News: Hollywood Insider
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Kampf den Medien
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Nichts als die Wahrheit? Wenn die Berichterstattung über einen Film im Vorfeld zu entgleisen droht, greifen die großen Studios beherzt zu Gegenmitteln. Dies galt auch für Ang Lees Comic-Verfilmung "Hulk", die zunächst eine miese Presse hatte.
23. Jun 2003: Das Schlimmste, was einem großen Hollywood-Studio mit einem potenziellen Sommerhit passieren kann, ist eine schlechte Vorberichterstattung. Ein solcher negativer "Buzz", wie Insider das Miesmachen von unfertigen Filmen nennen, führt in den Medien nämlich schnell zu einer Kettenreaktion aus Vorurteilen. Nach ein paar Wochen gegenseitigen Abschreibens und Zitierens sind sich die Berichterstatter (inkl. ihrer Zuschauer und Leser) schließlich darüber einig, dass der sündteure Streifen ein Desaster ist und an den Kinokassen untergehen muss. Dass den fertigen Film zu diesem Zeitpunkt noch niemand gesehen hat, fällt dabei überhaupt nicht ins Gewicht.

Die Universal Studios ereilte dieser Supergau im Januar beim jährlichen Football-Finale "Superbowl", dem TV-Ereignis der Nation. Der "Hulk"-Trailer, den Universal dort in einem Werbeblock zum ersten Mal ausstrahlen ließ, erschien den Zuschauermillionen jedoch eher unfreiwillig komisch: Das fünf Meter große grüne Ungetüm aus dem Effektcomputer wirkte mit seinen hektischen Bewegungen unecht und lächerlich. Vor allem die im Internet aktiven Comic-Fans waren schockiert, ein negatives Urteil schnell gefällt. "Hulk" und Universal hatten nun ein ernsthaftes Problem.

Grobschlächtig und unbeholfen Dass Ang Lees Comic-Adaption tatsächlich sehr gelungen und vielschichtig ist, kam leider auch in den auf das Football-Debakel folgenden Filmtrailern nicht zur Geltung: Aus dem Zusammenhang gerissen wirkte Bruce Banners grünes Alter Ego in den kurzen Werbefilmchen grobschlächtig und unbeholfen - mehr Kinderprogramm als "Dr. Jekyll und Mr. Hulk". Von dem Herzblut, das der Regisseur in die computergenerierte Filmfigur einbrachte, war in den Spots jedenfalls nichts zu sehen.

Universal dachte um: Kritische Berichterstatter wurden fortan einzeln überzeugt. Zuerst im Mai bei einem Setbesuch in der von George Lucass betriebenen Effekteschmiede ILM nördlich von San Francisco, wo Techniker und Trickkünstler über den künstlerischen Anspruch von Ang Lee ins Schwärmen kamen. Einige Wochen später sprach Lee dann bei einer Pressevorführung auf dem Universal Studiogelände höchstpersönlich zu den Journalisten: "Wenn der Film nichts taugt", erklärte er, "dann ist das ganz alleine meine Schuld."

Das machte Eindruck. Wie weggewischt war plötzlich der Verdacht, das Studio hätte den ambitionierten Regisseur dazu gezwungen, ein komplexes Filmprojekt in einen anspruchslosen, massenkompatiblen Popcornstreifen zu verwandeln. Und es schadete auch nicht, dass Tags darauf im Vorfeld eines für die Medien arrangierten Interviewtermins einige "Making of"-Clips von den Dreharbeiten dargeboten wurden. Die Ausschnitte zeigten Ang Lee in einem Studio von ILM dabei, wie er mit vollem Körpereinsatz Mimik und Bewegungen der Hulk-Figur darstellte und den Tricktechnikern damit eine ausdrucksstarke Vorlage für die Computeranimation lieferte. Die Ausschnitte waren ein Hit und wurden später auch von vielen Fernsehsendern ausgestrahlt - unter anderem in einem mehrfach wiederholten einstündigen "Hulk"-Special auf der Kabelstation "Sci Fi Channel". Kein Zufall: Der Sender gehört zum Universal-Konzern.

Zeugen der Verteidigung Quasi als Zeugen der Verteidigung wurden außerdem Effekte-Gurus wie der achtfache Oscarpreisträger Dennis Muren ("Star Wars: Episode 1", "Terminator 2 - Tag der Abrechnung", "Jurassic Park") aufgeboten: "'Hulk' ist kein normaler Film, sondern eine Ang-Lee-Fantasie", erläuterte der 56 Jahre alte Vater der modernen Visual Effects. "Wer in 'Tiger & Dragon' die Schwertkämpfe auf den Baumwipfeln mochte, dem wird auch dieser Film gefallen." Animation-Supervisor Colin Brady setzte noch eins drauf: "Für Hulks Computermimik nahmen wir uns Schauspieler wie Humphrey Bogart und Clint Eastwood zum Vorbild - auch die haben es verstanden, sich in ihren Filmen ohne Worte auszudrücken." Und Wilsen Tang, einer von ILMs Art Directoren, legte sein Augenmerk auf die buchstäblich porentiefe Detailgenauigkeit, mit der die Grafiker das Hulk-Gesicht in den Computern formten. Schließlich sei Ang Lee ein Fan von Großaufnahmen.

Der Spin, den Universals Medienkur den ursprünglichen Horrormeldungen entsetzter Comic-Fans verpasste, konnte sich sehen lassen: Im Internet, wo die Gerüchteküche brodelte, wurden aus Zweiflern plötzlich überzeugte Jünger, welche die positive Botschaft eifrig weiterreichten. Parallel dazu veröffentlichte Drehbuchautor James Schamus recht vergeistigte Essays in Edelblättern wie die New York Times, wo er den scheinbar flachen Sommerfilm als mythische Tragödie voller Tiefgang pries. Und Ang Lee fasste seine Bemühungen um die Popkultur der USA am Ende so zusammen: "Ich habe versucht, amerikanisches Fast Food in eine Delikatesse zu verwandeln." Die Rechnung ist offenbar aufgegangen: "Hulk" spielte in den USA am ersten Wochenende mehr als 60 Millionen Dollar ein - Allzeit-Junirekord.
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2024