie wieder zu Ihren Wurzeln zurück.

Detlev Buck: Ich habe meine Helden nie verlassen. Die Geschichte von Menschen, die ihrer eigentlichen Bestimmung entfliehen, habe ich in jeder Art von Genre erzählt. Dem vorbestimmten Weg zu entfliehen, um eine neue Identität zu finden, gehört zum Spannendsten im Leben. Um solchen Schicksalen zu folgen, gehe ich ins Kino. Dieser Fluchtreflex steckt auch ganz tief in mir drin, keine Ahnung, wo das herkommt. Wenn mir jemand sagt, jetzt solltest du dies oder jenes machen, mache ich das Gegenteil. Auch wenn das ein bisschen ausrechenbar ist.

Ricore Text: Was wäre denn statt der Regie Ihre Bestimmung gewesen?


Detlev Buck: Keine Ahnung. Ich hatte viele Ansätze. Bei der Aufnahmeprüfung der dffb bin ich beinahe rausgeflogen, weil ich einen geforderten Film nicht drehen konnte. Sie mussten erst Druck machen, damit ich einen anderen Ansatz fand.

Ricore Text: Wäre der Bauernhof, auf dem Sie leben, eine Alternative?


Detlev Buck: Dafür bin ich nicht der Typ. Ich lebe auf, wenn viel passiert. Mache auch die Ernte auf unserem Hof, für die ruhigen Jahreszeiten bin ich viel zu unruhig.

Ricore Text: Ihre Umgebung hatte Ihnen abgeraten, Regie zu studieren?


Detlev Buck: Natürlich, ich hatte keine Ahnung von Schauspiel oder der Technik, Bei großen Theaterschauspielern wie Bernhard Minetti oder Katharina Thalbach war ich am Anfang tief verunsichert, Anweisungen zu geben. Aber es hat Spaß gemacht, mit Vertrauten am selben Seil zu ziehen, die auch auf ihr Bauchgefühl hören und nicht auf Grund irgendwelcher Daten und Analysen entscheiden. Sie sterben in der Filmbranche aus.
Constantin Film, Gisela Schober
Detlev Buck und Samuel Schneider am SET von "Asphaltgorillas"
No risk no fun
Ricore Text: Wird zu wenig riskiert?

Detlev Buck: No risk no fun. Nicht nur beim Film. Risikominimierung ist für mich das Unwort des Jahres, nachdem die deutsche Fußballnationalmannschaft risikominimiert spielte und in der Vorrunde rausflog. Spätestens beim Dreh von "Die Vermessung der Welt" in Ecuador habe ich gelernt, mit einem hohen Risiko zu leben. Ich habe keine Angst mehr, alles auf eine Karte zu setzen. Ich bin mir nie sicher, obwohl ich gut vorbereitet bin und mich nichts nachhaltig erschüttern kann. Ein Restrisiko bleibt immer.

Ricore Text: Wieviel Verunsicherung ist nötig?


Detlev Buck: Verunsicherung ist etwas anderes. Wer verunsichert ist, hat keinen Spaß. Ich bin gerne am Set. Mein Adrenalinspiegel ist irre hoch, ich bin hoch konzentriert. Plötzlich hat einer einen Dreher, der ganze Kahn hängt und du denkst, das kann doch nicht sein. Es war doch ganz simpel. So wird ein Tag zur Katastrophe. Im Hinterkopf bleibt, dass es so laufen kann. Aber diese Anspannung treibt auch den Einfallsreichtum hoch.

Ricore Text: Hat Ihnen Ihre Karriere als Schauspieler geholfen, besser auf Schauspieler einzugehen?


Detlev Buck: Jeder kann in eine Situation kommen, wo er unsicher wird. Dann hilft mir schon die eigene Erfahrung. Ein Aufmuntern, wenn der andere denkt, er hat total versagt und findet keinen Zugang zur Rolle. Wichtig ist, den Schauspielern auf Augenhöhe zu begegnen und herauszukitzeln, was sie bereit sind zu geben. Das Drehbuch ist nur die Anleitung. Der Kopf muss frei sein.

Ricore Text: Warum haben Sie vor der Kamera rarer gemacht?


Detlev Buck: Das ist dem Alter geschuldet, ich bin jetzt der Opa. Ich muss mich auch nicht sehen, ich hatte nur Daddelrollen in meinen letzten Filmen. Der Mann vom Tierheim ist ja nicht gerade eine Traumrolle. Ich kann damit leben, ich bin ja eher jemand, der Regie führen möchte. Andererseits bin ich schon froh, dass ich nicht vom Schauspiel leben muss. Ein Autor oder Regisseur kann so lange an einem Projekt arbeiten, wie er Lust hat. Aber du kannst keinen zwingen, lass mich spielen.
erschienen am 23. September 2018
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2024