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Julia-Maria Köhler in "Ob ihr wollt oder nicht!"
Julia-Maria Köhler mag Außenseiter
Interview: "Familie ist wichtig"
Julia-Maria Köhler spielt in "Ob ihr wollt oder nicht!" ihre erste Rolle in einem Spielfilm. 2001 gab sie in der Fernsehserie "Berlin, Berlin" ihr Debüt und tritt seither in Serien wie "Verrückt nach Clara" oder "GSG 9 - Die Elite Einheit" auf. Die ausgebildete Tänzerin spielte viele Jahre auch auf Theaterbühnen. Im Interview sprach sie über ihre Figur, die Außenseiterin Toni, Familie und die Problematik von Sterbehilfe.
erschienen am 28. 04. 2009
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Szene in "Ob ihr wollt oder nicht!" mit Julia-Maria Köhler
Ricore: "Ob ihr wollt oder nicht!" ist ihr Kino-Debüt. Ihre Figur Toni ist rebellisch, hat jedoch das Herz am richtigen Fleck. Konnten Sie sich mit Ihr identifizieren?

Julia-Maria Köhler: Ich halte sie für eine sympathische Außenseiterin. Ich hatte viel Spaß in der Rolle. Ich schätze das Unangepasste, das Experimentierfreudige und das etwas Tollpatschige an ihr.

Ricore: Waren Sie selbst schon einmal Außenseiter?

Köhler: Man kommt immer wieder in Situationen, wo man sich nicht zugehörig fühlt. So ist das Leben.

Ricore: Was war die rebellischste Situation oder Aktion Ihres Lebens?

Köhler: Ich war nicht wahnsinnig rebellisch. Für einen Tanzauftritt Schule zu schwänzen fand ich schon rebellisch.

Ricore: Bei "Ob ihr wollt oder nicht!" handelt es sich um eine Tragikomödie mit ernsten Grundthema. Haben Sie sich schon früher mit Sterbehilfe auseinandergesetzt?

Köhler: Nein. Ich wusste, dass es ein sehr umstrittenes Thema ist, das es schwierig und illegal ist. Als ich das Drehbuch las, dachte ich, dass es sich um ein sehr aktuelles und wichtiges Thema handelt. Meiner Ansicht nach sollte gerade ein so junger Mensch selbst entscheiden können, ob er gehen möchte oder nicht.

Ricore: Hat sich durch den Film Ihr Verhältnis zum Tod geändert?

Köhler: Das würde ich schon sagen. Ich wurde schon hellhöriger wenn jemand aus meinem Umfeld an Krebs erkrankte und wie man damit umgeht. Man bekommt mehr Angst, dass einem das selbst passiert.
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Ob ihr wollt oder nicht!
Ricore: Ich habe gehört, dass die Dreharbeiten sehr emotional waren.

Köhler: Die Szenen der Schwestern mit den Eltern waren sehr leichtlebig, ironisch und scharf-witzig. Da haben wir unwahrscheinlich viel gelacht. Da waren wir sehr leichtfüßig unterwegs. Beim Dreh der Abschiedsszene von Laura wurden wir plötzlich alle sehr leise. Durch den besonderen Drehort waren wir alle sehr ergriffen. Wir mussten sogar eine kurze Pause machen, damit sich das setzen konnte. Das hat uns doch sehr mitgenommen.

Ricore: Wurde das Thema Sterbehilfe am Set auch diskutiert?

Köhler: Ja. Wir haben darüber gesprochen. Wir haben uns auch mit dem Regisseur viel mit diesem Thema auseinander gesetzt.

Ricore: Der Film zieht da eine klare Linie. Gab es konträre Ansichten? Differenzen mit dem Regisseur?

Köhler: Nein. Was die Situation und ihren Ausgang anbetrifft, waren wir alle ziemlich einer Meinung.

Ricore: Sie sind also mit dem Ende einverstanden?

Köhler: ja.

Ricore: Wurde diskutiert, wie der Film wohl in Deutschland aufgenommen wird, wo Sterbehilfe verboten ist?

