MFA+
Willi und die Wunder dieser Welt
Kinderfernsehen ist nicht süß
Interview: Kinderreporter Willi Weitzel
Willi Weitzel ist Reporter und Moderator von Informationssendungen für Kinder. In der mehrfach ausgezeichneten Sendung "Willi wills wissen" bringt er Kindern Themen wie der Tod, Obdachlosigkeit oder Menschen mit Behinderungen näher. Am 5. März 2009 startet sein erster Kinofilm "Willi und die Wunder dieser Welt". Bei unserem Treffen stellt sich Willi mit einem entwaffnenden "Hallo, ich bin der Willi" vor. Im Gespräch erklärt der Wahl-Münchner, warum es zugleich Herausforderung und Spaß ist, als erwachsener Mann Kinderfernsehen zu machen und warum das mitunter sehr brutal sein kann.
erschienen am 3. 03. 2009
MFA+
Willi und die Wunder dieser Welt
Ricore: Wie ist die Idee aufgekommen, aus einem eher informativen Fernsehformat für Kinder einen Kinofilm zu machen?

Willi Weitzel: Wir haben 170 Folgen "Willi will's wissen" gemacht, sieben Jahre lang, wir sind jetzt im achten. Wir dachten uns "Es muss mal was neues passieren, nach sieben Jahren ist es an der Zeit, sich zu erneuern". Vor ein paar Jahren habe ich ein Buch gelesen - "In 80 Tagen um die Welt". Die Geschichte kennt jeder. Ein Kollege, Hans Peter Fischer, der Kameramann von "Willi will's wissen", sagte zu mir "Willi… In 80 Fragen um die Welt!" Das war einer dieser magischen Momente. Wir sagten uns "Natürlich, wir machen eine Weltreise!" Das war der Start, aus dem sich nach und nach die Idee eines Kinofilms entwickelt hat. Es war ein relativ langer Prozess, zwischen der Idee und dem Film liegen immerhin drei Jahre. Vom Titel her haben wir es dann doch nicht ans Buch angelehnt, es wäre kompliziert geworden, genau 80 Fragen zu stellen - auch, weil wir dann mit einem festen Drehbuch hätten arbeiten müssen.

Ricore: Wie sind die Etappen - Tokyo, Australien, Kanada Sahara - zustande gekommen?

Weitzel: Wir haben als erstes gute Geschichten gesucht. Was ist für die Kinder interessant? Für uns als Journalistenteam war das natürlich eine traumhafte Situation: Du bekommst ein Budget, es wird gesagt "Macht einen Kinofilm". Und dann darfst Du Dir jedes Land der Welt ausgucken. Nach und nach haben sich die Ziele dann rauskristallisiert. Einige Ziele waren einfach nicht möglich, beispielsweise wenn an den gewünschten Drehorten Landminen waren. Die Wüste stand fest, das war ein persönlicher Wunsch von mir. Dann haben wir mit den Kontrasten gespielt - zum einen die Einsamkeit in der Sahara, dann das Gewusel in Tokyo. Dann hatten wir den grünen australischen Regenwald anschließend an das schneebedeckte, weiße Kanada. Wir haben uns bewusst für nur vier Ziele entschieden. Ich wollte nicht ein Ziel nach dem anderen abklappern sonder die Kinder an der Hand nehmen und ankommen lassen. Den Orten Raum geben um sich zu entfalten.
MFA+
Willi Weitzel
Ricore: Welcher Ort hat den größten Eindruck hinterlassen?

