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Badland
"Krieg interessiert die Menschen nicht"
Interview: In Jedem brennt des Teufels Feuer
Joe Morton ist ein Multitalent. Er ist Songwriter, Musiker und nicht zuletzt Schauspieler. Für seinen bisher letzten Film "Badland" komponierte er in einer Nacht und Nebel Aktion den Titelsong selbst. Das Drama um einen Irak-Kriegsrückkehrer berührt den sensiblen Schauspieler, der sich im Laufe seiner Karriere in einige schwierige Charaktere hinein fühlen musste. Doch dafür sind Künstler ja schließlich da, erklärt uns Morton in einem aufschlussreichen und interessanten Gespräch in einem Münchner Hotel. Seine Gitarre lag dabei stets griffbereit in seiner Nähe.
erschienen am 8. 05. 2008
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Szene aus "Badland"
Ricore: Sie haben den Titelsong zum Film selbst geschrieben. Wie kam es dazu?

Joe Morton: An einem Nachmittag während der Dreharbeiten in Kanada fragte mich Francesco, ob ich einen Song hätte, der zum Film passt. So habe ich am Nachmittag angefangen, Noten zu schreiben, die zu meinem Charakter passten. In der Nacht habe ich dann den Liedtext geschrieben und die Melodie komponiert. Das Ganze dauerte rund 30 Stunden. Das Lustige daran ist, dass ich in der Nacht nur flüstern konnte und das Ganze daher zu hoch geraten ist. Am nächsten Tag musste ich dann die Tonart verändern.

Ricore: Was bedeutet der Titel des Songs "The Devil's Lonely Fire"?

Morton: Der Song beschreibt jenes Gefühl, das in jedem einzelnen Mann brennt und das ihn zerstört. Er führt einen ständigen Kampf gegen das Feuer in ihm. Tatsache ist, dass es keinen Frieden gibt.

Ricore: Warum haben Sie die Rolle des Max in "Badland" angenommen?

Morton: Ich sah es als Möglichkeit, über Soldaten zu sprechen, die aus einem Krieg zurückkehren. Ich glaube, dass viele Menschen eine romantische Ansicht von heimkehrenden Soldaten haben, sie als Helden sehen. Dann kommen sie nach Hause, ziehen sich seinen Anzug oder Arbeitskleidung an und leben ein normales Leben angesichts der Konflikte, die sie erlebten. Wenn Soldaten heimkehren, sind sie geschädigt. Sie sind emotional verletzt. Du lieferst dich jeden Tag einer Kriegssituation aus, fürchtest dich vor versteckten Bomben am Straßenrand, siehst Kameraden, die bei einem Selbstmordattentat in die Luft gesprengt oder in einem Schusswaffenkampf erschossen werden. Du bist gefangen zwischen Trauer über den Tod eines anderen und der Freude, dass du selbst überlebt hast. Diese zwei Sachen machen dich verrückt.
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Ricore: Sie glauben also, dass ein großer Teil der Bevölkerung eine verklärte Ansicht des Krieges hat?

Morton: Die meisten Leute denken nicht darüber nach. Sie glauben, dass die Männer darauf trainiert worden sind und gut damit umgehen können. Aber es geht ihnen nicht gut. Und das ist seit Jahrzehnten so. Ich glaube auch, dass der Film die Möglichkeit bietet, darüber zu reden, dass Gott oft als Entschuldigung verwendet wird. "Ich tue dass für Gott und unser Land. Ich tue das, weil meine Religion stärker ist als deine. Ich tue das, weil Moral eine bestimmte Rolle spielt." Und nichts davon stimmt. Wir gehen in den Krieg, weil es die Regierung so will. Heute ist es nicht so wie bei den Weltkriegen, wo es klar schien, wer der Feind ist. Damals war klar, warum die Soldaten in den Krieg mussten. Aber die Soldaten interessieren sich nicht für Politik, sie kämpfen ums Überleben. Sie beschäftigen sich damit, wie sie sich am Leben halten können. Wenn sie heimkehren, sind sie nicht mehr derselbe Mensch wie vorher.

Ricore: Glauben sie, dass Menschen ihre Ansicht nach diesem Film ändern werden?

Morton: Das Problem mit Kunst ist, dass sie nicht den Geist der Leute verändern kann. Ich glaube nicht, dass der Film auf lange Sicht das Denken der Menschen ändert. Vielleicht nehmen es sich ein oder zwei Zuschauer hier und dort zu Herzen. Aber es muss ein globales Gewissen über das entstehen, was Krieg bedeutet und warum er psychisch und physisch so destruktiv ist. Ich glaube nicht, dass der Film das Denken der Leute verändert. Er mag Auslöser für eine DIskussion sein. Wenn er das tut, dann haben wir unseren Job gut gemacht.

Ricore: War es eine Art von Rebellion - auch von Ihnen - dass Sie diesen Film gemacht haben? Ist das Ihre Antwort auf den Irakkrieg?

