Heike Maleschka/Ricore Text
Forest Whitaker bei der Berlinale 2007
Monster - Menschen - Helden
Interview: Moderne Kolonialisierung
Forest Whitaker wurde für seine beeindruckende schauspielerische Leistung als Idi Amin in "Der letzte König von Schottland - In den Fängen der Macht" mit einem Oscar ausgezeichnet. Zu unserem Interviewtermin im Hotel Ritz Carlton in Berlin erschien der kräftige Mann pünktlich. Er wurde seinem Ruf, bei öffentlichen Reden oder manchen Interviews von Nervosität geplagt zu sein, gerecht. Dabei hat er dies nicht nötig. Trotz seines weltweiten Erfolges ist der 46-Jährige Afroamerikaner auf dem Boden der Realität geblieben. Ruhig, überlegt und freundlich beantwortet er unsere Fragen.
erschienen am 17. 03. 2007
Heike Maleschka/Ricore Text
Forest Whitaker auf der Cinema for Peace-Gala 2007
Ricore: Hatten Sie Zweifel, ob Sie diesen Charakter spielen können? Idi Amin gehörte ja nicht zu den nettesten Zeitgenossen.

Forest Whitaker: Immer wenn ich einen Charakter spiele, habe ich Zweifel. Angst ist zwar nicht der richtige Ausdruck dafür, aber ich fühle mich manchmal etwas unsicher. Ich brauche das Gefühl, dass diese Rolle es wert ist, den Weg zu gehen. Dass ich daran wachsen kann und nicht irgendwo hängen bleibe. Die Angst ist vielmehr auf der Seite des Regisseurs. Zuerst war er sich nicht sicher, ob ich die Rolle spielen kann oder soll. Aber ich war mir sicher, dass ich die Rolle spielen kann. Natürlich war dann immer noch die Angst da, ob ich die Feinheiten finden kann...

Ricore: Haben Sie sich auf diese Filmrolle anders vorbereitet als sonst?

Whitaker: Nein. Genau wie bei anderen Filmrollen musste ich mich auch hier intensiv vorbereiten. Und Sie können mir glauben, es war eine intensive Vorbereitung nötig. Im Film hat Idi Amin rund 20 Leute getötet, er ist kein "guter" Charakter, aber er hatte eine gewisse Spiritualität. Aber ich mache für jede Rolle das, was nötig ist. Ich musste viele technische Dinge lernen und recherchieren und das war das Anstrengende an der Vorbereitung.

Ricore: Gibt es in Ihrem Kopf so eine Art Schranke, die sie davor bewahrt, zu tief in die Gedankenwelt von Idi Amin einzutauchen? Gibt es vielleicht sogar einen Punkt, an dem Sie Idi Amin verstehen können?

Whitaker: Nein, ich kann ihn nicht verstehen. Ich glaube für Kerry Washington war es eine große Zumutung, ihr ging das alles sehr nahe. Aber dieser Charakter ist sehr unterschiedlich zu mir.

Ricore: Es gibt dieses großartige Buch "Dictator Lifsestyle" von Peter York. Es zeigt die Dekorationsliebe von Diktatoren und den Hang zu besonderer Innenarchitektur. Idi Amin war ebenfalls ein Fan von besonderem Lifestyle. Wie wichtig ist ihrer Meinung nach die Mode- und Style-Nachricht eines Diktators? Forest

Whitaker: Ich weiß es nicht. Im Fall von Idi Amin war es sicherlich so, dass er ein sehr männlicher Charakter war. Es hat ihm gefallen, unterschiedliche Outfits zu tragen, und mit der Kleidung seine Gefühle auszudrücken. Auch die Möglichkeit das zu tun was er will, wann immer er es will. Ich weiß aber nicht, wie andere Diktatoren zu ihrer Mode gestanden sind, ich müsste dafür das Buch lesen. Es scheint, dass einige zumindest mit ihrer Kleidung auch einen gewissen Stellenwert in der Gesellschaft auszudrücken versuchten. Sie mussten eine gewisse Person repräsentieren. Auch Idi Amin hatte definitiv eine Uniform, ohne diese wäre er wahrscheinlich nicht so akzeptiert worden.
20th Century Fox
Forest Whitaker als Diktator Idi Amin
Ricore: Wurden sie in Uganda manchmal mit dem echten Idi Amin verwechselt?

