Andrea Niederfringier/Ricore Text
Maya Zapata
Mit neuer Energie an die Arbeit
Interview: Mexiko ist gefährlich
Die 23-jährige mexikanische Schauspielerin Maya Zapata begibt sich auf gefährliches Terrain. In ihrem neuen Film "Bordertown" spielt sie an der Seite von Jennifer Lopez und Antonio Banderas ein Vergewaltigungs- und Entführungsopfer. Auch im wahren Leben unterstützt sie mexikanische Frauen und Mütter in ihrem Kampf gegen Verbrechen an der mexikanisch-amerikanischen Grenze. Doch Mexiko kann für politisch engagierte Menschen ein gefährliches Pflaster sein. Zu unserem Interviewtermin im Regents Hotel in Berlin erscheint die Schauspielerin etwas müde vom langen Flug.
erschienen am 23. 02. 2007
Andrea Niederfringier/Ricore Text
Gregory Nava mit Hauptdarstellerin Maya Zapata auf der Berlinale 2007.
Ricore: Sie spielten in "Old Gringo" an der Seite von Jane Fonda und Gregory Peck. Was war das für ein Gefühl?

Maya Zapata: Damals war ich sechs Jahre alt und es war meine erste Filmrolle. Ich spielte die Tochter einer Prostituierten. In einer Szene musste ich die schlafende Jane Fonda wecken. Das war schon sehr lustig...

Ricore: Waren Sie nervös?

Zapata: Ich war vor allem wegen einer Szene sehr nervös. Ich musste mich duschen und stand absolut nackt da. Ich dachte die ganze Zeit, die schauen auf meinen dicken Hintern. Das machte mich sehr nervös.

Ricore: Sie haben sehr früh in Filmen mitgewirkt..

Zapata: Ja, ich besuchte die Grundschule und habe später die Schule mit meiner Arbeit verbunden. Ich spielte in mexikanischen, aber auch amerikanischen Filmen mit. Ich war auch am Theater beschäftigt. Seit ich sechs Jahre alt bin, habe ich immer wieder verschiedene Rollen angenommen. Daher bin ich auch nicht mehr so nervös.
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Maya Zapata entkommt ihrem Grab.
Ricore: Wie ging es nach "Bordertown" weiter?

Zapata: Ich genieße die Arbeit mit den guten Regisseuren und Schauspielern. Derzeit mache ich die Fernsehserie "Lo que callamos las mujeres". Sie thematisiert auch Gewalt gegen Frauen. Die Serie stößt auf großes Interesse in der Bevölkerung.

Ricore: Gefällt das mexikanische Fernsehen?

Zapata: In Mittel- und Südamerika gibt es sehr viele Daily Soaps, die aber über schlechte Charakterisierungen verfügen. Sie haben keine Qualität. So etwas wollte ich nicht machen. Ich warte lieber auf Filmangebote.

Ricore: Ich habe sie in "De la calle" gesehen, der ebenfalls zutiefst tragisch ist. Bevorzugen Sie schwierige mexikanische Themen bei Ihrer Rollenauswahl?

Zapata: Auf jeden Fall. "De la calle" wurde in San Sebastián vor fünf Jahren uraufgeführt und war dort sehr erfolgreich. Er handelt von jungen Menschen, die auf der Straße leben. Derzeit arbeite ich an einem anderen Film mit demselben Regisseur [Gerardo Tort, Anm. der Red.]. Der wird ebenfalls großartig.

Ricore: Wie bereiten Sie sich auf solche Filme vor?

Zapata: Für "De la calle" habe ich sehr viel Zeit mit obdachlosen Jugendlichen verbracht. Wir haben mit ihnen gegessen und teilweise mit ihnen gelebt. Wir haben ihre Lebensumstände kennen gelernt und erfahren, dass sie sehr viel Drogen nehmen. Bei "Bordertown" konnte ich allerdings nicht selbst nach Juárez fahren, da es zu gefährlich war. So habe ich mir Bücher besorgt und mich über das Internet informiert. Ich habe auch versucht, mich in die Situation der Frauen hineinzufühlen, die so etwas Schreckliches durchmachen. Die meisten sind ganz allein. Sie haben weder Geld für einen Anwalt, noch Familie oder Freunde in Juárez.
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Maya Zapata spielt das Opfer in "Bordertown".
Ricore: Wissen die Mexikaner über die Vorgänge in Juárez Bescheid?