Morton: Ich bin mir nicht sicher, ob es eine Rebellion gab. Ich glaube, die Brutalität des Films war die Rebellion. Für mich war der Film etwas Aktives, um mich mit dem Krieg auseinander zu setzen. Ich wollte mich generell mit dem Krieg beschäftigen. Dieser Film könnte jeden Krieg und jeden Soldaten zum Thema haben. Ein Künstler macht das, war er immer macht: Er versucht, anderen etwas mitzuteilen. Deshalb habe ich mitgemacht- ich wollte etwas vermitteln.
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Ricore: War es schwierig, diesen Film zu drehen? Es ist ja keine Komödie…

Morton: Ja, es ist offensichtlich keine Komödie. Als man Francis Bacon fragte: "Wie ist es zu sterben?", sagte er: "Der Tod ist einfach, Komödie ist wirklich hart". Ja, das Thema ist zerstörerisch. Wir haben uns alle sehr gut in die Charaktere und die Situationen eingelebt. Aber die meisten Schauspieler nehmen die Dinge nicht mit nach Hause. Man lässt sie am Set, erholt sich von der Arbeit und bereitet sich für die nächsten Arbeitstage vor. Der Vorteil bei so einem Film ist, dass wir schauspielern und vortäuschen. Und wir machen es mit unserem Talent und unserer Fähigkeit. Damit das Publikum auch glaubt, was es sieht. Aber es ist für uns nicht das echte Leben. Ich war nie im Irak und niemals in einer echten Kriegssituation. Unser Film ist eine Kombination von Nachforschungen und Vorstellungen. Ich hoffe, dass wir die Fertigkeiten besitzen, das auch zu vermitteln.

Ricore: Wie haben Sie recherchiert?

Morton: Ich habe in den letzten Jahren in einigen Kriegsfilmen mitgespielt. Ich wurde trainiert, habe gelernt mit Waffen umzugehen, und wie man marschiert. Ich habe über die Jahre mit Vietnam-Veteranen und Familien gesprochen, die Verwandte oder Heimkehrer aus Kriegen haben. Ich habe sie gefragt, ob sich die Männer verändert haben und was die Gründe dafür sein könnten. Ich habe viel Zeit damit verbracht, Dokumentationen zu sehen oder Zeitung zu lesen. Über die Soldaten, die heimkehren, und was sie durchmachen mussten.

Ricore: "Badland" startete in den USA bereits im November 2007. Wie reagierte das US-Publikum?

Morton: Das Problem ist, der Film beginnt mit einer Schreckenstat. Manche Leute gehen hinaus, weil sie damit nicht umgehen können. Und das Interessante ist: Obwohl Jerry diese grausame Tat vollbringt, scheint sich das Publikum mit ihm zu identifizieren. Sie freunden sich mit der Situation an und hoffen, dass er einen Weg findet, zu entkommen oder dass sich alles zum Guten wendet.
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Grace Fuller in "Badland"
Ricore: Der Film dauert fast drei Stunden, hatten Sie Angst vor der Reaktion des Publikums?

Morton: Es gab viele Diskussionen über die Länge des Films, ob er noch geschnitten werden soll oder nicht. Aber es ist Francescos Film und er wollte ihn so machen und das war okay für uns.

Ricore: Im Moment sind Sie in der Serie "Eureka" zu sehen. Wird es eine dritte Staffel geben?

Morton: Ja, wir werden eine dritte Staffel drehen. Es läuft ganz gut. Es ist nicht "Desperate Housewives", aber es läuft okay.

Ricore: Haben Sie jemals darüber nach gedacht eine Karriere als Musiker zu starten?

Morton: Als ich noch klein war, wollte ich Musiker werden und Platten aufnehmen. Das Musik-Geschäft war zu jener Zeit hart und schwierig. Die Musikindustrie heutzutage ist anders. Du kannst eine Platte in deinem Keller aufnehmen, wenn du die Technik dazu hast. Du kannst eine Platte oder ein Video aufnehmen und es auf YouTube stellen. Und die Leute können es für 99 Cent downloaden. Du kannst deine eigene Plattenfirma sein. Und das gibt dir mehr Kontrolle über das Produkt.

Ricore: Sie haben einige Zeit in Deutschland verbracht?

Morton: Mein Vater war in der Armee als ich noch ein Kind war. Und wir haben ein Jahr in Kreuzen und eineinhalb Jahre in Dachau gewohnt. Damals war ich zehn Jahre alt.

Ricore: Sprechen Sie deutsch?

Morton: Leider nicht. Aber es ist heute das erste Mal, dass ich wieder in Deutschland bin. Ich war sehr aufgeregt, wieder her zu kommen. Von München fahren wir nach Berlin, dann mit dem Zug nach Dachau, um zu sehen, was sich dort verändert hat. Es ist ja ein Museum geworden.

Ricore: Ich wünsche Ihnen eine schöne Zeit in Deutschland. Danke für das Interview.
erschienen am 8. Mai 2008
Zum Thema
Joseph Morton Junior wurde am 18. Oktober 1947 in New York City geboren. Er ist Darsteller, Produzent, Regisseur und ganz nebenbei noch Songwriter und Musiker. Seine gitarre lässt er nur ungern aus den Augen. In den letzen Jahren ist Morton vermehrt in TV-Serien wie "Law & Order" (1992-2005), "Smallville" (2001-2002) und "Eureka" (2006) zu sehen. 2008 wurde er für "American Gangster" für den Oscar nominiert.
Badland (Kinofilm)
Im Zentrum der Handlung steht der Mord von Ex-Soldat Jerry (Jamie Draven) an seiner hochschwangeren Frau und seinen zwei Söhnen. Regisseur Francesco Lucente beschäftigt sich jedoch nicht mit der Schuldfrage, sondern damit, wie es zu der Schreckenstat kam. Inspirieren ließ er sich von zahlreichen Selbstmorden und Amokläufen ehemaliger US-Soldaten, die sich kurz nach Beginn des Irakkrieges häuften.
2024