Die Frauen aus: "The Hours"
Pulitzerpreisgekrönter Roman wird zum Spielfilmerfolg
Feature: Große Stunde der Schauspielkunst
Stephen Daldry ist mit "The Hours" eine kongeniale Verfilmung des Virginia Woolf-Romans von Michael Cunningham gelungen. Mit Nicole Kidman, Julianne Moore und Meryl Streep bietet er drei brillante Darstellerinnen und drei Lebensläufe, die in der Zusammenschau eine anspruchsvolle Auseinandersetzung mit den großen Fragen an das Leben, die Kunst, den Tod ausrichten.
erschienen am 23. 03. 2003
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John C. Reilly, Julianne Moore, Jack Rovello in: The Hours
Clarissa ("Ms. Dalloway") begegnet auf ihrem Weg durch das morgendliche New York einer vorbeifahrenden Schauspieltruppe. "Plötzlich geht die Tür von einem der Wohnwagen auf, und ein berühmtes Gesicht taucht auf" heißt es auf den ersten Seiten von Michael Cunninghams Romans. "Clarissa kann sie zwar nicht auf Anhieb erkennen (Meryl Streep? Vanessa Redgrave?) doch sie weiß genau, dass die Frau ein Filmstar ist." In Stephen Daldrys Verfilmung wird Clarissa von Meryl Streep gespielt. Dies ist keine zufällige Koinzidenz oder gar ein schlichter Geck, sondern belegt, wie der Regisseur die Grundidee des Romans erfasst und im Film umgesetzt hat: Die Überzeugung, dass Menschen über zeitliche und örtliche Trennungen hinweg miteinander verbunden sind, sie selbst die Grenze zwischen Tod und Leben überwinden können.
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Nicole Kidman in: The Hours
"The Hours" ist ein durch und durch literarischer Film. Nicht nur, weil der zugrundeliegende, mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnete Roman um Figur und Werk der englischen Autorin Virginia Woolf kreist. Daldrys Film ist vom Respekt für die Eigenart der literarischen Sprache, die ausgiebig zitiert und im Lebensvollzug der drei Frauen zelebriert werden, bestimmt. Da ist zum einen Virginia Woolf (Nicole Kidman), die 1923 in Richmond an ihrem Roman "The Hours" arbeitet, der später unter dem Titel "Mrs. Dalloway" erscheinen wird. Laura Brown (Julianne Moore) liest diesen Roman dreißig Jahre später in einem Vorort von Los Angeles. Mrs. Dalloway ist auch der Name, den der Dichter Richard (beängstigend als ausgezehrter Aidskranker: Ed Harris) seiner Jugendfreundin Clarissa verliehen hat. Die kauft eines Morgens in den Neunziger Jahren für eine Party Blumen, geradeso wie die literarische Figur zu Beginn des Romans.
Ed Harris in: The Hours
Die Verknüpfung der Figuren und Zeitebene hat Daldry ("Billy Elliot - I Will Dance ") entlang wiederkehrender Motive durch präzise, von der Musik Phillip Glass' unterstützte Schnitte zu einem komplexen Gefüge vereint, in dem sich die drei Geschichten wechselseitig spiegeln, erklären und vorantreiben. Es geht nicht etwa um spektakuläre Lebensläufe, sondern um Grundsätzliches: Das Verhältnis zwischen Freiheit und Verantwortung, Natur und Kunst, Text und Leben. Das klingt nach erlesenem Dekor und lebensfernen Diskussionen. Durch das grandiose Spiel der drei Darstellerinnen aber erscheinen die künstlerischen Probleme hier nicht als künstliche, das Ringen um Lebensfähigkeit nie als bloße Marotte.
