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Jürgen Vogel
Jürgen Vogel über Trainingsanzüge und Nacktszenen
Interview: Wie peinlich!
Gerade noch stand Jürgen Vogel (35) für Doris Dörries neuen Film nackt vor der Kamera, da sehen wir Deutschlands bekannteste Zahnlücke schon wieder auf der Leinwand. Nun aber in "Poem", einem extravaganten Low-Budget Projekt mit Starbesetzung, das neunzehn deutsche Gedichte in Kurzfilme zu verwandeln sucht.
erschienen am 7. 05. 2003
Johannes Bonke
Jürgen Vogel
Ricore Medien: Jürgen, in "Poem" spielst du den genervten Hausherrn eines kleinen Chaotenhaushalts. Die Kleidung lässt dabei schwer zu wünschen übrig. Wie viele Trainingsanzüge hast du denn privat zu Hause?

Jürgen Vogel: Meinen Jogginganzug aus "Poem" hätte ich wirklich gerne behalten. Aber ich durfte nicht, das Budget war zu klein. Aber ich habe mir gerade eine richtig warme Fließhose gekauft, die man bei Bedarf auch auf der Alm anziehen kann (lacht).

Ricore: Modisch nicht gerade aktuell...

Vogel: ...Aber bequem. Stell dir vor, eines Tages klingelt die Steuerfahndung an deiner Haustür, und du trägst diesen tollen Trainingsanzug. Das macht sicher Eindruck (lacht).

Ricore: Was hat dich außer dem tollen Trainingsanzug bewogen, bei "Poem" mitzuspielen? Immerhin erwartet das Projekt nicht gerade rosige Zuschauerzahlen...

Vogel: Ich mache einen Film, weil ich eine bestimmte Geschichte loswerden möchte. Gerade Projekte, die anderen sehr zweifelhaft vorkommen, reizen mich besonders. So auch bei "Poem". Wir wollten den Menschen einfach die Magie der Gedichte näher bringen. Für Leute wie mich, die mit Gedichten nicht sehr viel am Hut haben, ist das doch eigentlich eine großartige Sache. Ich persönlich habe nicht die Muße zum Lesen, aber als Film finde ich so etwas sehr interessant.
Johannes Bonke
Jürgen Vogel
Ricore: Also hast du kein Lieblingsgedicht?

Vogel: Ich habe mal ein paar Gedichte von Bukowski gelesen. Genaueres weiß ich aber auch nicht mehr. Nur dass sie in Prosa geschrieben waren. Und dass sogar ich sie verstanden habe.

Ricore: Auch egal. Zumindest sagen deine Kollegen, dass du immer gute Laune zum Dreh mitbringst...

Vogel: Drehzeit ist Lebenszeit. Es bringt einfach nichts, wenn man nur missmutig durch die Gegend läuft. Ich lache einfach sehr gerne. Ich war schon früher immer der Klassenkasper. Ich bin meistens gut drauf, egal, ob bei einer Low-Budget Produktion oder woanders.

Ricore: Geld ist also nicht maßgeblich für deine gute Laune...

Vogel: Nein, aber sogar bei Low-Budget Produktionen verdiene ich mehr, als mein Vater als Kellner jemals verdient hat. Wir Schauspieler dürfen uns eigentlich gar nicht beklagen. Wenn es mal nicht so gut läuft, muss man eben seine Ausgaben ein bisschen reduzieren. So einfach läuft das.
Ottfilm
Jürgen Vogel in "Poem"
Ricore: Karrieresorgen dürftest du derzeit aber nicht haben. Eben hast du die goldene Kamera gewonnen!

Vogel: Für mich ist die goldene Kamera eine große Ehre. Zumal der Preis von einer Jury vergeben wurde, die sich immer sehr genau überlegt, wen sie auszeichnet. Bei der Gala habe ich auch gleich wieder die Gelegenheit genutzt, meine Mama zu grüßen. Ich weiß, dass sie sich darüber immer unheimlich freut.

Ricore: Du sprichst gern über deine Eltern?

