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Der Weiße mit dem Schwarzbrot

Der Weiße mit dem Schwarzbrot

Originaltitel
Der Weiße mit dem Schwarzbrot
Regie
Jonas Grosch
Darsteller
Christof Wackernagel
Kinostart:
Deutschland, am 12.06.2008 bei 24 Bilder Filmagentur
Genre
Dokumentarfilm
Land
Deutschland
Jahr
2007
FSK
ab 12 Jahren
Länge
73 min.
IMDB
IMDB
Homepage
www.der-weisse-mit-dem-schwarzbrot.de
|0  katastrophal
brillant  10|
5,0 (Filmreporter)
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Etwas andere Aufarbeitung des Deutschen Herbstes
Nur wenige denken beim Namen Christof Wackernagel an einen Schauspieler. Denn der Mann, der kleinere Rollen in der Kiffer-Komödie "Lammbock", in der ARD-Reihe "Tatort" oder der ZDF-Serie "SOKO Köln" hatte, machte in den Siebziger Jahren Schlagzeilen durch seine Zugehörigkeit zur Terrororganisation RAF. Noch heute ist der Idealist und Träumer von seiner Mission überzeugt, die Welt zum Guten zu verändern. Derzeit lebt er in Mali, arbeitet an Buchprojekten, gibt Straßenkonzerte oder engagiert sich als Entwicklungshelfer. Der junge Dokumentarfilmer Jonas Grosch besucht ihn in Westafrika und gibt dem Revoluzzer von einst Gelegenheit, von seiner Mitgliedschaft in der RAF, seiner Festnahme und der anschließenden Haft zu erzählen. Er zeigt aber auch einen Mann, der in Mali eine Bäckerei aufmacht, um Schwarzbrot unter die Leute zu bringen und nach wie vor mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen für den Frieden wirbt.
Christof Wackernagel ist nicht nur in Afrika hängen geblieben, sondern auch in den 1970er Jahren. Im 21. Jahrhundert wirken seine Weltverbesserungspläne geradezu grotesk. Da ist es nur richtig, dass Jonas Grosch die Geschichte eines Mannes erzählt, dem in Afrika das morgendliche Schwarzbrot fehlte. Die meisten anderen hätten das geliebte Brot aus Deutschland nachgebacken. Wackernagel denkt aber auch an seine Mitmenschen. Also lässt er einen ausrangierten Ofen aus Deutschland nach Mali schaffen und eröffnet eine Bäckerei. Was folgt ist klar: In Mali will niemand Schwarzbrot. Also verkauft die Bäckerei an europäische Touristen und Hotels. Das geht solange gut, bis der Ofen explodiert. So richtig wusste keiner, für welche Temperaturen das Ding eigentlich gebaut war. Christof Wackernagel beginnt zu dämmern, was er da eigentlich gemacht hat: Mit geradezu imperialistischer Geste wollte er europäische Esskultur nach Westafrika exportieren.

Allzu viel Verdruss löst diese Einsicht aber nicht aus. Gibt es doch noch andere Projekte. Christof Wackernagel wartet immer noch auf einen Brief aus dem deutschen Außenministerium. Dort hat er wegen der Finanzierung einer sogenannten Friedenskarawane angefragt. 100 Millionen soll der Treck für den Weltfrieden kosten, wenn er durch mehrere afrikanische Länder zieht. Kurz: Die Dokumentation über einen ehemaligen Terroristen verhindert wirksam die Legendenbildung, indem sie den Protagonisten und seine Ideen sich selbst überführen lässt. Das ist das vornehmste und effizienteste Mittel einer Dokumentation. Unterhaltsam wird sie, wenn der Weltverbesserer Wackernagel gestisch und rhetorisch merklich von zahlreichen Sit-ins geschult doziert. Sein Vokabular ist das alte geblieben. Polizisten sind Schweine und irgendwie wirkt auch eine Erzählung von einer Schießerei mit fünf Verwundeten wie eine recht drollige Anekdote. Das mag daran liegen, dass jede Episode nach mehrmaligem Erzählen ihre eigene Dramaturgie bekommen hat.

Das Fernsehen wollte diese Geschichten nicht. Die Verantwortlichen verlangten die Konfrontation mit den Opfern. Groschs Film hingegen ist ein eher indirekter Beitrag zur Aufarbeitung des "Deutschen Herbsts" von 1977. Ohne Archivaufnahmen porträtiert er die Geisteshaltung der Zeit, wie sie in einem ihrer Protagonisten konserviert ist. Es gibt bessere Filme, die den gleichen Zweck Verfolgen. Wesentlich mehr Datenmaterial und einen ganz ähnlichen Ansatz hat etwa die WDR-Dokumentation "Die Karawane der Blumenkinder". Filmisch gibt das Tagebuch eines alternden Hippies, der zwei Monate Mitglied der RAF war, einfach nicht viel her. 73 Minuten lang kann man einen Träumer davon reden hören, dass es das gescheiteste wäre, allen Regierungsverantwortlichen die Dienstwagen abzunehmen. Das würde nicht nur Kosten sparen, sondern die abgehobenen Eliten den Nöten der einfachen Bevölkerung näher bringen. Die Idee ist beseelt vom Glauben, dass sich die Welt schon ändern werde, wenn "die da oben" einmal zuhörten. Am liebsten natürlich ihm, Christian Wackernagel. Manch einer wird dem etwas Liebenswertes abgewinnen, den anderen wird er einfach auf die Nerven gehen. Da die Dokumentation ganz mit seiner Person steht und fällt, gilt das gleiche für den Film.
Andreas Eckenfels/Filmreporter.de
Christof Wackernagel ist nicht nur in Afrika hängen geblieben, sondern auch in den 1970er Jahren. Im 21. Jahrhundert wirken seine...
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2024