Gudrun Schmiesing/Ricore Text
Max von Thun
"Frauen sind etwas sehr schönes"
Interview: Max von Thun über München und die Liebe
Max von Thuns jüngster Film "Pizza und Marmelade" erzählt auf einfühlsame Weise von sozialem Abstieg und zwischenmenschlicher Zuwendung. Der Schauspieler spricht im Interview über die Liebe als Ausweg aus schwierigen Lebenslagen und als größte Inspiration für seine künstlerische Arbeit. Der Münchner verrät, wo seine Heimatstadt am schönsten ist, und gibt Auskunft über seine Zukunftspläne als Regisseur und Musiker. Anlässlich des Münchner Filmfests 2008 äußert er sich zum Deutschen Film und vergleicht die Arbeit hierzulande mit Dreharbeiten im europäischen Ausland.
erschienen am 9. 01. 2010
Gudrun Schmiesing/Ricore Text
Stefanie Stappenbeck, Max von Thun
Ricore: Herr von Thun, Sie wohnen in München, ihr Film "Pizza und Marmelade" spielt in München. Was bedeutet es ihnen ausgerechnet zum Filmfest München eingeladen worden zu sein?

Max von Thun: Das ist ein schönes Gefühl. Ich hoffe der Film kommt gut an. Natürlich ist das eine schöne Kombination. Ein Film, der in München gedreht wurde, von Münchnern hauptsächlich, hat seine Premiere am Münchner Filmfest. Aber wichtiger ist, dass er den Leuten gefällt, egal wo er herkommt. Das wünsche ich mir. Weil er das wirklich verdient hätte, weil er ein ganz erstaunlicher, liebevoll gemachter, schöner Film daraus geworden ist.

Ricore: Beim Filmfest München läuft der Film in der Reihe "Neue deutsche Kinofilme". Wie steht's um den Deutschen Film?

Von Thun: Ich finde es steht sehr gut um den Deutschen Film. Ich denke, dass das, was in den letzten Jahren im Kino gelaufen ist, sehr viel Hoffnung macht. Man ist Gott sei Dank wieder weggekommen von diesen komischen Komödien und findet Themen, die die Menschen berühren. Es gibt auch viele zeitgeschichtliche Themen, die es wert sind, erzählt zu werden. Ich finde, dass da auch handwerklich gut gearbeitet wird. Ich denke nicht, dass wir uns Sorgen machen müssen um die Zukunft des Deutschen Films.

Ricore: Gab es Filme in den letzten Jahren, die Ihnen besonders gut gefallen haben?

Von Thun: Ja, es gibt eine ganze Menge, die mir gut gefallen haben. Ich habe nur ein wahnsinnig schlechtes Gedächtnis, vor allem für Titel. Ich könnte nicht mal sagen, wie das Buch heißt, dass ich lese, obwohl ich es schon seit einer Woche lese. Aber es gibt gute Filme und es passiert auch immer wieder, das mit relativ geringen Erwartungen und in einen deutschen Film gehe und überrascht werde.
ZDF
Max von Thun
Ricore: Reizt es Sie auch einmal im Ausland zu arbeiten?

Von Thun: Ich habe schon in Wien gedreht und in Frankreich. Der Dreh in Frankreich war auf Französisch, der in Wien auf Englisch. Ich hatte also schon das Glück durch meine Arbeit ins Ausland zu kommen. Man wird als deutscher Schauspieler ja auch immer gefragt, ob man Interesse hätte, nach Hollywood zu gehen. Die Frage ist nicht, wo man einen Film dreht, sondern wie gut er ist.

Ricore: Arbeitet man im Ausland anders als hierzulande?