Vogel: Ich finde es lustig, wenn Erwachsene ihre Eltern grüßen. Jeder weiß doch, dass sich bestimmte Dinge nie ändern werden - egal wie alt du bist. Du rufst zu Hause an und deine Mutter fragt dich, ob du gesund bist, genug isst, und ob überhaupt alles in Ordnung ist. Bei mir zumindest ist es immer so.

Ricore: Was hat deine Mutter denn zu deinen Nacktszenen in Doris Dörries neuem Film gesagt?

Vogel: Sie hat den Film noch nicht gesehen (lacht). Aber ich denke, sie hat nichts dagegen. Ich selbst bin zwar kein Exhibitionist, habe aber auch kein Problem damit, mich auszuziehen.
Ottfilm
Szene aus: Poem
Ricore: Apropos Probleme: Auf der Berlinale meintest du, es wäre dir peinlich, ein deutscher Schauspieler zu sein.

Vogel: Das stimmt nicht. Es ist mir lediglich peinlich, als deutscher Schauspieler ausländischen Stars vorgestellt zu werden, die dich gar nicht kennen und nur aus Nettigkeit Höflichkeitsfloskeln mit dir austauschen.

Ricore: Zum Beispiel?

Vogel: Als Spike Lee in Deutschland war, um "Malcolm X" vorzustellen, baten mich Fotografen bei einem Empfang um ein gemeinsames Foto mit ihm. Ich weiß ganz genau, dass Spike Lee nicht besonders viel für weiße Jungs mit blonden Haaren übrig hat und lehnte ab. Aus Spaß meinte ich, dass er schon zu mir kommen müsse, wenn sie ein Foto haben wollen. Und was haben die Fotografen gemacht? Sie haben Spike Lee zu mir hergeführt und ihre Fotos geschossen. Er machte natürlich gute Miene zum bösen Spiel. Wie peinlich! Mein Gott, habe ich mich damals geschämt!

Ricore: Deine Aussagen klingen nicht unbedingt nach Hollywoodplänen!

Vogel: Nehmen wir mal an, ich wäre ein polnischer Wald- und Wiesenschauspieler, der ein so abscheuliches Deutsch spricht, dass man es kaum verstehen kann. Dann kommst du als polnischer Journalist und fragst mich nach Karriereplänen in Deutschland. So abgehoben wie diese Vorstellung ist, so absurd wäre es, wenn ich nur im Traum an Hollywood dächte. Dort interessiert sich kein Mensch für deutsche Schauspieler. Es sei denn, du lässt dich mit einem Stahlhelm auf dem Kopf niedermetzeln oder dir in den Kopf schießen. Nein, ich bleibe lieber in Deutschland und mache hier mein Ding.
erschienen am 7. Mai 2003
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Schauspieler und Sänger Jürgen Vogel wird als Sohn eines Kellners und einer Hausfrau in Hamburg geboren. Ohne Schauspiel-Ausbildung debütiert er 16-jährig in "Kinder aus Stein". Sein Durchbruch gelingt ihm mit Sönke Wortmanns "Kleine Haie". Im Interview mit Taxi Driver" und der Schauspielkunst Robert De Niros inspiriert worden zu sein. In Lars Kraumes halbdokumentarischem Musik-Film "Keine Lieder über Liebe" singt er in der eigentlich fiktiven Hansen Band. Die Band tourt zweimal durch..
19 Gedichte deutschsprachiger Lyriker bilden die Vorlage für 19 Kurzgeschichten. "Poem" ist keine homogene Sammlung. Regisseur und Drehbuchautor Ralf Schmerberg versucht vielmehr jedem Gedicht gerecht zu werden. Die Geschichten entstanden am Himalaya, in Rio, Spanien und Berlin. Komplett aus eigenen Mitteln finanziert stützt sich Schmerberg auf eine Riege von etablierten deutschen Schauspielern wie Richy Müller, Meret Becker, Jürgen Vogel oder Klaus Maria Brandauer, die allesamt auf ihr..
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