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Meryl Streep in: The Hours
Meryl Streep unterlegt Clarissas Bemühen, das Leben zu gestalten und schön zu finden, mit kleinen Zeichen von Nervosität, so dass die anfangs tatkräftig und genussfähig wirkende Frau zunehmend bedauernswert - und unheimlich erscheint. Großartig in ihrer Körpersprache Julianne Moore als Laura Brown. Mit einem einzigen Blick macht sie deutlich, welch ein Chaos von Gefühlen sich hinter dem gutmütigen Mädchengesicht verbirgt. Eine Überraschung im doppelten Sinne schließlich Nicole Kidmann als Virginia Woolf. Einerseits ist die Schauspielerin quasi in der Figur verschwunden. Sie vermittelt mit atemberaubender Intensität wie sich die Autorin aufgerieben hat im Zugleich von Fragilität und Aggression, Liebesbedürfnis und Streben nach Autonomie und künstlerischer Gestaltung. Einen Bären und Golden Globe gab es schon für die drei Darstellerinnen, Nicole Kidman ist zudem für den Oscar nominiert. Wohlverdientes Lob für überwältigende Leistungen in einem außergewöhnlichen Film. Sigrid Löffler, ehedem Mitstreiterin im Literarischen Quartett, urteilte nach der Premiere in Berlin, hier sei ein zweitklassiges Buch zu einem erstklassigen Film geworden. Eine überzeugendere Würdigung des Films lässt sich kaum denken.
erschienen am 23. März 2003
Zum Thema
Stephen Daldry, Sohn einer Sängerin und eines Bankmanagers, ist einer der interessantesten Filmemacher Großbritanniens. Für seine ersten drei Spielfilme, das Regiedebüt "Billy Elliot - I Will Dance" sowie die Dramen "The Hours" und "Der Vorleser", wird er für den Extrem laut und unglaublich nah" und "Trash", erweist er sich als dezidierter Schauspieler-Regisseur, der seine Akteure zu schauspielerischen Höchstleistungen befähigt. Überdies hat er eine ausgeprägte Vorliebe für Geschichten, die..
Erste Berühmtheit erlangt Nicole Kidman als Gattin von Superstar Tom Cruise. Doch darüber ist sie längst hinaus - nicht nur weil sie sich von dem bekennenden Scientology-Anhänger getrennt hat. Die gebürtige Australierin beweist großes Geschick, Vielseitigkeit und Niveau bei ihrer Rollenwahl. Egal ob als singende Edelkurtisane in "Moulin Rouge", als depressive Autorin in dem Drama "The Hours", für das sie mit einem Verliebt in eine Hexe", die kühle Schönheit glänzt in jeder Rolle. Einen..
Meryl Streeps Karriere beginnt auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Ihr schauspielerisches Talent wird früh entdeckt und stark gefördert. Nur kurze Zeit nach ihrem Schulabschluss kehrt sie dem Theater jedoch den Rücken und spielt ihre erste Filmrolle. Es folgen große Erfolge und unzählige Preise. Keine andere Schauspielerin wurde so oft für den Der Teufel trägt Prada" sowie ihre Darstellung der britischen Premierministerin Margaret Thatcher in "Die Eiserne Lady".Anton Tschechows "The..
Julianne Moore wird 1960 in Fayetteville, North Carolina als Tochter eines Militärrichters und einer schottischen Sozialarbeiterin geboren. Während ihrer Kindheit reist die Schauspielerin mit ihren Eltern rund um die Welt. In Boston erwirbt sie schließlich den Abschluss an der School of the Performing Arts. 1983 zieht Moore nach New York, wo sie als Theaterschauspielerin arbeitet. Zunächst spielt sie in verschiedenen Fernsehsoaps mit. Erst in den 1990ern kommt ihre Kinokarriere mit Filmen wie..
The Hours (Kinofilm)
Schriftstellerin Virginia Woolf war immer der Meinung, dass alle Leben miteinander verbunden sind. Meryl Streep, Julianne Moore, Nicole Kidman, Claire Danes, Toni Collette und Ed Harris unterstreichen die Ambitionen von Stephen Daldry's Literaturverfilmung.
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