
Universal Pictures International Germany (UPI), Focus Features
Lily-Rose Melody Depp in "Nosferatu - Der Untote" (2024)
Lily-Rose Melody Depp & Nicholas Hoult
Filmreporter.de-Interview zu zu "Nosferatu - Der Untote"
erschienen am 17. 02. 2025

Universal Pictures International Germany (UPI), Focus Features
Nicholas Hoult in "Nosferatu - Der Untote" (2024)
Das hat mir Angst gemacht!
Ricore Text: Gruseln Sie sich gerne im Kino?
Lily-Rose Melody Depp: Ich sah neulich einen Film, der mir wirklich Angst gemacht hat. Mein ganzer Körper fühlte sich steif an. Das habe ich erst gemerkt, als ich mir eine Sekunde Zeit genommen habe, um wieder zu mir zu kommen. Dann spürte ich eine körperliche Reaktion. Es war faszinierend, echte Angst zu spüren.
Ricore Text: Spürten Sie dieses Gefühl der permanenten Bedrohung aus dem Film auch am Set?
Lily-Rose Melody Depp: Regisseur Robert Eggers stimmte uns am Set auf den Ton ein. Er wollte, dass alles so authentisch wie möglich wirkt, und wir in diese unheimliche Welt eintauchen. Die Kulissen wirkten bedrohlich, die Beleuchtung tat ein Übriges. Zudem ließ er oft eine passende Musik einspielen.
Nicholas Hoult: Der Dreh verlangte eine Konzentration von uns, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Wir drehten minutenlange Einstellungen, die von Rob und Kameramann Jarin Blaschke choreografiert und geplant waren. Jeder wusste um seine Positionen und Aufgaben. Alles musste ineinander greifen, sonst wäre der Take im Müll gelandet. Wir haben alle an einem Strang gezogen und das war ein gutes Gefühl.
Ricore Text: Was interessierte Sie an Ihren Figuren?
Lily-Rose Melody Depp: Robert Eggers interessiert sich wirklich für die Welt und diese Figuren, was nicht selbstverständlich ist. Er tauchte tief in ihre Charaktere ein, was ich sehr cool finde. Darauf konnte ich aufbauen. Ellen kämpft mit der Dunkelheit, die sie in ihrer Seele trägt, aber auch mit ihrer Scham über ihre Alpträume. Sie ist mit ihren Visionen ganz allein, keiner nimmt sie für voll. Mit dieser Erfahrung konnte ich etwas anfangen. Wie jeder Mensch musste ich lernen, mich mit vielem auseinanderzusetzen. Deine dunkle Seite macht dich nicht zum schlechten Menschen. Es hängt davon ab, wie du damit umgehst.

Universal Pictures International Germany (UPI), Focus Features
Lily-Rose Melody Depp in "Nosferatu - Der Untote" (2024)
Mich interessiert der fehlgeleitete, naive Held
Nicholas Hoult: Das bringt es auf den Punkt. Mich interessierte dieser Typ des fehlgeleiteten, naiven Helden. So sehr er Ellen liebt, ist er doch nicht in der Lage, sie zu verstehen und ihr die Unterstützung zu geben, die sie braucht. Mit ihrer dunklen Seite kann er nicht umgehen – auch weil er sie weder in seinem Umfeld noch in sich selbst erfahren hat. Er versucht sogar, ihr seine Vorstellungen aufzudrücken. Er ist unreif, jagt seiner nächsten Beförderung und dem schnöden Geld hinterher, also Dingen, die letztlich total unwichtig sind. Wie so viele Menschen merkt er erst spät, dass er nicht glücklicher wird, wenn er diese Ziele erreicht.
Ricore Text: Inwieweit haben Sie sich bei der Interpretation an älteren Filmen orientiert?
Nicholas Hoult: Ich lasse mich von allen möglichen Dingen inspirieren, dazu gehören auch Filme. Jedes Werk ruht ja letztlich auf den Schultern von anderen. Es war daher wirklich gut, den Stummfilmfilm von Friedrich Wilhelm Murnau und den Film von Werner Herzog nochmal anzusehen. Murnaus Film ist ikonisch und seiner Zeit weit voraus. Robert Eggers hat uns auch ein paar andere Filme gegeben, von Ingmar Bergman, den Wachowski-Brüdern und "Late Night with the Devil".
Lily-Rose Melody Depp: Unser Regisseur gab mit seinem Drehbuch eine Vorgabe, die sich von den beiden anderen Versionen komplett absetzt. Die ikonische Geschichte von Nosferatu fühlt sich wirklich wie seine eigene an. Dieser Film wird zum Beispiel aus Ellens Perspektive erzählt, was meiner Rolle so viel Komplexität und der Geschichte eine ganz andere Dynamik verleiht. Sie macht so viel durch, weil sie sich in die Dunkelheit von diesem Vampir hineingezogen fühlt, den eine unheimliche Sehnsucht nach ihr quält. Dieser Ansatz macht die Geschichte noch gruseliger.
Ricore Text: In welchem Verhältnis stehen für Sie Liebe, Leidenschaft und Selbstopferung?
Nicholas Hoult: Ellen weiß, dass Thomas ein guter Kerl und potentieller Partner ist, der sich angemessen um sie kümmern wird. Beide mögen sich und ziehen sich gegenseitig an. Aber ihr fehlt die große Leidenschaft, sie kann sich ihm nicht hingeben, weil tief in ihrer Seele diese dunkle Verführung lauert. Sie denkt, sie müsste sich für alle anderen opfern, um diesen bösen Geist zu besiegen. In diesem Opfer als Ausdruck des reinen Gefühls der Liebe liegt etwas Selbstloses. Liebe und Aufopferung gehen irgendwie Hand in Hand, genau wie Hoffnung und Angst. Es sind die beiden Seiten einer Medaille.