Zapata: Ja, jeder weiß Bescheid, inklusive Medien und Polizei. Aber letztere verharmlosen die Verbrechen. Sie sprechen von 200 bis 300 verschwundenen Frauen. In Wahrheit übersteigt die Zahl jedoch die 5.000er-Grenze. Viele Menschen wollen dies nicht wahrhaben. Wir haben mit vielen Müttern gesprochen - sie haben uns Schauermärchen erzählt. Manchmal bekommen sie anonyme Anrufe, in denen sie damit bedroht werden, dass ihre anderen Töchter in Gefahr seien, wenn sie die Suche nach den Mördern nicht aufgeben.

Ricore: Würden Sie sagen, es ist ein explizit mexikanisches Problem, die Wahrheit über bestimmte Verbrechen zu vertuschen?

Zapata: Ich glaube, das ist ein politisches Problem und auch eine Sache von mächtigen Personen hinter dem politischen System. All diese Menschen haben sehr viel Geld. Sie alle sind mit der Regierung irgendwie verbunden, so ist es doppelt schwer irgendetwas zu erreichen. Kennen Sie Lydia Cacho? Sie ist Schriftstellerin und Journalistin. Einer ihrer Romane dreht sich um misshandelte Jungs in Mexiko. Das Buch hat einen Riesenskandal ausgelöst, da in die Misshandlungen auch hohe politische und wirtschaftliche Vertreter verwickelt sind. Durch Zufall wurde später ein Telefongespräch zwischen dem Gouverneur von Puebla, Mario Marín Torres und Kamel Nacif abgehört. Darin reden die beiden über die bevorstehende Misshandlung von Cacho, und dass sie irgendwelche Jungs schicken werden, die sie für immer zum Schweigen bringen würden. Das ist doch unglaublich, oder?

Ricore: Ist Mexiko auch für Sie gefährlich?

Zapata: Mexiko ist für jeden gefährlich, der sich in irgendeiner Weise engagiert. Als Tourist ist man sicher, natürlich kann auch da was passieren, wie überall auf der Welt. Gefährlich ist es aber vor allem für arme Menschen, die sich nicht schützen können. Die meisten Mädchen sind gar nicht aus Juárez, sie gehören da nicht hin und werden deshalb als Immigrantinnen gesehen. Sie kommen nach Juárez um etwas Geld zu verdienen und um dann vielleicht in die USA zu gelangen. Aber einmal aus ihrem Heimatdorf weg, haben sie niemanden mehr. Kein Geld, keine Bildung - nichts. Sie sind leichte Beute für die Verbrecher.
Andrea Niederfriniger/Ricore Text
Maya Zapata
Ricore: Früher hätte man gesagt, das war das Werk eines Monsters. Wie gehen die Menschen in Juárez damit um, wen beschuldigen sie?

Zapata: Die Verantwortlichen in Juárez sind sehr mächtig. Man weiß ja, wer die Verbrecher sind. Viele Mütter kennen ihre Namen. Aber die Justiz behauptet, sie habe nicht genug Beweise, um sie vor Gericht zu bringen. Aber das ist eine Lüge. Und irgendwann sind die Beweise verschwunden.

Ricore: Was wird von den betroffenen Müttern unternommen?

Zapata: Die Mütter sind sehr stark. Trotz ihres großen Leides organisieren sie regelmäßige Treffen und Märsche, um auf das Verschwinden ihrer Töchter aufmerksam zu machen. Jane Fonda nahm auch an einem Treffen teil. Das war das einzige Mal, an dem die Medien darüber berichtet haben - wegen Jane Fonda. Präsident Fox sagte bei einem Treffen mit den Müttern, er wisse nicht, was er dagegen tun könne. Gegenüber der Presse behauptet er, die Medien würden lügen. Ich habe mir gedacht, oh mein Gott, was können wir denn von diesem Präsidenten erwarten?

Ricore: Glauben Sie, dass sich mit dem neuen Präsidenten etwas verändern wird?

Zapata: Ich hoffe es, aber ich glaube nicht daran. Er gehört zur gleichen Partei. Ich glaube sie wollen schlechte Publicity vermeiden. Er zeigt nicht einmal Interesse an den Vorfällen und tut nichts dagegen. Ich hoffe, dass der Film die Leute ein bisschen aufrüttelt.

Ricore: Frau Zapata, ich danke Ihnen für das informative Gespräch.
erschienen am 23. Februar 2007
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Bordertown (Kinofilm)
Gregory Navas Geschichte basiert lose auf der bis heute ungeklärten Mordserie mittelamerikanischer Frauen in Ciudad Juárez Anfang der 1990er Jahre. Alle Frauen arbeiteten in Fabriken, die für die USA Elektrogeräte produzierten. Für seinen Krimi-Thriller verpflichtete Nava zahlreiche namhafte Darsteller. Unter ihnen Antonio Banderas, Jennifer Lopez und Martin Sheen. Gedreht wurde in Mexiko und Albuquerque.
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