Andrea Niederfriniger/Ricore Text
Tom Schilling
Kein Stress mit Robert Stadlober
Interview: Tom Schilling im Aufwind
Tom Schilling ist zarte 25 Jahre jung, doch bei unserem Gespräch wirkt er wie ein alter Hase. Denn er blickt auf eine reiche Bühnen- und Kameraerfahrung zurück. So wirkt er auch bei unserem Gespräch abgeklärt und vernünftig. Zu unserem Gespräch erscheint Schilling im eleganten dunklen Anzug. Als wir ihn zu seinem Schauspielkollegen Robert Stadlober befragen, ist keine Spur von Konkurrenzgehabe zu entdecken. Tom gesteht uns, dass Robert mittlerweile zu seinen ältesten Freunden im Filmgeschäft gehört - die beiden haben schon einige Filme zusammen gedreht - so auch "Schwarze Schafe".
erschienen am 30. 08. 2007
BBQ-Distribution
Schwarze Schafe
Ricore: Ist "Schwarze Schafe" provokativ und schockierend?

Tom Schilling: Diese Dinge gehören zum Konzept des Films und sind Teil der Stilmittel. So eine Art sinnentleerter Tabubruch. Dies klingt jetzt so, als würde es nicht für den Film sprechen, macht aber die Qualität aus. Ich habe so einen Film sowohl in Deutschland als auch international lange nicht mehr gesehen. Man muss diese Art natürlich mögen, aber ich bin sehr zufrieden. Ich finde ihn gut und mir macht er Spaß.

Ricore: Sie kennen Robert Stadlober aus vorherigen Filmen. Wie ist die Zusammenarbeit mit ihm?

Schilling: Ich denke nicht soviel darüber nach. Ich freue mich ganz einfach, wenn ich mit ihm zusammenarbeiten kann. Wir sehen uns leider nicht so oft, weil er in Wien wohnt und ich in Berlin. Aus der Filmbranche ist er einer meiner ältesten und engsten Freunde geworden. Auch ohne dass wir uns oft sehen. So freue ich mich immer über die Möglichkeit, mit ihm zu spielen. Durch private Freundschaft fällt es auch leichter, Filmfreundschaften darzustellen. Die bereits existierende Basis muss man dadurch erst gar nicht mehr spielen.

Ricore: Fällt es Ihnen schwer, sich äußerlich zu verändern? In "Schwarze Schafe" haben Sie lange Haare...

Schilling: Dieser Film spielt mit vielen Klischees, daher sind auch die Kostüme und das Styling übertrieben. In welchem anderen Film könnte man als tragende Figur die ganze Zeit eine Sonnenbrille tragen? Die Hälfte der Episode trage ich eine Sonnenbrille und diese bescheuerte Mütze. In "Schwarze Schafe" ist es tatsächlich so, dass ich in mir eher eine künstliche Figur sehe.

Ricore: War das ihr außergewöhnlichster Film und auch Ihr extremster Film?

Schilling: Die Rolle war keine große intellektuelle Herausforderung. Ich habe bereits Filme gemacht, in denen ich an meine Grenzen gehen musste. Vom Grundton ist es natürlich der extremste Film, den ich bisher gemacht habe.

Ricore: Wie wird das Publikum auf den Film reagieren?

Schilling: Ich hoffe, dass das Publikum mit dem Film Probleme hat und dass er polarisiert. Es gibt sicher Leute, die sich damit identifizieren können und sagen, ja so stell ich mir das vor. Weder der Film noch die Figuren nehmen sich ernst. "Schwarze Schafe" hat keine Angst, zu übertreiben und seine Figuren der Lächerlichkeit preis zu geben. Das ist der große Verdienst des Films, das macht ihn so charmant. Die Klischees und das Schablonenhafte gehören zum Konzept, das macht die künstlichen Figuren schon wieder menschlich. Daher glaube ich, dass man den Film mögen kann, auch wenn er das Publikum herausfordert und anekelt.
Andrea Niederfriniger/Ricore Text
Tom Schilling
Ricore: Inwiefern anekelt?

Schilling: Ich weiß beispielsweise nicht, ob meine Eltern mit dem Film so viel anfangen können. Ob sie das, was sie sehen und das, was der Film erzeugen soll, trennen können. Meine Eltern gehen vielleicht in den Film und nehmen ihn für bare Münze. Ich glaube nicht, dass sie damit umgehen könnten.

Ricore: Wie viel Wahrheit steckt in diesem Film?