Weitzel: Ich war der Sahara in zweierlei Hinsicht sehr nahe. Zum einen, weil ich ein persönliches Anliegen hatte. Ich habe meiner alten Freundin, Frau Klinger versprochen, ihr etwas Sand von der Stelle mitzubringen, an der sie selbst mal war. Zum anderen hat mich dieser Ort fasziniert. Die Nächte sind so intensiv, alles ist so ruhig. Es gab nur uns und hunderte Kilometer Sand. Wir waren Tag und Nacht immer unter freiem Himmel. Das war für mich etwas ganz Besonderes, ein magischer Ort. Ich hätte privat nie Tokyo angestrebt, andere Orte hätten mich mehr interessiert. Dann waren wir dort und ich fühlte mich wie ein 16-jähriger, der auf Klassenfahrt in London ist. Alles war groß und bunt, es gab so viele Eindrücke. Jetzt bin ich total begeistert von dieser Stadt und würde mich freuen, wenn sich wieder mal ein Anlass böte, dorthin zu fahren.

Ricore: Es ist ein weiter Weg vom Theologiestudium bis zum Kinderfernsehen. Wie ist es dazu gekommen?

Weitzel: Mein Ziel war es, Radiomoderator zu werden. Jemand vom Rundfunk sagte mir, dafür müsse ich Schauspielunterricht nehmen und für die Zeitung schreiben. Also habe ich Schauspielkurse belegt und für die Zeitung geschrieben. Ich wusste auch, dass man vier Semester studiert haben muss um eine Hospitanz beim Bayerischen Rundfunk zu machen. Also habe ich Theologie studiert, weil das für mich ein guter Schlüssel war, um dort reinzukommen. Während meiner ersten Semester habe ich für die Münchner Kirchenzeitung geschrieben. In diesem Zusammenhang begleitete ich einmal einen Sonderzug von der Caritas. Es ging um eine Reportage über Menschen mit Behinderung. Im Presseabteil traf ich ein Fernsehteam vom Bayerischen Rundfunk. Eine Redakteurin fragte mich "Was willst Du eigentlich werden?" worauf ich antwortete "Ich möchte zum Radio." Sie meinte, sie könne sich vorstellen, dass ich mit Kindern gut zurechtkäme. "Fang doch beim Kinderfunk an" Ich sagte nur "Ja, genau. Super..." Ich machte das dann einfach um einen Fuß drin zu haben. Mit der Arbeit im Kinderfunk habe ich dann etwas gefunden, was mir wahnsinnig Spaß gemacht hat, was gepasst hat.
MFA+
Willi Weitzel
Ricore: Sie machen eine Sendung für Kinder. Auch wenn viel von dem Menschen Willi Weitzel in der Fernsehfigur drinsteckt, sind die beiden doch nicht deckungsgleich. Wo hört die kindliche Figur vor der Kamera auf, wo fängt der erwachsene Mensch dahinter, der 36-jährige Mann an?

Weitzel: Es ist relativ fließend. Ich trage diese Rolle in mir. Das ist eine Seite von mir, die ich vor der Kamera ausleben kann. Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen der Figur und dem Mensch Willi Weitzel. Ich bin natürlich ein erwachsener Mann. Das bin ich. Ich mache aber diese Sendungen - als Stellvertreter für die Kinder. Um meine Zuschauer abzuholen, muss ich eben auch auf ihre Augenhöhe kommen. Die Sprache sprechen um den Blickwinkel aufzunehmen. Dabei werde ich nun mal jünger. So wie der Sprecher von Justus Jonas aus den Drei Fragezeichen. Der ist auch schon über 40 und nimmt immer noch die Hörspiele auf. Und ist dann in seiner Rolle drin. Es macht mir aber wirklich Spaß. Ich empfinde das so, als könnte ich noch etwas nachholen, auf kindliche Art und Weise Dinge machen. Als erwachsener Mann würde ich auch nicht auf die Baustelle rennen, die Tür eines Baggerfahrzeugs aufreißen und grell brüllen "Ey, kann ich mich mal ans Steuer setzen?!" Das jedoch in meiner Figur ausleben zu können, macht Spaß. Das hat auch was von Anarchie. Sagen wir brave Anarchie. Es ist schon eine Mischung. Manchmal weiß ich nicht, wo der Willi vor der Kamera aufhört, und wo der hinter der Kamera anfängt. Das weiß ich wirklich nicht.

