Ventura Film
Böse Zellen

Böse Zellen

Originaltitel
Böse Zellen
Regie
Barbara Albert
Darsteller
Karl Fischer, Christian Ghera, Gabriela Schmoll, Bellinda Akwa-Asare, Rupert M. Lehofer, Martin Brambach
Kinostart:
Deutschland, am 01.04.2004 bei Ventura Film
Kinostart:
Schweiz, am 01.04.2004 bei Fama Film
Genre
Episodenfilm
Land
Österreich, Deutschland, Schweiz
Jahr
2003
Länge
120 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
5,0 (Filmreporter)
6,7 (3 User)
Ein Netz von Beziehungen, eine österreichische Kleinstadt: Manu (Kathrin Resetarits) stirbt bei einem Autounfall. Zurück bleibt Mann Andreas (Georg Friedrich) mit der stillen, verschlossenen Tochter Yvonne (Deborah Ten Brink). Manus Freundin Andrea (Ursula Strauss), die schon lange eine Affäre mit Andi hatte, möchte sich gerne an den Witwer binden. Als der sie abweist, betrinkt sie sich und schläft frustriert mit dem aufdringlichen Reini (Martin Brambach). Prompt wird sie schwanger und macht den Fehler, Andi den One-Night-Stand zu beichten. Gabi (Nicole Skala), die Freundin des Unfallverursachers Kai (Dominik Hartel), liegt nach dem Crash querschnittsgelähmt im Krankenhaus und will nichts mehr von Kai wissen. Er beschließt, sich in der Fernsehsendung "Verzeih mir" öffentlich zu entschuldigen. Zwischen Manus Bruder Lukas (Rupert Lehofer) und der ruhigen Sandra (Bellinda Akwa-Asare) entwickelt sich eine schüchterne Romanze, auf die beide sich aber nicht recht einzulassen wagen. Sandras Mutter Belinda (Gabriela Schmoll) findet nur im Kirchenchor sozialen Anschluss und verliebt sich dort in einen älteren Mann. Als sie zurückgewiesen wird, wirft sie sich vor einen Zug. Sie überlebt - mit einem Bein. Das Labyrinth aus Beziehungen, Abhängigkeiten und Einsamkeit löst sich nicht auf. Es reproduziert sich immer wieder aufs Neue, ausweglos und für die meisten der Beteiligten ohne glückliche Wendung.
Barbara Albert entwirft in ihrem zweiten Spielfilm ein komplexes System von Geschichten, die verknüpft, überkreuzt und gegeneinander aufgehetzt werden. Der Fundus an bitteren, quälenden Schicksalen und Begebenheiten lässt "Böse Zellen" schier bersten vor Erzählwut. Hoffnungslosigkeit und Einsamkeit fressen sich tief in all die schrecklich normalen Leben, die Albert mal um mal erbarmungslos an den Rand der Verzweiflung treibt. Wie es im österreichischen Film seit Ulrich Seidl und Michael Haneke üblich zu sein scheint, weidet sich die Regisseurin am Leid ihrer Protagonisten, drängt sie sich schonungslos nah an die ekelerregenden Scheußlichkeiten ihrer durch und durch hässlichen Welt. Diese illusionslose Offenheit bewegt, geht an die Nieren, irritiert. Aber allzu oft wirkt die Erzählweise künstlich, wird der Bogen überspannt. Wie schon in ihrem Erstling "Nordrand" gelingt es Barbara Albert nicht, das enorme Potential ihres Films umzusetzen. Sie spinnt zu viele lose Fäden, will stur auch noch der Geschichte hinter der Geschichte eine Vorgeschichte verpassen, die irgendwann nur noch konstruiert und unglaubwürdig scheinen kann. Stilistische Manierismen setzt sie inkonsequent und ohne Rhythmus ein, gewichtige Andeutungen bleiben auf der Strecke und verlaufen im Sand. "Böse Zellen" lebt von Momenten. Momente tiefer Bitterkeit, unsagbarer Trauer, herzzerreißender Einsamkeit. Momente, die dem Zuschauer näher gehen, als ihm das vielleicht lieb ist. Was dem Film fehlt, ist ein bisschen mehr Konzentration. Die Regisseurin holt zu weit aus, überschätzt die Tragfähigkeit ihres Mediums und scheitert so letztlich an ihrem eigenen Anspruch.
Michael Wopperer/Filmreporter.de
2024