Köhler: Meiner Ansicht nach geht es nur gegen Ende um Sterbehilfe. Größtenteils geht es um eine Familie, die mit dieser Situation konfrontiert wird. Diese Familie hat auch Probleme untereinander, weil sich jeder verschieden in unterschiedliche Richtungen entwickelte. Die besondere Situation bringt alle wieder an einem Ort zusammen, wo man nicht unbedingt bereit war, die anderen zu treffen. Man setzt sich mit verschiedenen Lebensplänen auseinander. Der Tod begleitet diese Situation nur. Der Film gibt am Ende die Möglichkeit, dass sich wieder alle etwas zu sagen haben.
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Julia-Maria Köhler mags locker, auch im Film
Ricore: Es passiert oft, dass sich Familien auseinander entwickeln. Was kann man Ihrer Meinung nach dagegen tun?

Köhler: In erster Linie sollte man Leben und Leben lassen. Das finde ich wichtig. Man muss akzeptieren, dass jeder individuell sein darf. Dennoch muss Kommunikation stattfinden. Man muss versuchen, sich zu besuchen, auch wenn man eventuell keine Zeit hat. Wenn man es irgendwie einrichten kann, sollte man das immer tun.

Ricore: Sie sind als Theaterschauspielerin viel unterwegs. Was machen Sie, um Ihre Familie öfter sehen zu können?

Köhler: Wir telefonieren viel miteinander. Ich schaffe das schon.

Ricore: Haben Sie manchmal Heimweh?

Köhler: Ja klar. Ich bin gerne zuhause und freue mich jedes Mal, wenn ich wieder nach Hause fahren kann. Es ist schön, bei den Eltern zu sein, mit denen ich mich sehr gut verstehe, wie auch mit meinen Geschwistern.

Ricore: Wie viele Geschwister haben Sie?

Köhler: Zwei. Ich bin die in der Mitte.
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Julia-Maria Köhler lacht gerne
Ricore: Man sagt, die in der Mitte haben es am schwersten. Wie erging es Ihnen?

Köhler: Nein. Bei uns ist das gut gelaufen. Jeder von uns bekam seinen Platz, seine Zugehörigkeit und Zuneigung von den Eltern.

Ricore: Noch eine Frage zu Senta Berger. Sie sind ja Theater-Kollegen. Wie war es, mit ihr zu spielen?

Köhler: Unglaublich toll. Sie ist eine hochemotionale, tolle Person mit viel Feingefühl. Sie ist sehr menschlich und eine tolle Schauspielerin.

Ricore: Werden Sie bald wieder auf der Bühne stehen?

Köhler: Zurzeit gibt es keine Pläne dazu, aber wer weiß...

Ricore: Wie werden Sie die Premiere zum Film verbringen?

Köhler: Die Premiere findet in Essen statt. Ich freue mich sehr, dass ein Teil meiner Familie auch daran teilnehmen kann.

Ricore: Sind Sie aufgeregt?

Köhler: Ich bin sogar sehr aufgeregt.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 28. April 2009
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Wie geht man mit den nahen Tod eines geliebten Familienmitgliedes um? Regisseur Ben Verbong zeigt in seinem Familiendrama "Ob ihr wollt oder nicht" unterschiedliche Wege auf, damit fertig zu werden. Streckenweise gelingt ihm eine heitere Komödie voller Leichtigkeit und Ironie. Es macht Spaß den vielen, höchst unterschiedlichen Charakteren auf ihrem Lebensweg und bei ihrer Entwicklung zuzusehen.
Schauspielerin und Tänzerin Julia-Maria Köhler wurde 1978 in Brandenburg geboren. Nach der Tanzausbildung am Ballet Arts Institute New York besuchte sie die Hochschule für Musik und Theater in Leipzig. Nach einigen Theaterrollen wurde sie vom Fernsehen entdeckt, wo sie in der Serie "Berlin, Berlin" ihr Debüt gab. Ob ihr wollt oder nicht!" ihre erste Spielfilmrolle. 2005 wurde sie mit für Das beste deutsche Tanzsolo wegen ihrer tänzerischen Interpretation von Lady Macbeth in einem..
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