Von Thun: Der einzige wesentliche Unterschied, den ich bei dieser französischen Produktion festgestellt habe ist, dass beim Mittagessen jedes Mal eine Falsche Wein auf dem Tisch stand. Das ist dort wahrscheinlich gewerkschaftlich so festgelegt. Das finde ich toll. Aber deshalb ist die Arbeit auch keine andere. Man erarbeitet mit den Kollegen und dem Regisseur eine Szene und schaut, dass man sie so gut wie möglich umsetzt. Natürlich ist der Aufwand manchmal ein anderer. In Hollywoodproduktionen setzt man zum Beispiel Scheinwerfer ein, die es in Deutschland gar nicht gibt, weil sie so riesig sind und hier nicht gebraucht werden. Aber die Größe von einem Scheinwerfer macht noch nicht die Qualität eines Films aus. Die drehen genau so viel Schwachsinn da drüben. Es gibt sowohl im europäischen Kino als auch im amerikanischen eine ganze Reihe von Leuten, deren Arbeit ich sehr schätze und mit denen ich wahnsinnig gerne einmal arbeiten würde. Aber das ist nicht mein erklärtes Ziel.

Ricore: Ursprünglich wollten Sie Regisseur werden. Denken Sie manchmal darüber nach, in diese Funktion zurückzukehren?

Von Thun: Das schließe ich nicht aus. Ich habe auch einige Kurzfilme gemacht. Wenn ich Zeit habe - im Moment komme ich nicht dazu - schreibe ich auch an Kurzgeschichten oder Drehbüchern. Im Moment versuche ich mich einfach auf Schauspiel und Musik zu konzentrieren. Ich glaube, man muss seine Energien bündeln und sollte nicht auf jeder Hochzeit mittanzen. Es gibt viele Dinge, die mich interessieren, aber deshalb würde ich nicht anfangen, alles parallel zu machen. Aber es ist nach wie vor ein kleiner Traum von mir, irgendwann selbst Regie zu führen.
ZDF
Max von Thun in "Stürmische Zeiten"
Ricore: Ihre Filmfigur Florian Herzog wird überraschend arbeitslos, er muss seine Wohnung aufgeben und in einer Pizzeria jobben. Es geht also um Armut und sozialen Abstieg. Gab es in ihrem Leben einmal eine Zeit, in der Sie in Geldnot waren?

Von Thun: Ich habe neulich gelesen, dass jedes sechste Kind in Deutschland in Armut lebt. Ich finde, dass sind erschreckende Zahlen. Ich kann mit großem Glück sagen, dass das bei mir nie so war. Natürlich gab es Zeiten, in denen ich wesentlich weniger verdient habe und mir meinen Status noch erarbeiten musste. Und dann gab es eben Zeiten, in denen man sich von Toastbrot und billiger Leberwurst aus dem Supermarkt ernährt hat. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die denken, dass sich das Glück durch Geld definieren lässt. Ich bin sehr froh, dass ich mittlerweile so gut verdiene, dass ich mir Dinge leisten kann, die mir Spaß machen. Aber ich kann mit Geld auch überhaupt nicht umgehen. Ich gebe es aus, wenn ich welches habe und wenn es aus ist, dann gebe ich es eben nicht aus und warte bis wieder welches da ist.

Ricore: Braucht man diese Erfahrung, um die Rolle im Film spielen zu können?

Von Thun: Da ich keine wirkliche Armut erlebt habe, kann ich nicht sagen, ob es für meine Arbeit nötig gewesen wäre. Vielleicht hätte ich dann alles ganz anders gemacht. Das ist gut möglich. Aber alleine die Vorstellung, dass ich aus meiner Wohnung ausziehen müsste, dass ich mein Auto verkaufen müsste, dass ich mir Dinge, die mir wichtig sind, nicht mehr leisten könnte, ist erschreckend. Dass man sich irgendwann dann auch schwer tut, anderen Leuten zu sagen, dass man sich wie ein Versager fühlt, kann ich schon nachvollziehen. Ich glaube nicht, dass ich das erlebt haben muss, um es spielen zu können.

Ricore: Ist es vielleicht sogar das größere Problem, mit der Meinung der anderen umzugehen, als mit dem materiellen Verlust?