Schilling: Eine Menge. Ich glaube, dass die Figuren und das, wofür sie stehen, wahnsinnig realistisch sind. Der Münchner, der nach Berlin fährt und sich über den Gestank der Spree echauffiert, den gibt es tatsächlich. Auch die Episode von Julia und Milan. Zwei Menschen, die nach Berlin gekommen sind und auf ein besseres Leben gehofft haben, aber enttäuscht wurden. Das ist sehr realistisch, wie auch meine Episode: Junge Leute, die mit wenig Geld und ohne Zukunftsperspektive in den Tag hinein leben.

Ricore: Robert Stadlober bezeichnete im Film Ihre Filmfigur als "zynischer, materialistischer Drecksack". Wie erging es Ihnen mit Ihrer Filmrolle?

Schilling: Ich muss mich nicht zwangsläufig mit einer Rolle identifizieren, ich muss sie nur verstehen. Das, was ich spielen soll, muss ich irgendwie kennen. Und wenn ich aus meiner Wohnung in Berlin Mitte rausgehe, dann sehe ich diese Typen dauernd an mir vorbeilaufen. Es wundert mich manchmal, dass all diese Leute nichts zu tun haben. Ich selbst hab auch oft nichts zu tun, als Schauspieler ist das halt so. Aber manchmal frage ich mich schon, wie viel Zeit die Leute haben, den ganzen Tag im Café rumzusitzen. So ist auch meine Filmfigur. Die nimmt nichts ernst. Sie versucht den Weg mit dem geringsten Widerstand zu gehen.

Ricore: Wie entwickelte sich ihre Karriere, nachdem sie auf dem Schulhof entdeckt wurden?

Schilling: Mit 12 Jahren wurde ich vom Regisseur des Berliner Ensembles in der Schule angesprochen und habe angefangen, dort zu spielen. Bis zum 16. Lebensjahr bin ich dort geblieben und habe Kinderrollen gespielt. Später bin ich auf Castings gegangen, habe verschiedene Filmleute kennen gelernt und dann auch erste Filmrollen bekommen.

Ricore: Sie haben keine Schauspielausbildung. Möchte Sie das irgendwann nachholen?

Schilling: Nein, eigentlich nicht.

Ricore: Wie definieren Sie den Schauspielberuf?

Schilling: Diese Frage kann ich gar nicht beantworten. Im Prinzip ist es der absurdeste Beruf, den man ausüben kann. Wenn ich am Set im Auto sitze, und 15 Mal einfach nur von A nach B fahren muss und ich mich selbst dabei beobachte, dann macht der Beruf eigentlich keinen Sinn. Manchmal wirkt es auch lächerlich, wenn man vor 30 Leuten spielen muss, wie man plötzlich stirbt. Es ist ein wahnsinnig absurder, lächerlicher Beruf, der aber Leute rühren und unterhalten kann. So kriegt man dann sehr viel zurück von dem was man gibt.

Ricore: Wie ist es für Sie, mit all den erfahrenen und älteren Schauspielern zu arbeiten?

Schilling: Das kommt auf den eigenen Geschmack an. Die Bekanntheit sagt ja nichts über das schauspielerische Talent. Es gibt erfahrene Menschen im Filmgeschäft, mit denen ich schon gedreht habe, die mich nicht sonderlich inspirierten. Das ist von Film zu Film anders. Ich glaube, ich könnte vielleicht mehr von Daniel Brühl lernen, als von manch älterem Schauspieler. Das Alter sagt nix über die Qualität aus.
erschienen am 30. August 2007
Zum Thema
Tom Schilling hat bereits eine steile Karriere gemacht. Im Gegensatz zu vielen anderen Jungstars startete Schilling seine Ausbildung auf der Bühne. Als Zwölfjähriger erwarb er sich bei "Im Schlagschatten des Mondes" erste Schauspielerfahrung beim Berliner Ensemble. Weitere Bühnenrollen folgten. Mit "Crazy" kam 2000 auch der Durchbruch auf der Leinwand. In der Rolle des Jakob zeigt Schilling, dass er nicht nur ein großes Talent hat, sondern auch die nötige Leinwandpräsenz hat.
Schwarze Schafe (Kinofilm)
Boris (Marc Hosemann) will nur Sex - stößt bei der Suche aber auf seine Gefühle. Auch Ali (Eralp Uzun), Birol (Oktay Özdemir) und Halil (Richard Hanschmann) wollen Sex, und das zu jedem Preis. Breslin (Robert Stadlober) und Julian (Tom Schilling) überlegen, wie sie ohne viel arbeiten zu müssen an Geld kommen könnten. Fred (Kirk Kirchberger) und Arnold (Daniel Zillmann) wollen endlich richtige Satanisten werden. Die Episoden überzeugen durch sarkastischen Humor und ungewöhnliche Filmtechnik.
2024