Whitaker: Kevin McDonald erzählte mir einmal, er hätte eine Diskussion mit afrikanischen Darstellern gehabt, warum ausgerechnet ich diese Rolle bekommen hätte. Für manche war es sehr schmerzhaft, es waren sehr persönliche Dreharbeiten vor allem für Menschen aus dem ländlichen Gebieten Ugandas. Viele haben Idi Amin nicht gekannt, da sie keinen Fernseher haben. Was für mich sehr berührend war, viele Leute glaubten, ich sei Afrikaner. Das war für mich sehr wichtig. Ich wollte nicht dass sie glauben ich sei Idi Amin, aber ich wollte dass sie glauben ich sei einer von ihnen.

Ricore: Hat sie das stolz gemacht?

Whitaker: Ich habe dadurch realisiert, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ich wollte nicht das Amerikanische verbildlichen. Und ich musste an meinem Akzent arbeiten. Meine Sprache hat sich verändert. Die Art wie man Sprache verwendet, einen Witz erzählt usw.

Ricore: Ist es ein Problem, dass westliche Länder, vor allem auch Amerika Filme über Afrika macht und somit auch die Klischees prägen?

Whitaker: Ich stimme in diesem Punkt mit Ihnen nicht ganz überein. Nigeria hat etwa eine große und florierende Filmlandschaft. Sie versucht lokale Probleme zu thematisieren, aber die Regisseure gehen auch über Ländergrenzen hinaus. In Uganda gibt es jedoch keine Filmproduktion. Es ist daher sehr schwer, westliche Länder auszuschließen. Ich glaube auch, dass afroamerikanische Schauspieler eine gewisse Verantwortung tragen, was Filmauswahl und Rollenauswahl betrifft. Sie müssen eine gewisse Wahrheit innerhalb ihrer Rollen suchen. Der Film basiert ja auf einem Buch, das den Missbrauch der Macht, die Korruption und das Eindringen des Westens in das Land thematisiert. Der Film macht deutlich, wie der Westen glaubt zu wissen, was für Afrika und jede andere Kultur gut sei. Ich finde, dass auch aus diesem Gesichtspunkt die Geschichte höchst interessant ist.

Ricore: Vielerorts gibt es immer noch ähnliche Strukturen wie zu Zeiten Idi Amins in Uganda...

Whitaker: Ja, viele Menschen verhalten sich, als würden sie die absolute Macht besitzen. Überall auf der Welt gibt es solche Menschen an der Macht und sie führen viele Kriege. Ich meine, schauen Sie sich mein Land an - oder Korea - oder den Mittleren Osten. Ich möchte über niemanden richten, aber es gibt natürlich Parallelen.

Ricore: Glauben Sie, dass Hollywood in solchen Filmen eine gewisse gesellschaftliche Angst vor der Entwicklung Afrikas reflektiert?

Whitaker: Ich glaube schon, dass sich der Blickwinkel durch manche Produktionen verändert hat. Wir öffnen unsere Augen und sorgen uns um das, was vor sich geht. Natürlich sind wir mit Afrika verbunden, das Land ist ja eine ehemalige Kolonie.
Fox
Forest Whitaker
Ricore: Wäre das für Sie auch eine moderne Form der Kolonisation, wenn man Demokratie in fremde Länder bringt?

Whitaker: Ja, natürlich ist das eine Art Kolonisation. Immer wenn man in ein fremdes Land geht, und dort seine Position und Macht ausnützt und den Menschen sagt, was sie glauben sollen oder wie sie sich anziehen sollen, ist das eine Art Kolonisation. Das birgt große Gefahren.

Ricore: Wie hat sich Ihrer Meinung nach die Aufmerksamkeit der Menschen im Allgemeinen durch diesen Film geändert?

Whitaker: Ich glaube, dass viele aufmerksamer geworden sind. Natürlich ist das ein langsamer Prozess. In manchen europäischen Staaten geht es sicherlich auch schneller als in den USA, aber auch dort hat sich etwas verändert. Aber es muss noch mehr getan werden.