Von Thun: Gerade den Münchnern sagt man ja nach, dass sie sich stark über Statussymbole definieren. Das trifft sicher auch auf einen Teil der Gesellschaft zu, in Hamburg und Berline merke ich das auch immer mehr. Es gibt Menschen, die leasen sich ihren Porsche, weil es ihnen wichtiger ist, dass Leute beeindruckt davon sind, dass sie sich das leisten können, anstelle sich klar zu machen, dass sie sich finanziell übernehmen. Allgemein verspüren wir schon alle den Druck, Karriere zu machen. Wer das nicht tut, hat finanzielle Probleme und bekommt vielleicht das Gefühl, etwas nicht zu schaffen, das andere geschafft haben. Ich bin kein allzu Ehrgeiziger Mensch. Ich habe gerne beruflichen Erfolg, definiere mein Leben aber nicht durch meine Arbeit.
Gudrun Schmiesing/Ricore Text
Stefanie Stappenbeck, Max von Thun, Helmfried von Lüttichau
Ricore: Ist "Pizza und Marmelade" also ein politischer Film?

Von Thun: Der Film ist zumindest ein Plädoyer dafür, dass Geld allein auch nicht glücklich macht, sondern dass man sein Glück oft unerwarteterweise irgendwo anders findet. Wir leben schon in einer Wohlstandsgesellschaft und man ist daran gewöhnt. Wenn dann mal etwas nicht so rund läuft, fragt man sich sofort, warum man so ein verdammtes Pech im Leben hat. Dabei geht es uns allen verhältnismäßig gut und dieser Film plädiert dafür, dass man den Kopf nicht in den Sand stecken soll, wenn man Probleme hat.

Ricore: Am Ende des Films ist nicht ganz klar, ob die Hauptfigur Florian das Viertel, in das er notgedrungen gezogen ist, verlässt, sobald er wieder Geld hat. Die Freunde, die er dort gefunden hat, muss er dann aufgeben. Ist es doch nicht möglich, Klassenunterschiede zu überwinden?

Von Thun: Ich weiß nicht, ob es verwerflich ist, dass Florian das Milieu, in das er sich begeben hat, wieder verlässt. Entscheidender für ihn ist die Erfahrung, die er dort gemacht hat. Ich könnte mir ganz gut vorstellen, dass er dort wieder wegzieht, wenn es beruflich aufwärts geht. Zu den Erfahrungen, die er macht, gehört ja schon der Nachbar Büchner, der ihm die Marmelade schenkt, die er am Anfang wegwirft. Später bemerkt er, dass dieser Büchner ein intelligenter Mensch ist. Der wohnt zwar in einem Sozialbau, aber auch der hat seine Qualitäten. Diese Erkenntnis bleibt Florian.

Ricore: Die Lösung der Probleme fast aller Figuren im Film ist eine Liebesbeziehung.

Von Thun: Ja, eine Liebesbeziehung oder ein privates Glück, das Gefühl angekommen zu sein spielt eine große Rolle. Das ist aber im realen Leben ähnlich. Ein Manager, der wahnsinnig erfolgreich ist aber am Abend alleine zuhause sitzt, wird auch nicht glücklich werden können. Ich denke schon, dass es ein ganz wichtiger Aspekt in unserem Leben ist, Menschen kennen zu lernen, die einem etwas bedeuten, die einem Liebe geben und denen man Liebe geben kann.

Ricore: Auf ihrem Album sind auch fast nur Liebeslieder.

Von Thun: Zum größten Teil, ja. Es geht sehr oft um Frauen. Frauen sind etwas sehr schönes. Ich beschäftige mich gerne mit Frauen. Ich habe festgestellt, dass es für mich als kreativen Impuls einfach die stärksten Momente sind, wenn ich glücklich verliebt bin oder Liebeskummer habe.