Ricore: Fühlt man sich immer ernst genommen, wenn das Gespräch auf den Beruf, auf das Kinderfernsehen kommt?

Weitzel: Die Frage ist interessant. Letztendlich bin ich ein ganz normaler Journalist. Eben einer mit einem speziellen Zielpublikum. Ich glaube mittlerweile gibt es da auch einen gewissen Respekt von Kollegen, weil die Sendung so erfolgreich ist. Doch in fünf Jahren Kinderfunk fühlt man sich doch manchmal... ich will nicht sagen nicht gewürdigt, das würde falsch verstanden werden. Wenn es bei einer Konferenz heißt "Ok, hier haben wir die Abteilung Politik, da sind die Kollegen von der Zeitgeschichte, hier Abteilung Tagesaktuelles - ja und die vom Kinderfunk sind auch da" Das ist immer ein bisschen wie "Ach, ja das ist ja süß, was Ihr macht." Das ist es nicht. Wir haben nur einen anderen Blickwinkel auf die Sache. Wir gehen die Themen aber genauso an, berichten über Krankheit, Tod, Obdachlosigkeit, Behinderung. Eben mit einer anderen Sprache.
MFA+
Willi Weitzel auf Abenteuerjagd
Ricore: Was bedeutet, dass man zumindest von den Kollegen nicht gewürdigt wird, oder nicht?

Weitzel: Nein, mit dieser Aussage würde ich kommunizieren, dass ich unsicher bin. Aber das bin ich nicht. Mir ist es wurscht wenn Leute sagen "Ach, der spaziert doch nur grinsend durch die Welt". Mein Ziel ist es ja nicht, irgendwelche 30-jährigen Journalisten zu begeistern. Es geht darum, ein Publikum anzusprechen, das ganz unverdorben ist, das erst seit fünf, sechs Jahren auf dieser Welt ist. Das ist einfach nicht vergleichbar mit der Arbeit für ein älteres Zielpublikum.

Ricore: Es gibt sicherlich auch Anfeindungen, sei es aus Neid oder von Leuten, die es nicht ertragen können, wenn permanent gute Laune, Positivismus kommuniziert wird. Vor einigen Jahren gab es mal einen ziemlich brutalen Zwischenfall, als Sie das Thema Obdachlosigkeit behandelt haben.

Weitzel: Ja, das war in der Folge "Was ist ohne Obdach los?" Es ging darum, den Kindern zu zeigen, was los ist. Also hab ich in einem Selbstversuch nachts hier in München im Park am Stachus übernachtet. Jeder Obdachlose wird sagen, dass er schon mal überfallen worden ist. Es gibt immer irgendwelche Schläger, die wahrscheinlich gerade eine soziale Stufe drüber stehen. Und die Obdachlosen sind die Einzigen, denen sie noch eins reinwürgen können. Dann gehen die nachts mit Baseballschlägern rum und verprügeln die Obdachlosen. Ich war dummerweise in der Nacht dran. Man sieht die Narbe noch auf der Stirn. War eine ziemlich große Wunde und musste mit sieben Stichen genäht werden. Es war furchtbar. Im Schlaf einen Baseballschläger auf den Kopf zu kriegen. Ich hatte ein Schädel-Hirn-Trauma. Deswegen sag ich auch immer: Das Kinderfernsehen ist nicht süß.
erschienen am 3. März 2009
Zum Thema
Willi Weitzelhat eine Abenteuerreise quer über den Erdball gemacht. Am Grab seiner ältesten Freundin schwört Willi, ihr eine Dose Sahara-Sand mitzubringen. Doch zuerst geht's nach Australien zu gefährlichen Tieren. Kinder, die bei dem Anblick von Krokodilen anfangen zu kreischen, werden bei "Willi und die Wunder dieser Welt" sicherlich auf ihre Kosten kommen. Für einen Familienfilm fehlt es an Hintergrundinformationen, aber kleineren Kindern wird's gefallen.
2024