Universal Pictures International Germany (UPI)
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Komplexe Charaktere
Lily-Rose Melody Depp: Dem würde ich zustimmen. Wir sind komplexe Charaktere. Zum Glück sprechen wir heute über unsere Gefühle und nehmen uns die Zeit, um mehr Facetten unseres Selbst zu erforschen. Sicher hatten Frauen vor 200 Jahren ähnliche Bedürfnisse. Aber sie hatten gelernt, sie für sich zu behalten und zu unterdrücken. Sie fanden sich damit ab, ein Leben ohne Liebe zu führen, weil sie Angst hatten, sonst nicht von der Gesellschaft akzeptiert zu werden.
Ricore Text: Können Sie sich an eine Situation oder eine Zeitspanne in Ihrem Leben erinnern, in der Sie Ihre Angst nicht überwinden oder bekämpfen konnten?
Nicholas Hoult: In meiner Freizeit fahre ich gerne Autorennen. Auf einer Rennstrecke musst du quasi blind in manche Kurven fahren, was heißt, du solltest den Fuß vom Gaspedal nehmen. Ich habe mehrmals vor Kurven kapituliert, weil ich Angst vor schweren Verletzungen hatte. Es dauerte eine Weile, das zu überwinden. Als ich endlich den Mut hatte, in die Kurve zu gehen, schien es kinderleicht. Hinterher spürte ich ein berauschendes Gefühl. Dieses Wechselbad kenne ich auch vom Filmen. Ich bin nervös, ob ich einen guten Job abliefern werde. Um die Figur und die Geschichte mit allem ausstatten, was sie braucht, damit das Publikum sie genießen kann. Dieses Gefühl muss ich jedes Mal überwinden. Ich denke aber, das gehört einfach dazu.
Lily-Rose Melody Depp: Das Leben ist voller Herausforderungen, die jeder zu meistern hat. Das habe ich auch in den Figuren des Films gefunden. Ellen hat innerlich mit so vielen Problemen zu kämpfen. Gleichzeitig will Thomas sie von ihrer inneren Melancholie befreien. Beide machen im Lauf des Films eine fulminante Entwicklung durch, die der Zuschauer hoffentlich nachempfinden kann. Viele Menschen machen ja ähnliche Erfahrungen. Das Leben ist voller Veränderungen und Erfahrungen, bei denen wir etwas über uns selbst lernen Und wir hören nie auf, etwas zu lernen.
Ricore Text: Danke für das Gespräch.
erschienen am 17. Februar 2025
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Britischer Film- und Bühnendarsteller. Sohn eines Piloten und einer Musiklehrerin. Erste Rolle im Alter von sieben Jahren in der britisch-kanadischen Tragikomödie "Bed & Beakfast". Nach dem Schauspielstudium an der About a Boy - Der Tag der toten Ente" wird er einem breiteren Publikum bekannt. Im Drama "A Single Man" überzeugt er als jugendlicher Verfüher von Colin Firth. Seit 2011 ist er festes Mitglied des "X-Men"-Franchise. Auf dem Set von "X-Men: Erste Entscheidung" lernt er die Jennifer..

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