Ricore: Ist es nicht sehr schwer, über Liebe zu erzählen, weil die Geschichte von außen gesehen immer die gleiche ist?

Von Thun: Natürlich ist es die gleiche Geschichte. Aber die Konstellationen sind ja anders. Wie man sich kennen lernt zum Beispiel, was alles geschieht, was einen zusammenschweißt. Das ist immer wieder neu. Das treibt auch Menschen an, dieses Glück immer wieder aufs Neue zu suchen. Es stimmt schon. Es ist immer das gleiche: Zwei Menschen treffen sich, verlieben sich und sind glücklich.
André Weikard/Ricore Text
Max von Thun in "Pizza und Marmelade"
Ricore: Eine starke Liebesszene im Film ist die wo der Architekt Florian Lucia mit in Münchens Asamkirche nimmt und indem er über den Ort redet, viel von sich preisgibt. Haben Sie auch einen solchen Lieblingsort in München?

Von Thun: Ich bin sehr gerne am Friedensengel und genieße den Blick über München an einem schönen Sommerabend. Das tu ich sehr gerne. Ich habe aber auch die Asamkirche durch diesen Film neu entdeckt. Ich war seit langem einmal wieder drin und sie ist wirklich äußerst schön. Wenn man dann durch den Film ein klein wenig über die Geschichte gelernt hat, hat man noch einmal einen engeren Bezug dazu. Ich bin prinzipiell ein sehr großer München-Fan und finde, es gibt verdammt viele schöne Plätze in dieser Stadt.

Ricore: Wie geht es musikalisch mit Max von Thun weiter? Gibt es schon einen Termin für das zweite Album?

Von Thun: Nein, es gibt noch keinen konkreten Termin, es gibt aber auch zum Glück keinen Druck von der Plattenfirma. Dort weiß man, dass ich auch drehe und dass ich das eben aufeinander abstimmen muss. Mein Zeitplan sieht vor, dass ich mir bis Anfang Dezember noch die Zeit nehme, Lieder zu schreiben. Ich habe lieber einige zu viel als zu wenig, so dass ich auswählen kann. Dann würde ich im Winter ins Studio gehen und im Frühjahr die neue Platte rausbringen. Das ließe mir dann auch noch die Zeit zu Dreharbeiten. Diverse Projekte sind in der Planung. Bei zweien steht die Finanzierung noch nicht, bei einem anderen sind die Bücher noch nicht ganz fertig. Ich bin da aber sehr gelassen. Ich habe im letzten Jahr fast schon etwas zu viel für meine Verhältnisse gedreht. Ich habe auch gerne einmal eine Woche für mich. Das war im letzten Jahr fast nicht möglich. Zur Zeit fahre ich viel mit dem Motorrad, lasse mich vom Sommer inspirieren und harre der Dinge, die da kommen.
erschienen am 9. Januar 2010
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Irgendwann hatte der Sohn von Schauspieler Friedrich von Thun einfach keine Lust mehr auf Familie. Max ging in ein englisches Internat und machte sein Abitur auf der Insel. Seinen ursprünglichen Plan, Regisseur zu werden, gab er bald danach auf und wurde Schauspieler. Der 1,93 Meter große Münchner ist seit 1997 in zahlreichen TV-Produktionen zu sehen. Er ist außerdem Sänger und Gitarrist der Band "77", die nach seinem Geburtsjahr benannt ist.
Als Architekt Florian (Max von Thun) seinen Job verliert, rutscht er schnell in die Armut und ein bedrückendes soziales Milieu ab. Doch nach einiger Zeit findet er auch unter den Verlierern der Gesellschaft Freunde. Oliver Dieckmann erzählt in ruhigen Tönen und mit viel Sympathie für seine Figuren von Außenseitern und deren großen Bedürfnis nach Geborgenheit. Sein Drama ist unaufdringliche Sozialstudie und einfühlsam erzählte Liebesgeschichte zugleich.
2024