Ricore: Haben Sie bei der Drehabreiten selbst diese absolute Macht gespürt?

Whitaker: Natürlich. Wenn ich auf die Bühne gegangen bin und meinen Text sagte, haben mir manchmal 2.000 Leute zugejubelt, natürlich fühlt sich das machtvoll an. Auch wenn sie mehr und mehr das glauben, was du sagst und was du tust, das ist beinahe vergiftend. Das ist Teil der menschlichen Natur.

Ricore: Haben Ihnen diese Reaktionen bei den Dreharbeiten geholfen?

Whitaker: Ja, man ist berauscht, es hilft enorm, wenn man mit 30 Leuten tanzt und sie auf und ab hüpfen und ständig deinen Namen schreien.

Ricore: Hat diese Rolle Ihre bisherige Karriere verändert?

Whitaker: Ich weiß es nicht, aber ich hoffe schon. Aber davon abgesehen gefällt mir meine Karriere bis dato sehr gut. Es ist natürlich schön, wenn man nach einem Film, der sehr anstrengend war, eine so große Aufmerksamkeit bekommt.
Heike Maleschka/Ricore Text
Forest Whitaker ist trotz dem Oscar-Trubel auf dem Boden geblieben
Ricore: Was war die schönste Erfahrung, die Sie in Uganda gemacht haben?

Whitaker: Es waren Millionen schöne Erfahrungen. Um diese auszubreiten würde ich Tage brauchen. Das schönste Gefühl das ich hatte, war von den Einheimischen als Afrikaner angesehen zu werden.

Ricore: Ist es erlaubt, aus einem Monster einen Menschen zu machen?

Whitaker: Zuallererst, Idi Amin ist natürlich ein Mensch. Ich glaube, die Frage müsste lauten, ist es ok, aus einem Monster ein Held zu machen? Ich habe versucht, Idi Amin eine menschliche Seite zu geben, denn das war er ja auch, er hatte schließlich über 30 Kinder. Aber es ist nicht in Ordnung, aus einem Monster ein Held zu machen.

Ricore: Haben Sie oder ihre Produktionsfirma irgendwelche Projekte nach den Dreharbeiten initiiert?

Whitaker: Nach den Dreharbeiten bin ich in den Norden Ugandas gereist, ich habe Geld gesammelt und mit mehreren Organisationen zusammengearbeitet. Man muss aber erst sehen, wo das Geld am besten einsetzbar ist.

Ricore: Was bedeutet Loyalität für Sie?

Whitaker: Eine interessante Frage. Loyalität bedeutet für mich, zusammenzuhalten, auch in weniger guten Tagen. Wenn der andere auch deine schlechten Seiten kennt und dir trotzdem zur Seite steht. Das bedeutet für mich Loyalität.

Ricore: Herr Whitaker, vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 17. März 2007
Zum Thema
Der spannende Psychothriller nach gleichnamigen Roman von Giles Foden hinterfragt die fiktive Beziehung eines schottischen Arztes zu Ugandas ehemaligen Präsidenten Idi Amin. Am Ziel seiner Träume angelangt, genießt Nicholas Garrigan (James McAvoy) als persönlicher Leibarzt des Präsidenten die schöne Seite des afrikanischen Staates. Zu spät erkennt er die Gräueltaten hinter der imposanten Seite Amins (Forest Whitaker). Neben der fesselnden Geschichte fasziniert vor allem das Zusammenspiel der..
Der in Texas geborene Schauspieler gilt als ruhig, schüchtern und etwas zurückgezogen. Bei öffentlichen Reden oder Interviews wirkt er nervös und unsicher. Ein äußeres Merkmal ist das etwas herabhängende linke Augenlied. Für seinen größten Erfolg wuchs der 46-jährige über sich hinaus. In Kevin Macdonalds Historiendrama "Der letzte König von Schottland - In den Fängen der Macht" spielt er den ugandischen Diktator Idi Amin. Dafür wurde er 2007 mit dem Oscar als bester Hauptdarsteller gewürdigt...
2024